Politik

Brüderle lehnt Rücktritt ab Baum ruft FDP zum Putsch auf

Westerwelle will nicht gehen: Der FDP-Chef hatte schon am Wahltag betont, dass er nicht zurücktreten werde.

Westerwelle will nicht gehen: Der FDP-Chef hatte schon am Wahltag betont, dass er nicht zurücktreten werde.

(Foto: REUTERS)

Die FDP streitet weiter heftig um Konsequenzen aus dem Wahldesaster. Vor allem die Altvorderen der Partei üben harsche Kritik, auch an Parteichef Westerwelle. Ex-Innenminister Baum ruft offen zum Machtkampf auf. Wirtschaftsminister Brüderle lehnt einen Rücktritt ab. Doch der Druck steigt. Auch die Union kritisiert den Minister und die FDP insgesamt.

Nach dem Debakel bei den Landtagswahlen ruft der frühere FDP-Innenminister Gerhart Baum die jüngeren FDP-Politiker zur Revolte auf. Von Philipp Rösler, Generalsekretär Christian Lindner und dem NRW-Vorsitzenden Daniel Bahr fordert Baum eine Machtprobe in der Partei. "Die jungen Leute, die bisher nur geredet haben, sollen jetzt mal handeln! Wenn man hört, es gibt dann Machtkämpfe und Auseinandersetzungen - so what? Dann sollen sie eben stattfinden!", sagte Baum der ARD am Montagabend. "Ich bemängle, dass sie bisher nicht mutig genug sind zu handeln. Sie sollen deutlich machen, dass die FDP wieder zu liberalen Themen und zu einer Themenbreite zurück findet".

Ex-Innenminister Baum ist unzufrieden mit den Nachwuchshoffnungen seiner Partei.

Ex-Innenminister Baum ist unzufrieden mit den Nachwuchshoffnungen seiner Partei.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Das schlechte Bild der Liberalen sei "im wesentlichen durch eigenes Verhalten" entstanden. "Die FDP spricht die Menschen nicht mit Emotionen an. Man hat den Eindruck, es geht ihr nur um materielle Vorteile für bestimmte Schichten", sagte Baum - und kritisiert dabei FDP-Chef Guido Westerwelle: "Er hätte verstehen müssen, dass die FDP einen Riesen-Vertrauensverlust hat hinnehmen müssen nach der Bundestagswahl. Da hätte er schon sagen müssen: Wir haben verstanden, wir stellen uns anders auf, ich bringe Jüngere in die Verantwortung. Es ist weitergemacht wurden."

Auch Westerwelle wackelt

Auch Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger kritisierte indirekt Westerwelle. Die FDP-Politikerin forderte eine ergebnisoffene Diskussion über die Ausrichtung und künftige Führung der Partei - einschließlich des Parteivorsitzes. "Die FDP hat ein Glaubwürdigkeitsproblem, seit die neue Bundesregierung ihre Arbeit aufgenommen hat", sagte die Bundesjustizministerin der "Augsburger Allgemeinen". Dabei gehe es keineswegs nur um personelle Konsequenzen.

Hoffnungsträger Nummer eins: Generalsekretär Lindner.

Hoffnungsträger Nummer eins: Generalsekretär Lindner.

(Foto: dpa)

Die FDP hatte bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz am Sonntag einen Absturz erlebt: Im Stuttgarter Landtag sitzen nur noch die Hälfte der Abgeordneten, in Mainz ist die FDP gar nicht mehr im Parlament vertreten. Als Konsequenz hatte Wirtschaftminister Rainer Brüderle am Montag bereits seinen Rücktritt als FDP-Landesvorsitzender von Rheinland-Pfalz verkündet. Das reicht einigen Liberalen aber nicht aus. Führende Parteimitglieder hatten eine personelle Neuaufstellung in der FDP verlangt.

Nach Ansicht von Experten ist die FDP zurecht bei den Wahlen abgestraft worden. "Die FDP hat erlebt, dass ihr Slogan 'Leistung muss sich lohnen' ernst genommen wird. Sie haben nichts geleistet, und deshalb haben sie auch keinen Lohn eingefahren", sagte Parteienforscher Geor Neugebauer im Interview mit n-tv.de. Die FDP stehe nur noch für Enttäuschung und könne keine Wähler mehr mobilisieren. Zu Brüderle sagte der Politikwissenschaftler, dass der Wirtschaftsminister offenbar zeigen wollte, dass die FDP für eine atomfreundliche Politik stehe. "Früher hat ein Minister, wenn er solche Ergebnisse für seinen Landesverband eingefahren hat, die Konsequenzen getragen und ist zurückgetreten", so Neugebauer.

