Mord an Jo Cox Attentäter soll psychisch krank sein
17.06.2016, 06:33 Uhr
Großbritannien ist nach dem tödlichen Angriff auf die Parlamentsabgeordnete Jo Cox geschockt und rätselt über das Motiv. Jetzt werden erste Einzelheiten über den Tatverdächtigen bekannt: Er soll psychische Probleme haben.
Der Mord an der britischen Parlamentsabgeordneten Jo Cox hat das Vereinigte Königreich und die Welt geschockt. Das Verbrechen fällt mitten in den Endspurt der Brexit-Debatte. Jetzt sind weitere Details zu dem mutmaßlichen Täter bekannt geworden. Der Bruder des 52-jährigen Festgenommenen sprach gegenüber der Zeitung "Daily Telegraph" von einer langen Vorgeschichte psychischer Probleme des Mannes. "Es fällt mir schwer, zu glauben, was passiert ist", sagte Scott Mair der Zeitung. "Mein Bruder ist nicht gewalttätig und er ist nicht besonders politisch." Allerdings sei er in Behandlung gewesen, sagte er.
Cox war am Donnerstag vor einer Bibliothek in Birstall in Nordengland auf offener Straße mit einem Messer und einer Schusswaffe attackiert worden. Augenzeugen sagten, der Täter habe mehrmals auf sie geschossen und anschließend mit einem Messer auf sie eingestochen. Wenig später erlag sie ihren Verletzungen.
Nachbarn: Einzelgänger ohne Job
In britischen Medien wurden auch Nachbarn zitiert, die den mutmaßlichen Täter als Einzelgänger beschrieben, der meistens für sich geblieben sei. Er soll seit Jugendtagen im selben Haus wohnen. Er soll keinen Job haben, hin und wieder aber Gartenarbeiten für Nachbarn erledigt haben. "Ein Mann von wenigen Worten", sagte ein Nachbar der BBC. Die Polizei untersucht mögliche Verbindungen zur rechtsradikalen Szene wie auch mögliche psychische Probleme.
Das Motiv für die Attacke ist noch unklar. Berichten zufolge soll der Mann bei seiner Festnahme "Britain First" gerufen haben. Dies ist aber von der Polizei nicht bestätigt. Sollte es sich bewahrheiten, könnte es in Richtung einer politischen Motivation deuten. "Britain First" ist der Name eine rechtsradikalen Partei in Großbritannien. Es könnte aber auch in Bezug auf Cox' Engagement für Flüchtlinge oder sogar in Richtung Brexit-Debatte gemeint gewesen sein. Dies sind bisher alles Spekulationen, die Untersuchungen der Polizei stehen noch am Anfang.
Das Southern Poverty Law Center, eine renommierte Anti-Rassismus-Organisation in den USA, teilte mit, es lägen Unterlagen vor, die den Tatverdächtigen als jahrzehntelangen Unterstützer der US-Neonazi-Gruppierung National Alliance (NA) auswiesen. Der Verdächtige habe sie engagiert unterstützt und hunderte Dollar für Schriftgut der NA ausgegeben, teilte das Zentrum mit. Die NA vertritt einen Rassismus, der sich gegen alle Nicht-Weißen richtet.
Wofür stand Jo Cox?
Die 41-Jährige galt als besonders engagierte und selbstlose Abgeordnete. Sie hat früher für Hilfsorganisationen gearbeitet. Cox setzte sich für die Aufnahme von Flüchtlingen aus Syrien ein. Sie machte Front gegen den Einsatz von Kindersoldaten und engagierte sich für die Landbevölkerung in Afghanistan. Jo Cox war aber auch eine entschiedene Kritikerin der herkunftsorientierten britischen Klassengesellschaft.
Sowohl das "Remain"-Lager, das den Verbleib Großbritanniens in der EU favorisiert, als auch die Brexit-Befürworter haben ihren Wahlkampf vorerst ausgesetzt. Premierminister David Cameron sagte eine Kundgebung in Gibraltar ab. Für wie lange dies gilt, ist unklar. Zunächst wurden keine Stimmen laut, die eine Absetzung oder Verschiebung des Referendums forderten.
Attentat löst weltweit Bestürzung aus
Bürger und Politiker gedachten der Parlamentarierin am Donnerstagabend mit Mahnwachen und Blumen. "Hass wird niemals Probleme lösen", sagte Labour-Chef Jeremy Corbyn bei einer Gedenkveranstaltung für seine getötete Parteikollegin. Auf dem britischen Parlament wurde die Flagge auf Halbmast gesetzt. Premierminister David Cameron würdigte Cox als "Politikerin mit großer Leidenschaft und großem Herzen".
Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, der Angriff sei "schrecklich, dramatisch, und unsere Gedanken sind bei den Menschen, die betroffen sind". US-Außenminister John Kerry sprach von einem "Angriff gegen alle, denen Demokratie wichtig ist und die an sie glauben". Der französische Premierminister Manuel Valls äußerte sich "tief betrübt". "Unser demokratisches Ideal" sei getroffen, sagte er.
Quelle: ntv.de, hul/dpa/AFP