Rotes Kreuz spricht von Bürgerkrieg Assad setzte Artillerie ein
15.07.2012, 05:15 Uhr
Auch in der Rebellenhochburg Homs sind etliche Häuser und Geschäfte zerstört.
(Foto: REUTERS)
Zwei Tage nach dem Massaker im syrischen Tremseh suchen UN-Beobachter nach Spuren. Sie finden "Blutlachen, Blutspritzer und Patronenhülsen", wie sie berichten. Das Assad-Regime griff demnach mit Artillerie und Mörsern bestimmte Gebäude an. Das Rote Kreuz stuft den Konflikt derweil als Bürgerkrieg ein - mit völkerrechtlichen Konsequenzen.
Der Angriff auf das syrische Dorf Tremseh am vergangenen Donnerstag galt nach Ansicht der UN-Beobachter wohl vor allem Gegnern des Assad-Regimes. "Die Attacke richtete sich offenbar gegen bestimmte Gruppen und Gebäude vor allem von Armee-Deserteuren und Aktivisten", teilten die Blauhelme mit, nachdem sie das Dorf in der zentralen Provinz Hama in Augenschein genommen hatten. Wie viele Menschen bei den Kämpfen getötet wurden, sei noch unklar. Die Untersuchungen in dem Dorf würden fortgesetzt.
Man habe "Blutlachen, Blutspritzer und Patronenhülsen in einer Reihe von Wohnhäusern" gesehen, heißt es in der Erklärung der UN-Beobachter. Auch eine niedergebrannte Schule und beschädigte Häuser mit Brandspuren seien untersucht worden. Nach Angaben der Inspekteure kam eine Vielzahl an Waffen zum Einsatz, darunter Artillerie, Mörser und Handfeuerwaffen.
Rotes Kreuz spricht nun von Bürgerkrieg
Das Rote Kreuz verschärfte unterdessen seine Einschätzung des Syrien-Konflikts und kategorisiert ihn nun als Bürgerkrieg. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) bewertete die Situation als sogenannten internen bewaffneten Konflikt. Damit können Befehlshaber wegen Kriegsverbrechen angeklagt werden - etwa wegen Angriffen auf Zivilisten.

Anti-Assad-Proteste in Al-Hula nahe Homs. In der Stadt war es im Mai zu einem Massaker mit mehr als 100 Toten gekommen.
(Foto: REUTERS)
Das IKRK überwacht die Einhaltung der Genfer Konventionen, in denen Regeln für Kriege festgehalten sind. Bislang betrachtete das Rote Kreuz den Konflikt als Auseinandersetzung zwischen Regierungstruppen und bewaffneten Rebellen vor allem in den Oppositionshochburgen Homs, Hama und Idlib. Die Auseinandersetzungen hätten sich aber so ausgeweitet, dass eine neue Einschätzung erforderlich sei, hieß es.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle warf dem Regime von Präsident Baschad al-Assad vor, einen Krieg gegen die Bevölkerung zu führen. "Das Assad-Regime setzt schwere Waffen wie Hubschrauber, Geschütze und Panzer für grausame Gewalt, für einen regelrechten Krieg gegen das eigene Volk ein. Das ist unsere klare Erkenntnis aus den Berichten über die Geschehnisse von Tremseh", sagte er der "Bild am Sonntag".
Westerwelle appellierte an die internationale Gemeinschaft, den Gräueltaten ein Ende zu bereiten. "Das darf nicht weitergehen. Gewalt schürt nur mehr Gewalt." Jetzt sei der Moment gekommen, an dem der Sicherheitsrat dem Assad-Regime endlich seine Grenzen aufzeigen müsse.
Zahl der Opfer "noch immer ungewiss"
Während Regimegegner den Assad-Truppen vorwarfen, ein Massaker mit bis zu 250 Toten an den Dorfbewohnern verübt zu haben, sprach die Regierung von einem Einsatz gegen "terroristische Banden" - die in Damaskus gebräuchliche Bezeichnung für Regimegegner. Zur Zahl der Getöteten wollten sich die UN-Beobachter nicht äußern, diese sei "noch immer ungewiss". Erst Ende Mai waren bei einem Massaker im syrischen Al-Hula 108 Zivilisten getötet worden, darunter viele Frauen und Kinder.
Zwei Tage hatten die UN-Vertreter warten müssen, bis sie Tremseh inspizieren konnten. Mit elf Fahrzeugen fuhren die militärischen und zivilen Beobachter am Samstag in das Dorf rund 25 Kilometer nordwestlich von Hama. "Das Team hat Fotos von bombardierten Häusern gemacht und Granatsplitter gesammelt, um herauszufinden, mit welchen Waffen das Regime gegen Zivilisten vorgegangen ist", sagte ein Aktivist.
Auf Bildern und in Videos im Internet war zu sehen, wie Menschen den Beobachtern blutgetränkte Kleidung und Überreste von Granaten zeigten. "Das sind russische Waffen", rief ein wütender Mann. Russland ist der wichtigste Verbündete und Waffenlieferant von Machthaber Assad. Die Veto-Macht blockiert im UN-Sicherheitsrat Resolutionen, die ein schärferes Vorgehen gegen Damaskus ermöglichen würden.
Ban fordert Peking zum Handeln auf
Andernorts in Syrien hielt die Gewalt an: Nach Angaben des oppositionellen Syrischen Beobachtungszentrums für Menschenrechte kamen landesweit fast 120 Menschen ums Leben, darunter 49 unbewaffnete Zivilisten.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte derweil China auf, sich für eine Umsetzung des Sechs-Punkte-Plans des Syrien-Sondergesandten Kofi Annan einzusetzen. Bei einem Telefongespräch mit Chinas Außenminister Yang Jiechi habe Ban darauf gedrungen, dass China "seinen Einfluss" nutzen müsse, um eine "vollständige und sofortige Umsetzung" des Plans und der Beschlüsse der Syrien-Aktionsgruppe sicherzustellen, sagte ein UN-Sprecher. China hat gemeinsam mit Russland bisher zwei Resolutionen des UN-Sicherheitsrats gegen das Assad-Regime blockiert. Seit kurzem wird in New York über einen neuen Resolutionsentwurf verhandelt.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts