Wirtschaft

Habeck will Industriestrompreis Das ist der Stoff für den nächsten Ampel-Zoff

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Strom ist in Deutschland vergleichsweise teuer.

Strom ist in Deutschland vergleichsweise teuer.

(Foto: picture alliance / Willfried Gredler-Oxenbauer / picturedesk.com)

Wirtschaftsminister Robert Habeck lässt wegen der hohen Strompreise derzeit ein Konzept ausarbeiten, um die energieintensive Industrie zu entlasten. Wie dieser "Industriestrompreis" genau aussehen soll, ist weitgehend unklar. Doch Finanzminister Christian Lindner macht bereits deutlich, dass er nichts von dem Plan hält. ntv.de beantwortet die wichtigsten Fragen zum neuesten Zankapfel der Ampel-Koalition.

Was ist ein Industriestrompreis?

Ein subventionierter Strompreis für energieintensive Industrie. Sie würde zeitlich befristet verbilligten Strom beziehen können.

Warum?

Deutschland hat im weltweiten Vergleich hohe Strompreise. Strom für die Industrie kostet hierzulande im Schnitt 20 Cent je Kilowattstunde. Für energieintensive Unternehmen ist das ein Wettbewerbsnachteil, weil ausländische Konkurrenz billiger produzieren kann. Außerdem wächst damit der Anreiz für deutsche Unternehmen, Produktion ins Ausland - etwa in die USA oder nach Asien - zu verlagern.

Woher kommt die Idee?

Aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Ressortchef Robert Habeck hat angekündigt, dass sein Ministerium ein Konzept vorlegen werde, wie der Strompreis für die Industrie gedeckelt werden kann. Als Zeitraum der Subventionen hat er "vier oder fünf Jahre" genannt.

Das Kalkül: Durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien dürften die Strompreise in Deutschland bald spürbar sinken. Bis dahin soll der Preis für die energieintensive Industrie reduziert werden, um ein Abwandern zu verhindern.

Aber wird der Strompreis nicht schon gedeckelt?

Ja. Vor dem Hintergrund des russischen Überfalls auf die Ukraine waren die Energiepreise nach oben geschossen. Die Bundesregierung hatte deshalb die Strompreisbremse eingeführt, die allerdings nur bis Frühjahr kommenden Jahres gilt. Energieintensive Unternehmen müssen für 70 Prozent des Vorjahresverbrauchs höchstens 13 Cent bezahlen. Darüber hinaus wird der aktuelle Marktpreis fällig. Die Industrie hält die Bedingungen, um verbilligten Strom zu bekommen, für zu bürokratisch. Die Strompreisbremse wurde bisher von Großunternehmen kaum in Anspruch genommen. Mittlerweile sind die Strompreise zwar wieder gesunken, sie liegen aber immer noch deutlich höher als vor dem Überfall.

Wann wird das neue Konzept präsentiert?

Einen Termin gibt es noch nicht. Ursprünglich sollte das Konzept bis Ende des Jahres ausgearbeitet werden. Doch vor kurzem hieß es aus dem Wirtschaftsministerium, der Vorschlag werde "bald" präsentiert.

Und mit welchem Mechanismus soll der Preis gedeckelt werden?

Das steht noch nicht fest.

Wie soll das eigentlich finanziert werden?

Auch das ist unklar.

Was sagen die Koalitionspartner?

Es ist wie so häufig in letzter Zeit in der Ampel-Koalition. Die Grünen sind dafür, die FDP ist dagegen. Und die SPD laviert dazwischen. Während etwa SPD-Co-Chef Lars Klingbeil und das sogenannte Wirtschaftsforum der Sozialdemokraten den Industriestrompreis für eine gute Idee halten, sagt Bundeskanzler Olaf Scholz unkonkret: "Über vergünstigten Strom für die Wirtschaft müssen wir konkret diskutieren." Deutlich ist dagegen Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner: Für derartige Pläne gebe es im Haushalt keinen Spielraum.

Wie stark soll der Preis gedeckelt werden?

Dazu schweigt das Wirtschaftsministerium. In der SPD wird eine Spanne von fünf bis zehn Cent pro Kilowattstunde genannt. Dem Verband der Chemischen Industrie schwebt ein Preis von vier bis sechs Cent vor. Das sei "alternativlos" sagte Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Anfang März hatte sein Verband noch einen Preis von fünf bis zehn Cent gefordert. Auch die Stahlbranche wünscht sich einen Preis zwischen vier und sechs Cent.

Was spricht dagegen?

Während die energieintensive Industrie künstlich verbilligten Strom bekommt, müssen andere diese Subventionen bezahlen - etwa der Steuerzahler. Hinzu kommt, dass ein Industriestrompreis zwar die Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Unternehmen erhöht. Er wird damit aber zugleich zu einem Wettbewerbsnachteil für andere. Der Verband der Familienunternehmer etwa hält gar nichts von dem Vorhaben. "Was auf den ersten Blick Entlastung von den hohen Energiepreisen verspricht, erweist sich auf den zweiten Blick als riesige Wettbewerbsverzerrung zulasten des Mittelstands", sagt Verbandspräsidentin Marie-Christine Ostermann. Um eine wettbewerbsfähige Industrie am Standort Deutschland zu erhalten, müssten die Bedingungen insgesamt verbessert werden.

Ein Industriestrompreis bedeutet außerdem, dass diejenigen über Jahre entlastet werden, die am meisten Strom verbrauchen - und durch die hohe Nachfrage den Preis nach oben treiben. Diese Subventionen widersprechen also den Prinzipien der Marktwirtschaft, da sie Preissignale außer Kraft setzen. Das heißt: Während hohe Preise den Anreiz für die Industrie erhöhen, sich auf Klimaneutralität umzustellen, vermindern künstlich niedrig gehaltene Preise genau das.

Quelle: ntv.de

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