Brüderle will Minister bleiben

Brüderle will allerdings Bundeswirtschaftsminister bleiben. Es sei das Erfolgsgeheimnis einer guten Politik, dass man auf der Kommandobrücke die Übersicht behalte "und nicht mit dem Sturm wankt", sagte Brüderle. Auf die Frage, ob er Wirtschaftsminister bleiben wolle, betonte er: "Natürlich, macht doch Spaß."

Bürderle verlässt zwar den Landesvorsitz in Mainz. Minister will er aber bleiben.

Bürderle verlässt zwar den Landesvorsitz in Mainz. Minister will er aber bleiben.

(Foto: dapd)

Juli-Chef Lasse Becker reicht der Rücktritt als Landeschef aber nicht. "Ich glaube, das entschärft die Krise der Bundes-FDP nicht, weil wir schauen müssen, was wir jetzt an Fehlern wirklich insgesamt endlich abgestellt bekommen", sagte Becker im SWR. Die angekündigte Fehleranalyse dürfe "nichts und niemanden davon ausschließen". Becker schloss nicht aus, dass am Ende der Personaldebatte in der FDP auch ein Rückzug von Guido Westerwelle vom Parteivorsitz stehen wird. Zur Frage nach einer Trennung von Partei- und Regierungsamt bei dem Außenminister sagte Becker: "Am Ende einer solchen Fehleranalyse ist auch so etwas nicht ausgeschlossen."

Auch Westerwelle wackelt

Leutheusser-Schnarrenberger ließ offen, ob Guido Westerwelle FDP-Chef bleiben könne. Die Partei müsse sich jetzt "sehr grundsätzliche Gedanken" über ihre "inhaltliche und personelle Ausrichtung" machen. "Wir reden deshalb nicht hektisch über die Person des Parteivorsitzenden, des Wirtschaftsministers oder der Fraktionsvorsitzenden, sondern besprechen in Ruhe, wie wir uns für den Parteitag in Rostock aufstellen, wer kandidiert und wer nicht", sagte die bayerische Landesvorsitzende. "So etwas kann man nicht handstreichartig am Tag nach einer Wahl entscheiden."

Der frühere FDP-Partei- und Fraktionschef Wolfgang Gerhardt forderte ebenfalls eine inhaltliche und personelle Runderneuerung seiner Partei. "Wir kommen um eine gründliche Inventur nicht herum", sagte er dem Deutschlandfunk. Die Verantwortung für die jüngsten Wahlniederlagen trage nicht nur einer, wie etwa Westerwelle. "Wir haben ein ganzes Präsidium, wir haben einen ganzen Fraktionsvorstand", sagte er. Alle müssten begreifen, um was es gehe. "Wir müssen jetzt in Personal und in Sache genau unseren Standort bestimmen", forderte er. Personelle Veränderungen seien nicht angenehm, "aber sie sind glaube ich unumgänglich."

Union keilt gegen FDP

Deutliche Kritik am Zustand der FDP kommt inzwischen auch aus der Union. Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister riet den Liberalen, die Ergebnisse vom Sonntag sehr gründlich aufzuarbeiten. Nach seiner Überzeugung trägt Wirtschaftsminister Brüderle eine Mitschuld an den Wahlniederlagen von Schwarz-Gelb in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Dessen Aussage, das Atom-Moratorium der Bundesregierung sei auch dem Wahlkampf geschuldet, sei "nicht hilfreich" gewesen, sagte der CDU-Politiker dem "Hamburger Abendblatt".

Der Thüringer CDU-Fraktionschef Mike Mohring sagte ebenfalls, der Wirtschaftsminister sei für die Wahlschlappe mitverantwortlich. "Herr Brüderle hat in Sachen Kernenergie den Eindruck entstehen lassen, man wolle nicht tun, was man ankündigt. Für die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung ein GAU. Der Mann gehört abgeschaltet", sagte Mohring der "Bild"-Zeitung. "Die FDP hat sich nahezu halbiert und damit dem bürgerlichen Lager die Kraft genommen."

Quelle: ntv.de, tis/dpa/AFP/rts

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