Dicke Luft zwischen Verbündeten Bericht entlastet Bundeswehr
11.09.2009, 09:43 UhrDer Bericht der vom afghanischen Präsidenten Hamid Karsai eingesetzten Kommission zur Untersuchung des Bombardements im nordafghanischen Kundus entlastet nach Medieninformationen die Bundeswehr. Die Bundesregierung wehrt sich unterdessen vehement gegen internationale Kritik - und versendet scharfe Protestnoten.

Bundesaußenminister Steinmeier schickt seine Diplomaten in die Spur.
(Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb)
Zwar seien Zivilisten unter den Toten des von der Bundeswehr angeforderten Luftangriffs, berichtete die ARD unter Berufung auf die Kommission. Die Verantwortung für den Vorfall liege aber bei den Taliban. Die Mitarbeiter der Kommission sind inzwischen aus Kundus zurückgekehrt und wollen den Bericht an diesem Samstag in der afghanischen Hauptstadt Kabul an Karsai übergeben.
Demnach hätten die Taliban die später bombardierten zwei Tanklaster entführt. Als diese im Kundus-Fluss steckengeblieben seien, hätten die Aufständischen weitere Taliban und Dorfbewohner herangeholt, um die Fahrzeuge wieder flott zu bekommen. Zivilisten hätten versucht, illegal Benzin abzuzapfen. Dass die Fahrzeuge in dem Fluss und nicht in einem Dorf angegriffen worden seien, entlaste die Bundeswehr. Angaben zur Zahl der Opfer machte die ARD nicht.
Dicke Luft zwischen Verbündeten
Der Luftangriff in Nordafghanistan mit Dutzenden Toten belastet unterdessen zunehmend das Verhältnis zwischen Deutschland und seinen Verbündeten. Nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Regierungserklärung vor dem Bundestag Vorverurteilungen der Bundeswehr sich strikt verbeten hatte, versucht die Bundesregierung nun auch auf diplomatischem Weg, die internationale Kritik an dem umstrittenen Luftangriff einzudämmen.
Das Auswärtige Amt bestätigte der "Financial Times Deutschland", dass die deutschen Botschafter in allen wichtigen NATO-und EU-Partnerländern vorstellig geworden seien. Mit sogenannten Demarchen baten sie demnach darum, den Angriff nicht zu kritisieren, bis eine Untersuchung dazu abgeschlossen sei. In Paris stieß dies auf Unverständnis. "Was soll ein Minister denn sagen, wenn er von einem solchen Schlag mit 80 Toten und darunter Zivilisten unterrichtet wird? Nichts?", fragte ein französischer Diplomat der Zeitung zufolge.

Laut dem umstrittenen ISAF-Bericht waren die beiden Tanklaster beim Zeitpunkt des Angriffs manövrierunfähig und nicht wie von der Bundeswehr behauptet "rollende Bomben".
(Foto: AP)
Das Bundesverteidigungsministerium kritisierte derweil US-General und ISAF-Oberbefehlshaber Stanley McChrystal wegen seines Verhaltens gegenüber dem deutschen Oberst, der den Luftangriff in Afghanistan angefordert hat. Ohne McChrystal namentlich zu nennen, sagte Ministeriumssprecher Thomas Raabe in Berlin, es sei ein "Unding", dass man in eine erste Besprechung mit dem Oberst nach dem Angriff mit Dutzenden Toten einen Journalisten einbinde. "Man kann nicht in einer solchen ersten Untersuchung einen Journalisten dabei haben (...) Es ist absolut unüblich und ich gehe davon aus, dass sich das auch nicht wiederholen wird."
NATO dementiert Zwischenbericht
Die NATO hatte zuvor dementiert, dass es einen Zwischenbericht gebe, wonach der deutsche Oberst Georg Klein bei dem Einsatz vor einer Woche seine Kompetenz überschritten habe. Militärs und Diplomaten sagten der "FTD" hingegen, dass es ein solches Dokument doch gebe.
Auch die Bundesregierung hatte die von Medien zitierten Anschuldigungen eines ungenannten NATO-Offiziers gegen Klein zurückgewiesen. "Unter bestimmten Voraussetzungen kann der örtliche Kommandeur den Befehl geben. Das sehen die Regeln bei ISAF vor", sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums Thomas Raabe der Deutschen Presse-Agentur . Nähere Angaben machte er unter Hinweis auf eine noch laufende Untersuchung der ISAF-Kommission nicht. Der frühere Vorsitzende des NATO-Militärausschusses, Harald Kujat, sagte der dpa, die Verantwortung trage nicht allein die Bundeswehr.
Sonderermittlungen in Leipzig
Unterdessen durchleuchten auch Sonderermittler beim Generalstaatsanwalt Sachsens den Vorfall. Es sei zu klären, ob es einen strafrechtlichen Anfangsverdacht gegen den verantwortlichen Oberst zur Einleitung von Ermittlungen gebe. "Die Prüfung wird wegen der tatsächlichen und rechtlichen Komplexität voraussichtlich längere Zeit in Anspruch nehmen", teilte die Behörde mit.
Oberst Klein, der normalerweise in Leipzig stationiert ist, wolle bei der Aufklärung des Sachverhaltes mitwirken. Er wird noch im September nach Deutschland zurückkehren, wie Raabe der "Mitteldeutschen Zeitung" sagte.
Zahl der zivilen Opfer sinkt
Nach den Worten von NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hat die neue Strategie des Bündnisses zur Vermeidung von Zivilopfern bereits "einige positive Ergebnisse" gebracht. Seit Juni sei die Zahl der zivilen Opfer um etwa 90 Prozent gesunken. "Das ist wirklich ein Fortschritt, und wir werden uns darauf konzentrieren", sagte der Generalsekretär. Dies stehe "in scharfem Gegensatz zum Handeln der Taliban": Diese töteten im Bemühen um Destabilisierung des Landes Zivilisten in ganz Afghanistan. "Unschuldige Menschenleben sind den Taliban nicht wichtig. Uns schon."
Quelle: ntv.de, hdr/AFP/dpa