Landesvorsitze werden frei Mappus und Brüderle werfen hin
28.03.2011, 21:05 Uhr
Stefan Mappus zieht Konsequenzen.
(Foto: dpa)
Der baden-württembergische CDU-Landeschef Mappus gibt den Parteivorsitz ab. Der nächste Parteitag wird deswegen vorgezogen. Auch der rheinland-pfälzische FDP-Chef Brüderle gibt das Amt auf. Nach dem Wahldebakel versucht die CDU unterdessen, eine Diskussion um Kanzlerin Merkel im Keim zu ersticken.
Union und FDP suchen nach dem Wahlfiasko vom Sonntag nach einem Ausweg aus der Krise. Bei der CDU will Wahlverlierer Stefan Mappus den Landesvorsitz in Baden-Württemberg niederlegen und nicht mehr für den Fraktionsvorsitz kandidieren. Der für Herbst geplante Landesparteitag mit Neuwahlen soll auf Mai vorverlegt werden, teilte Mappus schriftlich mit. Sein Landtagsmandat will er behalten. In der FDP wird offen über personelle Konsequenzen gesprochen - im Zentrum steht der wegen seiner Atom-Äußerungen kritisierte Wirtschaftsminister Rainer Brüderle. Brüderle gab bekannt, dass er den Landesvorsitz der FDP Rheinland-Pfalz aufgeben werde. Er wolle bei einem außerordentlichen Parteitag im Mai nicht mehr für das Amt kandidieren. Sein Ministeramt wolle er aber weiter ausüben. Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel will Personalwechsel auf Bundesebene vermeiden, muss sich aber Kritik an ihrem Führungsstil gefallen lassen. "Die Kanzlerin hat keine solchen Pläne", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert zur Frage nach einer Kabinettsumbildung. "Im Übrigen sind das natürlich Entscheidungen, die in Parteikreisen zu fallen haben, wenn sie denn überhaupt fallen sollen."
Die CDU-Spitze stärkte Merkel demonstrativ den Rücken. Im CDU-Präsidium gab es aber auch Stimmen, die von einer bundespolitischen Niederlage sprachen und Merkel für die Verluste verantwortliche machen. Die Union könne nicht einfach weitermachen wie bisher, erklärten CDU-Minister und -Präsidiumsmitglieder. Über Schwarz-Grün - für Merkel im vorigen Jahr noch ein Hirngespinst - wird ebenfalls neu debattiert.
"Geschlossen zu Merkel"
Umweltminister Norbert Röttgen sagte: "Wenn man eine solche Wahlniederlage erleidet, kann man nicht sagen: Es ist alles richtig und es geht weiter wie bislang." Er betonte aber: "Frau Merkel ist nicht als CDU-Vorsitzende beschädigt." Sie habe den neuen Kurs in der Energiepolitik als Parteichefin eingeleitet. Die CDU und die schwarz-gelbe Koalition müssten ihre Projekte identifizieren. Der Ausstieg aus der Atomkraft und eine ökonomische und technologische Erneuerung der Energiewirtschaft könnten das große Projekt werden. "Den Kurs jetzt zu machen, ist (...) die Bewährungsprobe der Koalition und der CDU."
Die Ministerpräsidenten von Hessen und Thüringen, Volker Bouffier und Christine Lieberknecht, stellten sich demonstrativ hinter die CDU-Vorsitzende. Sicher sei es "extrem schmerzlich", dass die CDU Baden-Württemberg verloren habe, sagte Parteivize Bouffier. "Aber Angela Merkel führt diese Partei, sie wird es auch in Zukunft tun", sagte der hessische Regierungschef. "Die Bundesvorsitzende hat ja genau das Richtige getan mit dem Moratorium", betonte Lieberknecht. Ausdrücklich lobte zudem die CDU-Spitzenkandidatin in Rheinland-Pfalz, Julia Klöckner, den Kurs Merkels. "Die Union steht geschlossen zu Angela Merkel", betonte auch CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe in der ARD.
