Fall Niels H. als "Weckruf" Ärztebund fordert mehr Autopsien in Kliniken
30.08.2017, 12:19 Uhr
In Krankenhäuser werden nur ein bis drei Prozent der Verstorbenen auf die Todesursache untersucht.
(Foto: imago/Medicimage)
Jeder zehnte Tote soll künftig obduziert werden, wenn es nach dem Marburger Bund geht. Das würde zur Aufklärung von nicht natürlichen Todesursachen beitragen. Den Fall um Krankenpfleger Niels H. führen sie als mahnendes Beispiel an.
Der Ärzteverband Marburger Bund hat gefordert, in Zukunft mehr Obduktionen zur Aufklärung von Todesursachen durchzuführen. Die Feststellung von Todesursache und Todesart werde in Deutschland eher stiefmütterlich behandelt. "Wir tappen weitgehend im Dunkeln, weil es zu wenige Obduktionen gibt", erklärte der erste Vorsitzender Rudolf Henke.
Zum einen werden Autopsien angeordnet, wenn Zweifel an einer natürlichen Todesursache vorliegen. Neben diesen forensischen Obduktionen gibt es klinische Sektionen, die genauen Aufschluss darüber geben können, welche Ursachen bei natürlichen Todesfällen im Vordergrund stehen und welche Häufung es in der Bevölkerung gibt. Die klinische Sektionsrate liegt dem Marburger Bund zufolge bundesweit bei etwa ein bis drei Prozent. Autopsien tragen aber nicht nur zur Aufklärung von nicht natürlichen Todesfällen bei.
Autopsien können auch Auswirkungen auf gesundheitspolitische Entscheidungen haben, da sie eine Art der Qualitätssicherung darstellen. Der Marburger Bund fordert deshalb eine Quote von mindestens zehn Prozent Obduktionen, um zu einer haltbaren Todesursachenstatistik zu kommen. Eine Mordserie wie im Fall von Krankenpfleger Niels H. hätte so früher aufgedeckt werden können.
Niels H. soll 90 Patienten getötet haben
Der ehemalige Krankenpfleger soll nach jüngsten Erkenntnissen über Jahre hinweg mindestens 90 Patienten an zwei niedersächsischen Kliniken getötet haben. Er verabreichte Patienten auf Intensivstationen in Oldenburg und Delmenhorst verschiedene Medikamente, die zu Herz-Kreislauf-Stillständen führten, um sie dann zu reanimieren. Viele von ihnen starben. Wegen sechs Morden wurde er bereits verurteilt. Aufgeklärt wurde der Fall durch die hohe Sterblichkeitsrate während seiner Dienstzeiten, die den Verantwortlichen zwar aufgefallen war, die Behörden wurden allerdings nicht informiert.
Die Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Ingrid Fischbach, bezeichnete den Fall gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland als "Weckruf". Sie mahnte erneut einen offeneren Umgang mit Behandlungsfehlern in Krankenhäusern an. Gerade im Krankenhaus sei es wichtig, Risikoquellen so weit wie möglich auszuschließen. Der Fall Niels H. sei ein Appell dafür "auch Verdachtsmomente anzusprechen, zu prüfen und dann gezielt die notwendigen Schritte einzuleiten."
Quelle: ntv.de, mba/AFP