Politik

Präsident mit Imageproblemen Assange ist nützlich für Ecuador

Julian Assange.

Julian Assange.

(Foto: dapd)

Ecuador gewährt Wikileaks-Gründer Assange Asyl. Das entbehrt nicht einer unfreiwilligen Ironie: Denn Präsident Correa hält von Pressefreiheit in seinem Land recht wenig. Mit den Menschenrechten nimmt er es auch nicht so genau – selbst wenn es dabei um Weißrussland geht.

Während Julian Assange in Ecuadors Botschaft in London sitzt und auf seine Ausreise nach Südamerika hofft, sitzt 9200 Kilometer entfernt der Weißrusse Alexander Barankov in einer Zelle in Ecuadors Hauptstadt Quito und fürchtet, in seine Heimat ausgeliefert zu werden.

Er war vor drei Jahren aus der ehemaligen Sowjetrepublik nach Ecuador geflohen und hat zuvor offenbar bei der Finanzpolizei gearbeitet. Die weißrussische Justiz beschuldigt ihn des Betrugs und der Erpressung und verlangt seine Auslieferung, um ihn vor Gericht zu stellen.

Barankov bezeichnet die Vorwürfe als erfunden. Sie seien die Rache dafür, dass er Korruption in den höchsten politischen Kreisen aufgedeckt habe. Während seines Asyls bloggte er über die Machenschaften von Präsident Alexander Lukaschenko, der gemeinhin als "letzter Dikator Europas" bezeichnet wird. Zahlreiche Oppositionelle sitzen im Gefängnis.

Noch vor einem Jahr wies das höchste ecuadorianische Gericht einen Auslieferungsantrag aus Minsk zurück. Begründung: Die vorgelegten Beweise seien unzureichend. Doch im Juni vollzog das Land plötzlich eine Kehrtwende. Nach einem Besuch Lukaschenkos in Ecuador und dem Unterzeichnen mehrerer Abkommen wurde Barankov festgenommen. Das Oberste Gericht prüft derzeit erneut, ob er ausgeliefert wird. Eine Entscheidung soll in Kürze fallen.

Eingeschränkte Meinungsfreiheit

Der Umgang Ecuadors mit Barankov auf der einen und mit Assange auf der anderen Seite zeigt, wie kritisch Präsident Rafael Correa zu bewerten ist. Es ist schon paradox genug, dass ausgerechnet das südamerikanische Land Assange Zuflucht gewährt, um es vor der schwedischen und der amerikanischen Justiz zu schützen. Schließlich erweist sich Ecuador derzeit nicht als Hort von Pressefreiheit und Menschenrechten.

"Ecuadors Gesetze schränken die Meinungsfreiheit ein. Regierungsvertreter, darunter Correa, wenden diese Gesetze gegen ihre Kritiker an", schreibt die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. "Korruption, Ineffizienz und politische Einflussnahme plagen die Justiz Ecuadors schon seit Jahren." Dazu passt, dass Correa Weißrussland offenbar ganz anders beurteilt als Schweden oder gar USA. Das mag für Assange gut sein, für Barankov ist das schlecht.

Wikileaks sorgt für Ärger

Correa gibt sich wie andere Linkspopulisten in Südamerika als Feind der USA. Er sucht nicht nur die Nähe zu Lukaschenko, sondern auch zu Russland, China und dem Iran. Richtig angespannt ist das Verhältnis zu Washington aber erst seit vergangenem Jahr. Im April 2011 wies Ecuador die US-Botschafterin aus – nachdem sich unter den Wikileaks-Papieren kritische Äußerungen der Diplomatin über Correa fanden. Die Botschafterin warf dem Präsidenten vor, absichtlich einen korrupten Beamten zum Polizeichef gemacht zu haben.

Kritik ist etwas, was Correa nicht gerne hört. In der Rangliste der Pressefreiheit stuft die Organisation Reporter ohne Grenzen Ecuador auf Platz 105 von 179 Staaten. Er stellt Journalisten in seinen wöchentlichen Fernsehansprachen an den Pranger und entzieht Fernsehsendern die Lizenz. Missliebiger Zeitungen und Redakteure werden wegen "Verleumdung" zu millionenschweren Geldstrafen verurteilt. Die Antikorruptionsorganisation Transparency International führt Ecuador auf Platz 120. Damit liegt das Land zwar immerhin vor Weißrussland (Platz 143), aber weit hinter Schweden (Platz 4).

Dort will die Justiz den 30-Jährigen wegen des Verdachts der Vergewaltigung und der sexuellen Nötigung vernehmen. Assange weigert sich allerdings, dafür nach Schweden zu reisen. Er sieht die Vorwürfe als Teil eines Komplotts und fürchtet, dass er später an die USA ausgeliefert wird – dort droht ihm wegen der Veröffentlichung der zahlreichen Botschaftsdepeschen ein Prozess.

Deshalb verbündet sich der selbsternannte Kämpfer für Transparenz mit dem Präsidenten eines Landes, in dem viel Korruption und wenig Pressefreiheit herrscht. Seinem Ruf nutzt das nicht, dem von Correa schon.

Quelle: ntv.de

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