Parteivize Bouffier räumte aber ein, dass es in den vergangenen drei Wochen etwa mit der Atomenergie, Libyen und Euro so viele Themen gleichzeitig gegeben, "dass es da schwierig ist zu führen". Offenbar habe man den Wählern nicht überzeugend klar machen können, dass das dreimonatige Moratorium für die sieben ältesten Atomkraftwerke nicht wahltaktisch gemeint gewesen sei. Die Frage nach Koalitionen mit den Grünen stelle sich derzeit nicht, sagte Bouffier. Allerdings: "Wenn es die Sache gebietet, dann werden wir es tun. Zuerst kommt die Sache. Die Sache sucht sich Mehrheiten. Ideologische Barrieren nützen niemandem, und das gilt für alle Seiten." Röttgen meinte: "Das Lagerdenken ist Vergangenheit."
CSU-Chef Horst Seehofer nannte das CDU-Ergebnis der Wahl in Baden-Württemberg "bitter". Wer aber in seiner Partei nun Personaldebatten über Merkel führen wolle, "der wird ein Echo von mir bekommen".
"Das bricht der CDU das Rückgrat"
Allerdings gab es auch kritische Stimmen. CDU-Präsidiumsmitglied Philipp Mißfelder sprach von "handwerklichen Fehlern", die in den vergangenen Tagen die Menschen verwirrt hätten. "Insofern ist das natürlich auch eine bundespolitische Niederlage", sagte der Vorsitzende der Jungen Union dem RBB. "Die Wähler haben uns die Volten in den vergangenen 14 Tagen einfach nicht abgenommen", sagte Fraktionsvize Michael Fuchs. Dies kritisierte auch der Vorsitzende der Mittelstands-Union, Hans Michelbach: "Was aus Berlin in den vergangenen Monaten kam, hat erst zur Irritation der eigenen Leute geführt und dann die Wähler vergrault", sagte er dem "Handelsblatt". Das gelte für die Steuer-, die Wirtschafts-, die Europa- und auch die Bündnispolitik.

Der Junior und sein starker Partner: SPD-Spitzenkandidat Schmid (links) möchte der kleine Koalitionspartner von Winfried Kretschmann sein.
(Foto: REUTERS)
Auch der frühere Unions-Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz forderte Konsequenzen von Merkel. "Das bricht der CDU das Rückgrat", sagte Merz der Zeitung. Die Wähler hätten Merkel ihre abrupte Wende in der Atompolitik nicht geglaubt. "Wer sich auf eine Panikwelle setzt, darf sich nicht wundern, wenn er davon überrollt wird", sagte Merz.
Grün-Rot und Rot-Grün
Die Wahl in Baden-Württemberg hatte zu einem historischen Wechsel geführt. Die CDU muss nach 58 Jahren die Macht abgeben. Sie stürzte gut fünf Punkte auf 39 Prozent ab, die FDP schaffte in ihrem Stammland mit 5,3 Prozent nur noch knapp den Wiedereinzug ins Parlament. Die Grünen können nun mit Winfried Kretschmann den ersten Ministerpräsidenten einer grün-roten Landesregierung stellen - obwohl auch die SPD mit 23,1 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis erzielte. Die Linke scheiterte an der 5-Prozent-Hürde.

Achtungserfolg: In Rheinland-Pfalz ist CDU-Spitzenkandidatin Klöckner der SPD nur knapp unterlegen.
(Foto: dpa)
In Rheinland-Pfalz wird es künftig Rot-Grün geben. Regierungschef Kurt Beck verlor mit dem schwächsten SPD-Ergebnis seit 52 Jahren seine absolute Mandatsmehrheit und ist künftig auf die Grünen angewiesen, die sensationell mit 15,4 Prozent in den Landtag zurückkehrten. Die FDP flog mit 4,2 Prozent aus dem Parlament. Die CDU konnte mit Spitzenkandidatin Julia Klöckner zwar auf 35,2 Prozent zulegen, hat aber wegen des Scheiterns der FDP keine Bündnisoption. Die Linkspartei schaffte auch hier nicht den Einzug in den Landtag.
