Politik

Notstand per Dekret beendet Assad umgeht das Parlament

Assad geht auf Forderungen der Demonstranten ein - diese halten die Dekrete aber für unnütz.

Assad geht auf Forderungen der Demonstranten ein - diese halten die Dekrete aber für unnütz.

(Foto: REUTERS)

Seit 1963 wurde Syrien mit Notstandsgesetzen regiert. Diese setzten viele Bürgerrechte außer Kraft. Der durch Demonstrationen unter Druck geratene Präsident Assad hebt diese nun - unter Umgehung des Parlaments - per Dekret auf. Oppositionelle kritisieren, dass die Staatssicherheit ihre Befugnisse behalte und die Justiz weiter nicht unabhängig sei.

Syriens Präsident Baschar al-Assad hat per Dekret den seit fast 50 Jahren geltenden Ausnahmezustand in seinem Land aufgehoben und damit eine der Hauptforderungen der Regierungsgegner erfüllt. Die Opposition nannte die Entscheidung allerdings unnütz, weil die Befugnisse der allmächtigen Staatssicherheit nicht beschnitten würden und es keine unabhängige Justiz gebe. Wie das Staatsfernsehen berichtete, erließ Assad zudem zwei Dekrete zur Abschaffung des Staatssicherheitsgerichts sowie zum Recht der Bevölkerung auf friedliche Demonstrationen.

Wie die Nachrichtenagentur Sana berichtete, müssen die Verordnungen noch im Amtsblatt veröffentlicht werden und erlangen dann ihre Gültigkeit. Das Kabinett hatte die Aufhebung des Ausnahmezustands und die beiden anderen Neuerungen am Dienstag beschlossen. Eigentlich sollte das Parlament Anfang Mai die Änderungen verabschieden. Assad umging mit den Dekreten nun diesen Plan. Die Zeitung "El Watan" hatte bereits berichtet, Assad werde das Parlament vermutlich umgehen.

Das seit 1963 geltende Notstandsgesetz setzt die meisten Bürgerrechte außer Kraft, darunter die Versammlungs- und die Bewegungsfreiheit. Zudem erlaubt das Gesetz die Festnahme "jedes Menschen, der eine Gefahr für die Sicherheit des Landes darstellt". Bereits am Wochenende hatte Assad erklärt, den Ausnahmezustand binnen einer Woche aufheben zu wollen. Dies war eine der wichtigsten Forderungen der Regierungsgegner, die seit Wochen gegen Assad demonstrieren. Bei den Protesten kamen laut Amnesty International landesweit bislang 200 Menschen ums Leben.

Staatssicherheitsgerichte werden abgeschafft

Ein zweites von Assad erlassenes Dekret betrifft die Gerichte für die Staatssicherheit, die 1968 eingerichtet wurden und außerhalb des ordentlichen Justizsystems angesiedelt sind. Sie führen für gewöhnlich Prozesse gegen Menschen, welche die Autorität der Regierung nach Angaben der Justiz untergraben. Vor solchen Gerichten ist es nicht möglich, gegen ein Urteil Berufung einzulegen. Sämtliche dort derzeit angesiedelte Prozesse würden nun anderen Gerichten übertragen, berichtete das Staatsfernsehen. Die Staatssicherheitsgerichte waren immer wieder von Menschenrechtsorganisationen kritisiert worden.

Zum Recht auf friedliche Demonstrationen hieß es im Staatsfernsehen, dies sei ein "von der syrischen Verfassung garantiertes Menschenrecht". Die "Sicherheit der Bürger" müsse gewährt werden, zitierte das Fernsehen aus dem Dekret.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle forderte nun weitere Schritte Richtung Demokratie. Die Abschaffung des Notstandsgesetzes sei "ein erster Schritt in die richtige Richtung", erklärte Westerwelle in Berlin. Weitere Schritte müssten folgen. "Dazu gehören umfassende politische Reformen und die Einhaltung grundlegender Menschen- und Bürgerrechte, insbesondere die Freilassung aller politischen Gefangenen." Die Gewalt in Syrien müsse ein Ende haben.

Ende der Alleinherrschaft gefordert

Die Oppositionellen fürchten aber, dass trotz der Aufhebung des Ausnahmezustandes die Unterdrückung der derzeitigen Proteste fortgesetzt wird. Die Opposition hatte bereits erklärt, dass eine Aufhebung des Ausnahmezustandes nicht weit genug gehe. Sie fordert ein Ende der Alleinherrschaft der Baath-Partei.

In Homs gingen die Menschen auch am Mittwoch auf die Straße.

In Homs gingen die Menschen auch am Mittwoch auf die Straße.

(Foto: dpa)

Der prominente Oppositionelle Haitham al-Maleh kritisierte, der Sicherheitsapparat sei unverändert dem Gesetz entzogen. "Das Problem liegt darin, dass die herrschende Elite und die Sicherheit die Justiz im Griff haben und andere Bestimmungen die Sicherheitskräfte nicht an Recht und Gesetz binden", sagte der 80-jährige Anwalt und frühere Richter.

Der 2005 ins Ausland geflohene frühere Vizepräsident Abdelhalim Chaddam zeigte sich vom Erfolg der Demokratiebewegung überzeugt. Die Demonstrationen würden letztlich zum Sturz Assads führen, sagte Chaddam der ägyptischen Zeitung "Al-Schoruk". Die syrische Armee werde dem Staatschef am Ende die Unterstützung verweigern und damit den von Assad und seiner Familie geschürten religiösen Streit beenden. Assad gehört der Minderheit der Alawiten an, die im mehrheitlich von Sunniten bewohnten Syrien an den Schalthebeln der Macht sitzt.

Aufrufe zu Demonstrationen

Für Freitag riefen Regierungsgegner über Facebook erneut zu Demonstrationen auf. Sie fordern außerdem etwa die Freilassung von politischen Gefangenen und die Erlaubnis für oppositionelle Syrier im Exil, ins Land zurückzukehren.

Mitunter gewaltsam aufgelöste Proteste gab es in den vergangenen Tagen etwa in der syrischen Stadt Homs. Dort waren in der Nacht zum Mittwoch bei der Auflösung einer Sitzblockade nach Angaben von Aktivisten acht Menschen getötet worden. Assad ernannte für Homs laut der Nachrichtenagentur Sana einen neuen Gouverneur. Nachfolger des am 7. April entlassenen Gouverneurs Mohammad Ijad Ghasal wird demnach Imad Mustapha Abdelal.

In Hasaka versammelten sich die Demonstranten Zeugen zufolge vor der Universität und bekundeten ihre Solidarität mit den Teilnehmern an den Protesten in anderen Städten des Landes. Sicherheitskräfte hätten die Universität abgeriegelt, um Studenten daran zu hindern, sich den Protesten anzuschließen.

Quelle: ntv.de, AFP/rts

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