Politik

"Parlamentarische Rechte geopfert" BND-Affäre holt Koalition ein

Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele hat nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum BND-Untersuchungsausschuss die Regierung aufgefordert, sofort die zurückgehaltenen Akten herauszugeben. Dann solle der Ausschuss entscheiden, ob er die bereits abgeschlossene Beweisaufnahme fortsetzen müsse, sagte Ströbele. Der Grünen-Politiker erinnerte daran, dass die Ausschussarbeit unter dem Vorbehalt des Verfassungsgerichtsurteils abgeschlossen worden war.

Die Karlsruher Richter haben dem Parlament mit seinen Kontrollausschüssen den Rücken gestärkt.

Die Karlsruher Richter haben dem Parlament mit seinen Kontrollausschüssen den Rücken gestärkt.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Das Bundesverfassungsgericht hatte in einem Urteil die Kontrollrechte des Bundestags gegenüber der Regierung deutlich gestärkt. Es erklärte die Behinderung des BND- Untersuchungsausschusses in einem heute veröffentlichten Beschluss für grundgesetzwidrig. Das Einschränken von Aussagegenehmigungen für Zeugen im Ausschuss sowie die teilweise Sperre von angeforderten Akten verletzten das Informations- und Untersuchungsrecht des Bundestags. Das Bundesverfassungsgericht gab damit einer Organklage von FDP, Grünen und Linksfraktion weitgehend statt.

Nach den Worten des Zweiten Senats hat das parlamentarische Kontrollrecht besonders großes Gewicht, wenn es um die Aufklärung behaupteter Rechtsverstöße oder vergleichbarer Missstände im Verantwortungsbereich der Regierung geht. Aussagebeschränkungen und die Sperre von Akten könnten nicht durch pauschale Hinweise auf den "Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung" oder das "Staatswohl" gerechtfertigt werden. Die Regierung hätte dem Ausschuss "nachvollziehbar" darlegen müssen, warum bestimmte Beweismittel dem Ausschuss vorenthalten werden sollten.

Bundestag muss über Folgen entscheiden

Das Gericht beanstandete damit unter anderem die Aussagen von Außenminister Frank-Walter Steinmeier, Ex-Bundesinnenministers Otto Schily sowie Ernst Uhrlau, Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND). Deren Weigerung, auf bestimmte Fragen des Ausschusses zu antworten, sei nicht hinreichend begründet worden. Ob die Entscheidung Auswirkungen auf die inzwischen abgeschlossene Arbeit des Ausschusses hat, muss der Bundestag entscheiden.

Bundesaußenminister Steinmeier zu Beginn seiner Anhörung als Zeuge vor dem BND-Untersuchungsausschuss im Dezember 2008.

Bundesaußenminister Steinmeier zu Beginn seiner Anhörung als Zeuge vor dem BND-Untersuchungsausschuss im Dezember 2008.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Die Kläger hatten sich gegen Behinderungen des im April 2006 eingesetzten Ausschusses gewandt, und zwar bei der Aufklärung der Verschleppung des Deutsch-Libanesen Khaled el Masri sowie der Entführung und bis 2006 dauernden Inhaftierung des in Bremen geborenen Türken Murat Kurnaz in Guantánamo. Außerdem ging es um die Entführung und Inhaftierung des deutsch-syrischen Islamisten Haydar Zammar in Damaskus.

Ströbele sieht in Urteil "Niederlage für die Bundesregierung"

Ströbele will eine erneute Sitzung des Untersuchungsausschusses beantragen, um das weitere Vorgehen zu beschließen. Er forderte die Bundesregierung auf, die bisher vorenthaltenen Akten nicht zu vernichten. Er sei "hoch erfreut", dass die Verweigerung vieler Akten "durch die Bundesregierung, gedeckt durch die Zweidrittelmehrheit der Großen Koalition", jetzt als verfassungswidrig eingestuft worden sei. Dies sei eine schwere Niederlage für die Bundesregierung und die sie tragende große Koalition.

Ströbele vor dem Sitzungssaal des BND-Untersuchungsausschusses.

Ströbele vor dem Sitzungssaal des BND-Untersuchungsausschusses.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Ganz offensichtlich seien "wichtige Parlamentsrechte auf dem Altar des Koalitionsfriedens geopfert" worden. Das Bundesverfassungsgericht habe die Rechte künftiger Untersuchungsausschüsse gestärkt. Mit dem Urteil sei "Parlaments- und Verfassungsrechtsgeschichte geschrieben worden". Verwundert zeigte sich Ströbele allerdings, dass das Urteil offensichtlich bereits Mitte Juni ergangen und jetzt erst, nach Abschluss der Untersuchungsarbeit, veröffentlicht worden sei. Eine frühere Veröffentlichung wäre für die Arbeit des Untersuchungsausschusses vom hohen Wert gewesen. "Ich bedaure das sehr", sagte Ströbele.

FDP verlangt Sondersitzung

Die FDP will eine Sondersitzung des Gremiums beantragen. Das teilte Max Stadler, Obmann der FDP im Ausschuss, mit. Dabei sollten das weitere Vorgehen beraten und zusätzliche Beweisaufnahmen beschlossen werden. Nach Auffassung der FDP könne der Ausschuss nun eine Herausgabe von Akten verlangen, die bisher nicht vollständig vorgelegt worden seien, so Stadler. Die Bewertungen aus dem bisherigen Schlussbericht des Ausschusses könnten sich dadurch noch entscheidend verändern, etwa hinsichtlich der Kenntnisse der Bundesregierung über geheime CIA-Flüge über Deutschland.

Siegfried Kauder (CDU), Vorsitzender des Ausschusses, sieht dagegen keine Notwendigkeit für weiter Beweisaufnahmen. Das Bundesverfassungsgericht habe lediglich festgestellt, dass die Beschränkung von Aussagegenehmigungen und teilweise Sperre von Akten lediglich detaillierter und konkreter hätte begründet werden müssen. "Und dann wäre das im Endeffekt das gleiche Ergebnis, wie wir es jetzt schon haben", sagte er dem Sender MDR Info.

Quelle: ntv.de, dpa

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