"Operation Sirene" in Tripolis Aufständische jagen Gaddafi
21.08.2011, 13:15 Uhr
Wo steckt Gaddafi?
(Foto: dpa)
Die Lage in der libyschen Hauptstadt Tripolis ist verworren. Einem Agenturbericht zufolge soll sich der libysche Machthaber Gaddafi auf der Flucht befinden. Nach einem anderen Bericht vermuten Rebellen ihn weiter in Tripolis. Eines aber steht fest: In Tripolis gibt es heftige Kämpfe, die Rebellen kontrollieren immer mehr Gebiete. Italien erwartet, dass bald die "Tragödie zu einem Ende kommt".
Nach dem Aufstand der Regimegegner in Tripolis soll Muammar al-Gaddafi die Hauptstadt in Richtung algerische Grenze verlassen haben. Wie die Nachrichtenagentur dpa aus gut informierten Kreisen in Tripolis erfuhr, sollen sich der Staatschef und seine Familie in einer Region unweit der Grenze aufhalten. Dort würden sie von Angehörigen des Al-Orban-Stammes beschützt. Ihr Plan sei es möglicherweise, über die Grenze nach Algerien zu flüchten.
Die Nachrichtenagentur AFP berichtet dagegen, dass die libyschen Rebellen Gaddafi weiter in Tripolis vermuten. Die von den Aufständischen gestartete Offensive diene dazu, Gaddafi in der Hauptstadt zu isolieren, sagte der Sprecher des Nationalen Übergangsrats, Ahmed Dschibril,. An der am Samstagabend begonnenen "Operation Sirene" seien Rebelleneinheiten innerhalb von Tripolis und im Umland der Hauptstadt beteiligt. Auch die NATO sei eingebunden, sagte Dschibril. "Wir rechnen damit, dass es mehrere Tage dauern dürfte, bis Gaddafi umzingelt ist."
Die Rebellen rechnen laut Dschibril mit zwei Szenarien: Entweder werde Gaddafi sich in den kommenden Tagen ergeben, oder er schaffe es, sich aus Tripolis in eine andere Region oder ins Ausland abzusetzen. Sollte sich Gaddafi entscheiden, Libyen zu verlassen, würden die Rebellen dies "positiv begrüßen und akzeptieren", sagte Dschibril.
Das libysche Fernsehen hatte in der Nacht eine vorab aufgezeichnete Rede von Gaddafis Sohn Seif al-Islam vor einer Gruppe von Anhängern ausgestrahlt. Darin sagte dieser, es sei ausgeschlossen, dass er und sein Vater das Land verlassen würden.
Heftige Kämpfe in Tripolis
In der Nacht hatte es in Tripolis Kämpfe zwischen Gaddafis Truppen und Aufständischen gegeben. Nach Angaben von Augenzeugen werden die Viertel Tadschura und Souk al-Dschumaa inzwischen von den Rebellen kontrolliert. Anwohner hörten bis zum Morgengrauen Schüsse und Luftangriffe der NATO. Am Vormittag herrschte im Stadtzentrum, das noch von Gaddafis Anhängern kontrolliert wird, wieder Ruhe.
Der arabische Fernsehsender Al Arabija berichtete, die Aufständischen hätten Dutzende von Soldaten Gaddafis gefangen genommen. Ein Mitglied des nationalen Übergangsrats der Aufständischen sagte dem Nachrichtensender Al-Dschasira: "Die Rebellen in Tripolis haben sich erhoben." In der Rebellenhochburg Bengasi im Osten Libyens wurden die Nachrichten aus der Hauptstadt gefeiert.
Allein bei den Gefechten im Stadtviertel Tadschura sind nach Angaben eines Rebellenführers laut Al-Dschasira mindestens 123 Aufständische ums Leben gekommen. In anderen Teilen von Tripolis soll es auch Tote gegeben haben. Neben Tadschura kontrollierten die Regimegegner nach eigenen Angaben auch das Viertel Souk al-Dschumaa.
Wie ein Rebellensender berichtete, hatten die Kämpfer auch die Kontrolle über ein Waffendepot und den Internationalen Flughafen von Tripolis übernommen. Der Vorsitzende des Übergangsrates, Mustafa Abdul Dschalil, sagte Al-Dschasira, dass alle Aktionen vorbereitet und koordiniert seien.
London sieht entscheidenden Punkt
Nach Einschätzung von Großbritannien und Italien steht der Konflikt in Libyen an einem entscheidenden Wendepunkt. "Wir befinden uns an einem außerordentlich entscheidenden Punkt im Streben nach Freiheit für das libysche Volk", sagte der britische Außenstaatssekretär Alistair Burt dem Fernsehsender Sky News. Zwar sei es schwierig, aus der Distanz festzustellen, was sich vor Ort wirklich abspiele, es sei jedoch klar, dass es in Tripolis einen Aufstand gebe. Die westliche Koalition und die Rebellen arbeiteten eng zusammen. Italiens Außenminister Franco Frattini sagte der Zeitung "Il Mattino", alles deute darauf hin, dass "die Tragödie zu einem Ende kommt".
Nach einem Bericht des "Spiegel" operieren in Libyen GSG 9-Spezialkräfte. Die deutschen Elitepolizisten hätten die Sicherheitsberatung eines deutschen Verbindungsbüros in der Rebellenhochburg Bengasi übernommen.
Große Geländegewinne der Rebellen

Wie lange hält Gaddafi noch durch?
(Foto: dpa)
Der Übergangsrat der Rebellen hatte in den vergangenen Monaten mehrfach erklärt, für die Eroberung von Tripolis setzte man auf den "Kollaps des Regimes" und die Unterstützung durch "geheime Zellen" von Sympathisanten in Tripolis. In den vergangenen Tagen hatten die Rebellen auf ihrem Vormarsch nach Tripolis große Geländegewinne erzielt. Im Osten stehen ihre Truppen rund 40 Kilometer von der Hauptstadt entfernt.
Auch wirtschaftlich zeigen die internationalen Sanktionen gegen Libyen und das Vordringen der Rebellen auf die Hauptstadt Wirkung. Den Banken in Tripolis geht das Geld aus. Staatsangestellte bekommen derzeit keine Gehälter mehr ausgezahlt. "Seit Donnerstag haben wir kein Geld mehr und wir wissen auch nicht, wann sich das ändern wird", sagte ein Bankangestellter in Tripolis. Treibstoff und andere Güter sind schon länger knapp.
Quelle: ntv.de, ghö/dpa/AFP