Politik

"Assad mordet unter Augen der Welt" Entsetzen über Massaker in Syrien

Viele Menschen sollen regelrecht hingerichtet worden sein.

Viele Menschen sollen regelrecht hingerichtet worden sein.

(Foto: AP)

In Syrien wird erneut ein Massaker an der Bevölkerung verübt. Die Truppen von Präsident Assad sollen bis zu 250 Zivilisten getötet haben, sagen Regimegegner. Das Staatsfernsehen macht Terroristen verantwortlich. Das Massaker sei bewusst im Vorfeld einer UN-Sitzung angerichtet worden, sagt ein Sprecher des oppositionellen Nationalrats n-tv.de.

Regierungstreue Kämpfer in Syrien haben der Opposition zufolge das schlimmste Massaker an der Zivilbevölkerung seit Beginn des Aufstands gegen Präsident Baschar al-Assad verübt. Bis zu 250 Menschen seien in dem Dorf Tremseh getötet worden, erklärte der Revolutionäre Führungsrat in der Provinz Hama. Das Staatsfernsehen machte dagegen Terroristen verantwortlich.

Die Bundesregierung fordere freien Zugang für die UN-Beobachter zum "Ort des Verbrechens", sagte Regierungssprecher Seibert.

Die Bundesregierung fordere freien Zugang für die UN-Beobachter zum "Ort des Verbrechens", sagte Regierungssprecher Seibert.

(Foto: AP)

Bislang ist die internationale Gemeinschaft nicht in der Lage, die Gewalt in Syrien zu stoppen. Der oppositionelle syrische Nationalrat gab Russland eine Mitschuld. Der Sprecher des Nationalrats, Sadiqu Al-Mousslie, sagte n-tv.de, dass "der Terror des syrischen Regimes faktisch mit Rückendeckung Russlands" erfolge. "Russland und China haben im UN-Sicherheitsrat bislang erfolgreich verhindert, dass wirksame Sanktionen gegen das Assad-Regime verhängt werden können. Damit trifft den Regierungen in Moskau und Peking eine Mitschuld an diesem erneuten Massaker an der syrischen Bevölkerung." Die USA sprachen sich angesichts der Ereignisse erneut für harte Maßnahmen gegen Syrien aus.

Unmittelbar vor dem sei der Ort von Soldaten und Sicherheitskräften umstellt und beschossen worden, berichteten Oppositionelle. "In Angst und Panik geratene Einwohner versammelten sich auf den Straßen. Sie konnten nicht fliehen, wegen der Blockade von allen Seiten", hieß es. Danach seien schwere Kämpfe zwischen der Freien Syrischen Armee und den Assad-Truppen ausgebrochen. Viele Bewohner seien geradezu hingerichtet worden.

"Massaker soll Widerstand brechen"

Für Al-Mousslie steckt in dem Massaker auch eine Botschaft an das syrische Volk. "Assad sagt damit: 'Schaut her, wir können das, und niemand auf der Welt kann etwas dagegen ausrichten'. Das soll dem Widerstand das Rückgrat brechen."

Rauch über Juret al-Shayah in Homs.

Rauch über Juret al-Shayah in Homs.

(Foto: dpa)

Tatsächlich zeichnet sich ungeachtet der Berichte aus Tremseh bei den diplomatischen Bemühungen im UN-Sicherheitsrat keine Annäherung ab. Russland blockierte einen britischen Resolutionsentwurf, in dem die syrische Regierung aufgefordert wird, binnen zehn Tagen den Gebrauch schwerer Waffen einzustellen und seine Truppen aus den Städten abzuziehen. Andernfalls wird mit Sanktionen gedroht. China kündigte an, den Entwurf sorgfältig zu prüfen. US-Botschafterin Susan Rice erklärte, die Berichte aus Tremseh machten einmal mehr auf dramatische Weise deutlich, dass bindende Maßnahmen des Sicherheitsrats unerlässlich seien.

"Militärisches Eingreifen ist möglich"

Oppositionssprecher Al-Mousslie sagte im Gespräch mit n-tv.de, dass jetzt alle "dringenden Maßnahmen ergriffen werden müssen, die unter Artikel 7 der UN-Charta möglich sind". Der Artikel erlaube wirksame Sanktionen, um das Blutvergießen zu beenden und das Leben des syrischen Volkes zu schützen. Dazu gehöre notfalls auch ein militärisches Eingreifen, wie es die internationale Gemeinschaft bereits in Nordirak und Bosnien praktiziert habe.

Das staatliche syrische Fernsehen berichtete, drei Sicherheitskräfte seien bei Kämpfen in Tremseh ums Leben gekommen. Das Massaker sei von Terrorgruppen angerichtet worden. Für Al-Mousslie entspricht diese Berichterstattung dem gängigen Schema der Regimes: "Das Massaker unmittelbar vor einer UN-Sitzung soll Russland bei seiner Argumentation dienlich sein, dass das Regime gar nicht so dumm sein könne, ein Blutbad anzurichten, wenn sich unmittelbar danach die Diplomaten dieser Welt treffen, um die Lage in Syrien zu analysieren." Damit werde versucht, die Opposition für das Blutvergießen verantwortlich zu machen. Russland und China seien dieser Argumentation bislang immer gefolgt.

Für das Massaker sollen sich die syrischen Truppen das sunnitische Dorf Tremseh ausgesucht haben, um die religiösen Konflikte in Syrien zu schüren. Das Dorf stellt eine sunnitische Enklave inmitten einer überwiegend von Alleviten bewohnten Region dar. Auch die syrische Führung stammt überwiegend aus der Minderheit der Alawiten. Der Aufstand gegen Assad wird überwiegend von sunnitischen Muslimen getragen.

Diplomatie tritt auf der Stelle

Der Syrien-Sondergesandte der Vereinten Nationen und der Arabischen Liga, Kofi Annan, erklärte, die UN-Beobachter seien bereit, die Vorfälle zu untersuchen. Voraussetzung sei jedoch, dass die Umstände dies erlaubten und dass die Beobachter volle Bewegungsfreiheit erhielten.

Am Montag wird Annan in Moskau erwartet. Der Sondergesandte hat vom UN-Sicherheitsrat "klare Konsequenzen" gefordert, wenn die Konfliktparteien sich nicht an seinen Friedensplan hielten. Der russische Vize-Außenminister Gennadi Gatilow drängte Annan dazu, aktiver mit der syrischen Opposition zusammenzuarbeiten. Die russische Regierung hatte in jüngerer Vergangenheit wiederholt mit Oppositionellen beraten, ohne jedoch zu einer gemeinsamen Haltung zu kommen. Die Opposition ist erst zu Gesprächen mit der Assad-Führung bereit, wenn der Präsident bereit ist, die Macht abzugeben.

Unklarheit über chemische Waffen

Nach einem Bericht des "Wall Street Journal" soll die syrische Regierung damit begonnen haben, chemische Kampfstoffe aus den Depots zu holen. Über den Sinn dieser Maßnahme herrsche in der US-Regierung Uneinigkeit. Einige befürchteten, Assad könne die Waffen gegen Aufständische und Zivilisten einsetzen. Andere wiederum gingen davon aus, dass die Kampfstoffe, darunter das Nervengas Sarin, Senfgas und Zyanid, vor den Rebellen in Sicherheit gebracht werden sollten.

Quelle: ntv.de, ppo/AFP

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