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Parteichefs im Tegernsee-Talk "Bei dieser Regierung brauchen Sie keine Opposition!"

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Lindner, Merz, Lang und Klingbeil auf einer Bühne - zu besichtigen auf dem Ludwig-Erhard-Gipfel am Tegernsee.

Lindner, Merz, Lang und Klingbeil auf einer Bühne - zu besichtigen auf dem Ludwig-Erhard-Gipfel am Tegernsee.

(Foto: dpa)

Beim Ludwig-Erhardt-Gipfel streiten mit Lindner, Merz, Klingbeil und Lang drei Parteichefs und eine -chefin um den richtigen Weg durch die nächsten Jahre. Unterhaltsam sind die Verbal-Scharmützel. Beunruhigend das Ausmaß der Baustellen.

Dass die kommenden Jahre für Deutschland und die Welt nicht einfach werden, dürfte sich herumgesprochen haben. Aber als am frühen Abend Friedrich Merz, Lars Klingbeil, Ricarda Lang und Christian Lindner beim Ludwig-Erhardt-Gipfel an Tegernsee das Ausmaß der Probleme der kommenden Jahre umrissen, konnte einem schon mulmig werden. Die Spitzen von CDU, SPD, Grünen und FDP klapperten mit Moderator und ntv-Politikchef Nikolaus Blome eine lange Liste ab: Klimawandel, Heizungen, Fachkräftemangel, steigende Asylbewerberzahlen, AfD im Höhenflug - und dabei sparten sie den Krieg in der Ukraine sogar noch aus.

Wenigstens ist den Teilnehmern der Runde der Optimismus noch nicht flöten gegangen. "Ich halte fest, Sie alle sind sich einig, dass es in Deutschland gehen kann", sagte Blome am Ende. Über den Weg zu gleichem oder mehr Wohlstand in Klimaneutralität und Frieden wurde allerdings erwartungsgemäß gerungen. Zwischenzeitlich lehnte Merz sich zurück und sagte zur Erheiterung des Publikums: "Bei dieser Koalition brauchen Sie gar keine Opposition mehr, das machen die alles selbst." Gerade hatte Lindner noch einmal deutlich gemacht, dass der vorliegende Gesetzesentwurf zum Gebäudeenergiegesetz keineswegs Konsens in der Koalition sei und dass dieser im Bundestag noch überarbeitet werden müsse.

Das Thema Heizungen sorgte erwartungsgemäß für Diskussionen - nicht nur auf der fachlichen Ebene. Merz übte inhaltliche Kritik, aber auch daran, dass große Verunsicherung um sich greife. "Das ist Unfug, was da gemacht wird und damit wird die Bevölkerung ohne Not verunsichert", sagte er. Dem zweiten Teil dieser Kritik stimmte Klingbeil indirekt zu: "Viele Menschen glauben ja, am 2. Januar steht Robert Habeck vor der Tür und reißt eine funktionierende Gasheizung raus." Dazu habe die Koalition durch ihren öffentlichen Streit selbst beigetragen. Tatsächlich sieht der Gesetzentwurf, der noch gar nicht beschlossen ist, aber vor, dass funktionierende Gasheizungen weiterbetrieben werden dürfen.

AfD im Höhenflug

Die Verunsicherung sei auch ein Grund für den derzeitigen Umfrage-Höhenflug der AfD, sagte Klingbeil. Die mittlerweile weitgehend rechtsradikale Partei steht im Trendbarometer von RTL und ntv bei 16 Prozent. Lang sagte, es müsse klarer und schneller kommuniziert werden, auch wenn es um Flucht und Migration gehe. Dabei müsse man die notwendige Fachkräfte-Einwanderung vom Asyl trennen. "Wir müssen bei der Verteilung in Europa vorankommen und brauchen mehr Ordnung an den Grenzen", sagte sie. Außerdem müsse es schnellere Verfahren geben.

"Ich stimme Ricarda zu", sagte Klingbeil. "Ich bin nicht dafür, dass wir unser humanitäres Gesicht aufgeben." Er sei stolz darauf, wie 2015 während der Flüchtlingskrise gehandelt worden sei und wie im vergangenen Jahr Hunderttausende Menschen aus der Ukraine aufgenommen wurden. Er werde in Unternehmen aber stets auf den Fachkräftemangel angesprochen. Dagegen helfe Zuwanderung, daher gebe es nun auch ein neues Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Das Problem dabei: "Wir gehen immer davon aus, dass alle zu uns kommen wollen" - das sei aber oftmals ein Irrtum.

Lindner erklärte warum: die Sprachbarriere, bürokratische Hürden, hohe Steuern und "eine gewisse Neidkultur" spielten eine Rolle. "Wir machen es den Menschen, die wir brauchen, zu schwer zu kommen und machen es den Menschen, die eigentlich gehen müssten, zu leicht zu bleiben", sagte er. Das müsse geändert werden. Er sprach sich für den Schutz der EU-Außengrenzen aus. Der sei bisher ein Tabu gewesen. Asylverfahren müssten von außerhalb der EU begonnen werden können. Genau das belastet derzeit viele Städte und Gemeinden: Dass viele Asylbewerber ohne Chance auf ein Bleiberecht trotzdem versorgt und integriert werden müssen. Lindner verwies zudem auf die Wichtigkeit von Rückführungsabkommen. Entscheidend dabei sei es, den Ländern dabei auch legale Einwanderungsmöglichkeiten für Studenten und Fachkräfte anzubieten. Das hätte die Große Koalition versäumt.

Und jetzt?

Der CDU-Chef sagte: "Wer Binnengrenzen beseitigt, muss die Außengrenzen schützen." Pro Monat kämen 30.000 Asylbewerber nach Deutschland. "Das sind keine Ukrainer, die kommen aus Syrien, dem Irak, Afghanistan und anderen Ländern", sagte er. Es sei ein Trugschluss zu glauben, dass es aus dieser Gruppe viele in den Arbeitsmarkt schafften. Man müsse dafür sorgen, dass Fachkräfte Deutschland nicht wieder verließen, pro Jahr täten das aber zwischen 160.000 und 200.000. Klingbeil ätzte zurück: "Hätte die Union doch nur in den vergangenen Jahren einmal den Innenminister gestellt, dann hätte er es angehen können." Und weiter: "Wir müssen höllisch aufpassen, wie wir über das Thema Migration reden."

Und wie schaffen wir das jetzt? Mit Optimismus und Zuversicht, sagte Klingbeil. Lindner meinte, Deutschland habe sich lange selbst im Weg gestanden - etwa mit zu vielen Vorschriften, hohen Steuern und Bürokratie - und die gute Nachricht sei, wer sich selbst im Weg stehe, könne auch selbst den Weg frei machen. Merz pflichtete dem bei und sagte, man müsse im Sinne Ludwig Ehrhardts auf die Gesetze des Marktes ver- und den Menschen etwas zutrauen. Lang forderte einen Industriestrompreis, schnelleren Ausbau von erneuerbaren Energien und ein höheres Tempo der EU bei Entscheidungsprozessen.

Auf etwas Mutmachendes hatte Klingbeil gleich zu Beginn hingewiesen. Barack Obama habe bei seinem Berlin-Besuch am Mittwochabend gesagt, in den USA stimmten viele Menschen und Politiker nicht einmal über die Fakten überein. Der eine Präsidentschaftskandidat wolle etwas gegen den Klimawandel tun, der andere leugne ihn. Das sei in Deutschland anders. Immerhin.

Quelle: ntv.de

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