Politik

Neue EU-Verfassung Bedingung für Erweiterung

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht in der Ratifizierung einer neuen EU-Verfassung eine Vorbedingung für künftige Erweiterungen der Europäischen Union. Vor dem Europaparlament sagte sie am Mittwoch in Straßburg, sie wolle zum Ende der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im Juni konkrete Vorschläge für einen "Fahrplan" machen, der bis zum Frühjahr 2009 zur Ratifizierung der "Substanz" der Verfassung führen könne. Der Verfassungsentwurf, der bisher von 18 der 27 EU-Staaten ratifiziert wurde, war 2005 bei Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden abgelehnt worden. Er kann nur bei Zustimmung aller Mitglieder in Kraft treten.

"Keine Erweiterung auf jetziger Rechtsgrundlage"

"Diejenigen, die sehr für Erweiterung sind - und ich gehöre nicht unbedingt dazu - müssen wissen: Wenn sie gleichzeitig skeptisch zum Verfassungsvertrag sind, dann wird es auf der jetzigen Rechtgrundlage keine Erweiterung geben." Unter Hinweis auf den nächsten Beitrittskandidaten Kroatien fügte sie hinzu: "Wir kommen im Zusammenhang mit Kroatien genau an diesen Punkt." Unter anderem Großbritannien und Polen haben zwar die Verfassung nicht ratifiziert, sind aber für EU-Erweiterung. "Wer die Erweiterung im Auge hat, muss wissen, dass es mit dem derzeitigen Vertrag schlicht und einfach nicht geht. Wir müssen uns also zusammenraufen", sagte Merkel.

"Scheitern wäre historisches Versäumnis"

"Wir brauchen neue Regeln, die der Größe der Europäischen Union und der anstehenden Herausforderungen entsprechen", sagte Merkel zum Ratifizierungsprozess. "Es ist im Interesse Europas, diesen Prozess bis zu den nächsten Wahlen des Europaparlaments im Frühjahr 2009 zu einem guten Ende zu führen. Ein Scheitern wäre ein historisches Versäumnis."

Jene 18 Staaten, die bereits ratifiziert haben, "werden bestimmt nicht sagen "Okay, da machen wir was bei der Erweiterung und den Rest lassen wir sausen". Das wird mit Sicherheit in Europa nicht funktionieren", warnte Merkel. Nötig seien "klare Beschreibungen der Kompetenzen der Europäischen Union und der Nationalstaaten." Merkel fordert ein Europa, "das sich auf das konzentriert, was auf europäischer Ebene am besten zu steuern ist". Die EU müsse aber "Politikbereiche, bei denen eine europäische Regulierung eher hinderlich wäre, ganz bewusst den Mitgliedstaaten und ihren Regionen überlassen".

Merkels Entschlossenheit begrüßt

Sprecher der meisten Fraktionen des 785 Mitglieder zählenden Europaparlaments begrüßten Merkels Entschlossenheit, einen Weg zur Wiederbelebung des Ratifizierungsprozesses zu finden. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Daniel Cohn-Bendit, warnte jedoch vor der Hoffnung, den Verfassungsentwurf "in der Dunkelkammer einer Regierungskonferenz" ohne öffentliche Debatte wiederbeleben zu können.

Der Fraktionschef der EU-Sozialdemokraten, Martin Schulz (SPD), forderte Merkel auf, nicht vom in der großen Koalition in Berlin vereinbarten Ausstieg aus der Atomenergie abzuweichen: Sie dürfe die Ratspräsidentschaft nicht nutzen, "um innenpolitisch vielleicht die Kurve zu kriegen und das zu tun, was sie als CDU-Chefin tun wollten." Merkel antwortete: "In der Frage der Kernenergie wird es weiter Streit geben, das ist doch keine Frage." Als Befürworterin der Kernenergie sei sie für Energiesparen und Förderung der erneuerbaren Energien: "Das darf man nicht gegeneinander stellen, sondern das gehört zusammen."

Gemeinsames Interesse: stabiler westlicher Balkan

"Stabilität auf dem westlichen Balkan ist in unserem gemeinsamen Interesse", sagte Merkel. "Ohne europäische Perspektive für die Staaten des westlichen Balkans wird es diese Stabilität nicht geben." Auf einen Termin für den Beginn von Verhandlungen mit dem Beitrittskandidaten Mazedonien wollte sie sich nicht festlegen. In ihrer Nachbarschaft müsse die EU jedoch "mehr politischen Gestaltungswillen als bisher zeigen". Für die Schwarzmeerregion und Zentralasien werde die deutsche Ratspräsidentschaft Vorschläge für eine "Nachbarschaftspolitik" entwickeln, die eine enge Bindung an die EU, aber keine Mitgliedschaft vorsieht. "Der Beitritt vieler Länder kann nicht immer erfüllt werden."

Quelle: ntv.de

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