Wahl des Bundespräsidenten Bas ruft zu Mäßigung im Meinungsstreit auf
13.02.2022, 11:59 Uhr
Der Wahlsieger steht bereits fest - nur das genaue Ergebnis ist noch unklar. In Berlin wählt die Bundesversammlung das deutsche Staatsoberhaupt. Es läuft auf die Wiederwahl von Amtsinhaber Steinmeier hinaus. Die Gegenkandidaten sind ohne Chance.
In Berlin ist die Bundesversammlung zusammengekommen, um den nächsten Bundespräsidenten zu wählen. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, die die Sitzung eröffnete, rief Bürger und Politiker auf, auch unter den erschwerten Bedingungen der Corona-Pandemie mutig zu sein und nicht die Nerven zu verlieren. In ihrer Begrüßungsrede sagte sie: "Scheinbar unversöhnlich stehen Menschen sich gegenüber, die unterschiedliche Einstellungen haben. Die Stimmung im Land, in Familien, in Freundeskreisen leidet darunter. Dagegen hilft kein Impfstoff."
Bas warb für einen zivilisierten Ton in der politischen Debatte. Jeder dürfe seinen Unmut äußern, etwa gegen die Corona-Politik oder gegen als unzureichend empfundene Klima-Maßnahmen - dies müsse aber immer mit Respekt für andere Meinungen erfolgen. "Wer sich an das Recht hält, darf demonstrieren - aber wer sich selbst ein eigenes Recht schafft, das Recht auf die alleinige Wahrheit, der setzt sich ins Unrecht", sagte die Bundestagspräsidentin. "Halten wir zusammen! Suchen wir das Verbindende! Setzen wir da an, wo wir etwas bewegen können - jede und jeder von uns, zusammen mit dem Staatsoberhaupt, das zu wählen jetzt die Aufgabe aller Anwesenden ist."
Mit dem Ukraine-Konflikt, ungesteuerten Migrationsbewegungen, dem Klimawandel und den jüngsten Preissteigerungen kämen weitere Herausforderungen hinzu. Deshalb seien Mut, Zuversicht und ein respektvoller Ton im Umgang mit Andersdenkenden jetzt so wichtig. "Lassen wir uns nicht einreden, dass wir anstehende Probleme nicht lösen können", sagte Bas. Die Abgeordneten unter den Anwesenden rief Bas auf, den Bürgerinnen und Bürgern noch mehr zuzuhören. Denn das könne die Debatte in der parlamentarischen Demokratie nur bereichern.
Drei Kandidaten gegen Steinmeier
Amtsinhaber Frank-Walter Steinmeier kann bei der Wahl mit einer zweiten fünfjährigen Amtszeit rechnen - er genießt die Unterstützung von SPD, Unionsparteien, Grünen und FDP. Bereits im ersten Wahlgang dürfte Steinmeier die erforderliche absolute Mehrheit bekommen. Der 66-Jährige ist erst der fünfte Bundespräsident, der für eine zweite Amtszeit antritt.
Gegen den Amtsinhaber kandidieren für die Linke der Mediziner Gerhard Trabert (65) und für die AfD der Ökonom Max Otte (57), der Mitglied der CDU war. Seine Mitgliedschaft wurde wegen seiner Kandidatur für die AfD ausgesetzt. Außerdem haben die Freien Wähler die Physikerin Stefanie Gebauer (41) nominiert. Alle drei haben angesichts der Mehrheitsverhältnisse keine Chancen.
Für die Wahl im ersten Durchgang ist die absolute Mehrheit erforderlich. Die Unterstützer von Steinmeier kommen in der Bundesversammlung auf mehr als 1220 Stimmen. Die Unionsparteien CDU/CSU stellen 445 Wahlleute, die SPD 391, die Grünen 233 und die FDP 154. Die AfD entsendet 151 Mitglieder und die Linke 71. Die Freien Wähler stellen 18 Wahlleute, der Südschleswigsche Wählerverband ist mit zwei Mitgliedern vertreten. Hinzu kommen fraktionslose Vertreter.
FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner würdigte die Arbeit von Steinmeier in dessen erster Amtszeit. "Herr Steinmeier ist eine berechenbare Größe und eine Stimme für das Beste, was unsere Demokratie ausmacht", sagte er vor Beginn der Bundesversammlung. Steinmeier sei ein moderner Sozialdemokrat gewesen, habe sich im höchsten Staatsamt aber zu einer überparteilichen Persönlichkeit entwickelt. Er stehe für die freiheitlich-demokratische Grundordnung, für die europäische Orientierung Deutschlands und für die langen Linien der transatlantischen Partnerschaft.
Sitzung nicht im Bundestag
Bundessozialminister Hubertus Heil von der SPD wies im Sender Phoenix auf den "großen Rückhalt in der Bevölkerung" hin, den Steinmeier genieße. Der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour bescheinigte dem Amtsinhaber, er habe "eine gute Arbeit gemacht" und "auch in der Pandemie immer die richtigen Töne getroffen". Die Grünen würden ihn "mit großer Überzeugung und Freude" wählen. Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen hob hervor: "Die Kombination aus Würde und tiefer Menschlichkeit macht ihn zu einem sehr guten Bundespräsidenten." CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte, gerade jetzt "braucht es Stabilität, braucht es Verlässlichkeit".
Der 17. Bundesversammlung gehören 1472 Mitglieder an. Sie ist die größte parlamentarische Versammlung in der Bundesrepublik. Ihre einzige Aufgabe ist die Wahl des Staatsoberhaupts. Der Versammlung gehören die 736 Abgeordneten des Bundestags sowie die gleiche Anzahl von Vertretern der Länderparlamente an. Aus Pandemieschutzgründen tagt die Bundesversammlung nicht im Plenarsaal des Bundestags, sondern über fünf Stockwerke verteilt im Paul-Löbe-Haus, einem Büro- und Sitzungsgebäude des Parlaments.
Quelle: ntv.de, mli/dpa/AFP