Neue Taliban-Gewalt Berlin bleibt weiter auf Kurs
30.04.2009, 09:28 UhrAuch nach den jüngsten Anschlägen auf die Bundeswehr hat die Regierung in Berlin das deutsche Afghanistan-Engagement bekräftigt. "Nie wieder darf Afghanistan der Hort für weltweit agierenden Terrorismus werden", sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier bei einem Besuch des Feldlagers Masar-i-Scharif im Norden des Landes. Unterdessen leiteten die radikal-islamischen Taliban in Afghanistan nach eigener Darstellung ihre tags zuvor angekündigte Offensive "Nasrat" (Sieg) ein.
Auch Verteidigungsminister Franz Josef Jung betonte in Berlin, dass die Bundeswehr ihren Einsatz am Hindukusch fortführen wolle. "Dies sind wir auch unseren gefallenen und verwundeten Soldaten schuldig." Am Mittwoch waren bei zwei Anschlägen auf deutsche Patrouillen in der Nähe von Kundus ein Soldat getötet und insgesamt neun Kameraden verletzt worden. "Die Täter schrecken auch vor kaltblütigem Mord nicht zurück, um ihr Ziel zu erreichen", sagte Steinmeier. Er sprach den Angehörigen des getöteten Soldaten sein Beileid aus.
"Hinterhältig und verbrecherisch"
Die Patrouille des getöteten Hauptgefreiten war nahe dem Feldlager Kundus gleich in zwei Hinterhalte geraten, wie die Bundeswehr im Internet schildert. Zunächst war es den neun geschützten Fahrzeugen gelungen durchzubrechen. Fünf Kilometer weiter gerieten sie aber in einen zweiten, massiven Feuerüberfall. Mehrere Minuten lang lieferten sie sich mit den Angreifern ein Gefecht. Ein Panzerwagen vom Typ "Dingo" wurde von einer Panzerfaust getroffen, wobei der Soldat starb. Nur wenige Stunden zuvor waren bei einem Selbstmord-Attentat ebenfalls nahe Kundus fünf andere Bundeswehr-Soldaten leicht verletzt worden.
Zum ersten Anschlag bekannte sich die Taliban-Miliz. Es wird vermutet, dass sie auch hinter dem zweiten Anschlag steckt. Jung verurteilte die jüngsten Anschläge als "hinterhältig und verbrecherisch", verübt von "Terroristen", die "unseren klaren Widerstand erfahren müssen".
Zeremonie ohne Medien und Öffentlichkeit
Der Leichnam des getöteten Soldaten wird am Samstag nach Deutschland übergeführt. Nach der Ankunft auf dem militärischen Teil des Flughafens Köln-Wahn sei eine interne Zeremonie ohne Medien und Öffentlichkeit geplant, sagte ein Sprecher des Einsatzführungskommandos in Potsdam. Eine offizielle Trauerfeier solle es in der kommenden Woche am Standort Donaueschingen in Baden- Württemberg geben.
"Wir müssen wissen, dass Kundus eine Problemzone geworden ist", erklärte der Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, in Berlin. Es sei dort schwieriger als noch vor vier Jahren. Er sprach von einer "militärisch geplanten Aktion" und ging davon aus, dass kein Zusammenhang mit dem Afghanistan-Besuch Steinmeiers - dem vierten in der Amtszeit des Außenministers - bestanden habe.
Mehr Rückhalt gefordert
Insgesamt sind derzeit mehr als 3800 Bundeswehrangehörige in Afghanistan stationiert. Seit Beginn des Einsatzes 2002 kamen 32 deutsche Soldaten ums Leben, davon 13 bei Anschlägen.
Der Deutsche Bundeswehrverband forderte mehr Rückhalt für den Einsatz am Hindukusch. Für die Soldaten und deren Angehörige sei es von besonderer Bedeutung, dass Politik und Öffentlichkeit hinter ihnen stehen, erklärte der Vorsitzende der Soldaten-Organisation, Ulrich Kirsch.
Taliban rufen zu Angriffen auf
In einer auf der Homepage der Taliban veröffentlichten Erklärung von Sprecher Kari Jussif Ahmadi hieß es, mit einem Raketenangriff auf einen Polizeiposten in der westafghanischen Provinz Herat habe die Operation "Sieg" begonnen. Ein Polizeisprecher bestätigte den Angriff. Vier Polizisten seien leicht verletzt worden. Die Sicherheitskräfte hätten das Feuer erwidert und den Angreifern Opfer zugefügt.
Ein anderer Taliban-Sprecher kündigte an, im Zuge der Offensive sollten ausländische Truppen im ganzen Land angegriffen werden. An den jüngsten Angriffen im nordafghanischen Verantwortungsbereich der Bundeswehr hätten sich Menschen beteiligt, die trotz der Versprechen der Regierung und der ausländischen Truppen keine Verbesserung ihrer Lebensumstände sähen.
Als Reaktion auf die Truppenverstärkung besonders der Amerikaner in Afghanistan hatte der Vizechef der Taliban, Mullah Brodar Akhund, am Mittwoch eine landesweite Offensive angekündigt. Als Ziele nannte er "Militärstützpunkte der Invasoren, diplomatische Zentren, Militärkonvois, Vertreter der Marionettenregierung und Parlamentsabgeordnete".
Quelle: ntv.de