Politik

Kochs Vorstoß erntet scharfe Kritik Arbeitspflicht bei Hartz-IV

Der CDU-Vize und hessische Ministerpräsident Roland Koch hat eine Arbeitspflicht für Hartz-IV-Empfänger und zugleich höhere Hinzuverdienstgrenzen gefordert. Es müssten Instrumente eingesetzt werden, "damit niemand das Leben von Hartz IV als angenehme Variante ansieht", sagte Koch der "Wirtschaftswoche". Jedem Hartz-IV-Empfänger müsse abverlangt werden, "dass er als Gegenleistung für die staatliche Unterstützung einer Beschäftigung nachgeht, auch niederwertige Arbeit, im Zweifel in einer öffentlichen Beschäftigung". Für seinen Vorstoß erntete der CDU-Vize scharfe Kritik aus dem Linken- und Gewerkschaftslager.

Nach den Worten Kochs gibt es zwei Gruppen von Hilfeempfängern. "Jene, die durch die Unbilden des Lebens, völlig ohne eigene Schuld, in Not geraten sind. Denen möchte man Hartz IV eigentlich nicht zumuten. Und wir haben Menschen, die mit dem System spielen und Nischen ausnutzen."

Arbeit soll sich lohnen

Koch fordert bessere Verdienstmöglichkeiten für Hartz-IV-Empfänger.

Koch fordert bessere Verdienstmöglichkeiten für Hartz-IV-Empfänger.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Es könne kein funktionierendes Arbeitslosenhilfe-System geben, das nicht auch ein Element von Abschreckung enthalte. "Sonst ist das für die regulär Erwerbstätigen, die ihr verfügbares Einkommen mit den Unterstützungssätzen vergleichen, unerträglich." Koch führte weiter aus, mit einer solchen Regelung müssten höhere Hinzuverdienstgrenzen einher gehen, damit sich Arbeiten auch lohne. Auch die "Nöte der Alleinerziehenden" müssten im Rahmen einer Hartz-IV-Reform beendet werden. Koch erwartet allerdings erhebliche Widerstände gegen seine Vorschläge. "Das wird auch in der CDU keine leichte Diskussion."

Bereits nach geltendem Recht sind Bezieher des Arbeitslosengeldes II zur Annahme jeder zumutbaren Arbeit verpflichtet. Wenn sie dies ablehnen oder die Zusammenarbeit mit dem Jobcenter verweigern, wird ihnen das Arbeitslosengeld II um 30 Prozent oder mehr gekürzt. Nach den jüngsten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA) verhängten die Jobcenter allein von Januar bis August 2009 in 68.500 Fällen Sanktionen gegen Hartz-IV-Bezieher, weil sie die Aufnahme einer Arbeit oder Ausbildung ablehnten. Insgesamt wurden in den acht Monaten 488.000 Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger verhängt, vor allem wegen Meldeversäumnissen.

Kochs Äußerungen "mittelalterlich"

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sagte auf einer Klausurtagung der Hessen-SPD in Friedewald: "Es wäre nicht schlecht, wenn die Bundesregierung ihre Arbeitspflicht mal aufnehmen würde und dieses Land regieren, statt zuzugucken, wie die Arbeitslosigkeit wächst."

Der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Klaus Ernst, forderte Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel auf, Koch für seine "Hartz-Entgleisung" in die Schranken zu weisen. "Was Koch da absondert, ist mittelalterlich. Wer in die Arbeitslosenabsicherung ein Abschreckungselement einbauen will, riskiert mit voller Absicht, dass Menschen auf der Strecke bleiben." Ernst fügte hinzu: "Wenn es nach so einer Entgleisung keinen Aufschrei in der Union gibt, dann zeugt das von Charakterlosigkeit." Außerdem kenne Koch die Rechtslage nicht. Arbeitslose müssen schon heute nahezu jeden angebotenen Job annehmen, wenn sie nicht ihre Unterstützung riskieren wollten.

Die SPD tritt dafür ein, dass Langzeitarbeitslose ihr gesamtes zur Altersversorgung angespartes Vermögen behalten können.

Die SPD tritt dafür ein, dass Langzeitarbeitslose ihr gesamtes zur Altersversorgung angespartes Vermögen behalten können.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Sommer, reagierte empört: "Es ist schon fast unanständig, mit diesem Vorstoß zu suggerieren, dass die Arbeitslosen arbeitsscheu wären." Die übergroße Mehrheit der Erwerbslosen suche händeringend nach anständiger, guter und zumutbarer Arbeit. "Offensichtlich ist Herr Koch in der Klausurtagung der CDU auserkoren worden, in der Abteilung Vorurteile der Stammtische im Trüben zu fischen", sagte Sommer.

Vorteile beibehalten

Die nordrhein-westfälische SPD-Vorsitzende Hannelore Kraft warnte derweil davor, bei einer Veränderung von Hartz IV auch die Vorteile zunichte zu machen. Die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe sei richtig gewesen, weil sie den Betroffenen Hilfe "aus einer Hand" gebracht habe, sagte Kraft in Düsseldorf. Dieser Fortschritt dürfe bei der anstehenden Überarbeitung der Arbeitsmarktreformen nicht preisgegeben werden. Die von der Bundesregierung angestrebte Umstrukturierung der Jobcenter berge eine solche Gefahr. Dass es Korrekturen an der unter dem damaligen SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder verabschiedeten Gesetzgebung geben müsse, sei unzweifelhaft, räumte die stellvertretende Parteivorsitzende Kraft ein.

Nach dem Willen von SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sollten Langzeitarbeitslose künftig ihr gesamtes zur Altersversorgung angespartes Vermögen behalten dürfen. Dies solle ohne jede Eigentumsüberprüfung geschehen, sagte sie der "Berliner Zeitung". Die heutige Anrechnung des Vermögens zur Altersversorgung werde von den Betroffenen, die oft Jahrzehnte in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hätten, als die eigentliche Zumutung empfunden.

Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP

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