Schweizer Fährte wurde kalt BKA verfolgte Waffenspur nicht
27.09.2012, 06:59 Uhr
BKA-Fotos der bei den Morden eingesetzten Ceskas.
(Foto: dapd)
Bei den Untersuchungen des Bundeskriminalamts zur Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds hat es eine weitere Panne gegeben. Die BKA-Ermittler verfolgen den Verbleib von tschechischen Ceska-Waffen. Doch sie stellen die falschen Fragen und geben sich schnell zufrieden.
Der NSU-Untersuchungsausschuss im Bundestag geht heute der Waffenspur bei der Neonazi-Mordserie nach. Befragt werden dazu unter anderem zwei Ermittler des Bundeskriminalamts. Als Zeuge wird auch ein Vertreter des Bundesnachrichtendienstes erwartet.
Bei neun von zehn Morden, die der rechtsextremen Terrorzelle zur Last gelegt werden, hatten die Täter die gleiche Waffe benutzt - eine Ceska 83. Dabei handelt es sich um ein Spezialmodell aus Tschechien. Die Ermittler verfolgten damals den Verbleib fast all dieser Pistolen nach, entdeckten die Tatwaffe aber trotzdem erst nach dem Auffliegen des Terrortrios im November 2011. Eine Spur habe in die Schweiz geführt, sei aber nach einer von Schweizer Kollegen negativ beantworteten Anfrage aufgegeben worden.
Die "Bild"-Zeitung berichtet aus einem Fax des BKA aus den Akten des NSU-Untersuchungsausschusses, dass die BKA-Ermittler nach dem fünften Mord Ende Februar 2004 an einem türkischen Imbissbuden-Betreiber zwar die richtige Spur verfolgten, aber nach den falschen Tätern suchten.
Auf die Schweizer Spur seien die Ermittler dem Bericht zufolge durch die Munition des "US-Herstellers PMC" und die "identische Waffe (Ceska 7,65 mm)" gestoßen, wie es in dem Fax heiße. Diese hätten sie bis zum Schweizer Waffenhändler "Schläfli & Zbinden" in Bern verfolgen können, von dem die tschechische Pistole ursprünglich stamme, schreibt die Zeitung.
Das BKA, das hinter der Mordserie "Auftragsmorde" und "Rauschgiftgeschäfte" im türkischen Drogen-Milieu, vermutete, habe bei den Schweizer Kollegen angefragt, ob "türkische Staatsangehörige" vor den Morden als "Munitionserwerber" infrage gekommen seien, heißt es in dem Bericht weiter. Die Spur sei jedoch nicht weiter verfolgt worden, als die Schweizer Kollegen das verneint hätten. Damit hätten die Ermittler einen wichtigen Anknüpfungspunkt für die Ermittlung des Zwickauer Neonazi-Trios aus den Augen verloren.
NSU-Helfer als V-Mann?
Am Rande der Sitzung dürften auch die jüngsten Hinweise eine Rolle spielen, einer der NSU-Helfer sei V-Mann in der NPD gewesen. Ein Bundesanwalt, der vor Jahren im Bundesinnenministerium das erste NPD-Verbotsverfahren mit vorbereitete, will auf der Liste der V-Leute in der rechtsextremen NPD einen Namen gelesen haben von jemandem, der heute als mutmaßlicher Helfer der rechtsextremen Terrorgruppe NSU gilt.
Am Mittwoch kochten Spekulationen hoch, bei dem angeblichen V-Mann könnte es sich um handeln. Er soll dem Terrortrio - Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe - eine Waffe und Munition besorgt und den Dreien bei der Flucht in den Untergrund geholfen haben. Wohlleben wurde am 29. November in Jena festgenommen und sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Alle anderen Beschuldigten aus dem NSU-Umfeld sind wieder frei.
Wohllebens Anwältin Nicole Schneiders, aber auch das Innenministerium in Thüringen - Wohllebens Heimat - wiesen die Spekulationen schnell zurück. Aus hochrangigen Sicherheitskreisen verlautete ebenfalls, an der Personalie Wohlleben sei nichts dran. Der Nachweis steht noch aus. Der Untersuchungsausschuss hat dazu Aufklärung von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) gefordert.
Neuigkeiten von Thomas S.
Unterdessen berichtet das "Neue Deutschland", dass der tiefer in die rechtsextreme Szene verstrickt war, als bisher bekannt. Neben seiner zentralen Funktion in dem rechtsextremen "Blood & Honour"-Netzwerk in Sachsen hatte S. demnach 1991 Kontakte zur rechtsextremen Nationalistischen Front (NF). Die Nationalistische Front war 1992 von Bundesinnenminister Rudolf Seiters (CDU) verboten worden.
In Berlin untersucht eine Sonderkommission der Polizei die Aktivitäten des V-Mannes, der 2002 möglicherweise einen Hinweis auf die ihm persönlich bekannte Terrorzelle NSU geliefert hatte.
Quelle: ntv.de, AFP/dpa