Grüne versprechen neuen Stil
Führende Grünen-Politiker betonten die gewachsene Verantwortung nach den Erfolgen in Stuttgart und Mainz. Der baden-württembergische Spitzenkandidat Kretschmann versprach einen neuen Regierungsstil in Stuttgart: "Die Leute haben genug vom konfrontativen Regierungsstil von Mappus, von diesem Durchregieren, von diesem Machtinspiriertem", sagte er. SPD-Spitzenkandidat Nils Schmid sagte, die SPD werde in dem Bundesland "wirtschaftliche Vernunft und sozialen Zusammenhalt wieder enger zusammenbringen". Dabei werde man mit Augenmaß vorgehen. Dass die Grünen beim Wahlergebnis vor der SPD lägen, habe viel mit dem Atomunfall in Japan zu tun.

Die Grünen-Chefs Özdemir (ganz links) und Roth (ganz rechts) gratulieren Lemke und Kretschmann.
(Foto: dapd)
Die Grünen sehen nach ihren Wahlerfolgen die schwarz-gelbe Bundesregierung stark geschwächt. "Sie kann nicht mehr regieren, ohne auf die Opposition und die Mehrheit der Länder zuzugehen", sagte Fraktionschef Jürgen Trittin. Es gebe eine "solidere andere Mehrheit im Bundesrat". Parteichef Cem Özdemir wertete die Ergebnisse auch als "klare Botschaft, dass die Leute den Atomausstieg wollen". Er zeigte sich bereit, diesen gemeinsam mit der Koalition zu beschleunigen. "Ich würde mir wünschen, dass CDU/CSU und FDP auf unseren Kurs einschwenken."
Trittin, Özdemir und Co-Parteichefin Claudia Roth sprachen von der "großen Verantwortung", der die Grünen nun gerecht werden müssten. Fraktionschefin Renate Künast sagte, die Grünen freuten sich. "Zeitgleich ist es auch wie Hanteln auf den Schultern." Sie wolle mit Baden-Württembergs kommendem Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann an der Seite im Wahlkampfendspurt im September um das Regierungsamt in Berlin kämpfen. Özdemir sagte: "Die Erwartungen an uns sind immens." Nun müssten die Grünen "denen, die uns zum ersten Mal gewählt haben, eine Heimat geben und zeigen, dass es sich gelohnt hat".
SPD redet Lage schön

Verlierer, aber doch irgendwie Sieger: SPD-Chef Gabriel (Mitte) mit Schmid und Beck (rechts).
(Foto: dpa)
Die SPD bemühte sich um Schadensbegrenzung, nachdem sie in beiden Ländern ihr schlechtestes Wahlergebnis seit Jahrzehnten eingefahren hatte. Langfristige Auswirkungen auf das Parteiensystem wollte etwa Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier nach den Grünen-Erfolgen nicht sehen. SPD-Chef Sigmar Gabriel nannte die Wahlergebnisse ein klares Signal für einen Ausstieg aus der Atomenergie. Deutschland müsse "sobald wie möglich von dieser Risikotechnologie Abschied". Dafür sei ein breiter gesellschaftlicher Dialog notwendig.
Bei der FDP werden Konsequenzen in Form einer neuen Zusammensetzung der Parteiführung erwartet. Vizekanzler Guido Westerwelle will aber Vorsitzender und Außenminister bleiben. Generalsekretär Christian Lindner sagte: "Wir werden einen offenen Diskussionsprozess darüber einleiten, welche personellen und politischen Konsequenzen zu ziehen sind." Er hatte am Wahlabend dafür plädiert, bis zum Parteitag der FDP Mitte Mai ein neues Spitzenteam "unter Führung von Westerwelle" zu präsentieren.
Auch die Linkspartei diskutiert ihr schlechtes Abschneiden. Der Vorsitzende Klaus Ernst forderte seine Partei angesichts der Wahlniederlagen auf, sich thematisch breiter aufzustellen. "Unsere atom- und umweltpolitischen Vorstellungen werden nicht ausreichend zur Kenntnis genommen", sagte Ernst der "Leipziger Volkszeitung". Das soziale Thema, für das die Linke stehe, sei von der Atomkatastrophe in Japan total überlagert worden.
Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP