Sarkozy schwer angeschlagen Berlin macht's auch mit Hollande
23.04.2012, 13:48 Uhr
Er hat Spaß am Tag nach dem ersten Wahlgang: François Hollande.
(Foto: AP)
Der Kandidat der französischen Linken, Hollande, schneidet im ersten Wahlgang besser ab als Amtsinhaber Sarkozy. Obgleich es für den Präsidenten schwierig wird, gibt er sich nicht geschlagen. Unklar ist, wie bei der Stichwahl die Wählerwanderung verlaufen wird. Obgleich Kanzlerin Merkel Sarkozy weiter beisteht, würde Berlin auch mit Hollande kooperieren.
Nun ist es amtlich: Der Sozialist François Hollande hat die erste Runde der Präsidentenwahl in Frankreich mit 28,63 Prozent gewonnen. Nach Endergebnis, das das Innenministerium in Paris veröffentlichte, kam Präsident Nicolas Sarkozy auf 27,18 Prozent.
Mit 17,9 Prozent wurde die Vorsitzende der rechtsextremen Nationalen Front, Marine Le Pen, dritte. Dies ist das beste Ergebnis, das ihre Partei jemals bei einer Präsidentenwahl erzielen konnte. Ihr Vater, Jean-Marie Le Pen war 2002 mit 16,86 Prozent gegen Jacques Chirac in die Stichwahl eingezogen. Auf den vierten Platz kam der Linke Jean-Luc Mélenchon mit 11,1 Prozent, fünfter wurde der Zentrist François Bayrou mit 9,1 Prozent.
Stichwahl spricht für Hollande
In der Stichwahl müssen nun Hollande und Sarkozy versuchen, die Wähler der anderen Kandidaten auf ihre Seite zu bringen. Die Sozialisten rechnen zuversichtlich mit einem Machtwechsel. "Am 6. Mai will ich einen Sieg, einen schönen Sieg", sagte Hollande bei einem kurzen umjubelten Auftritt in seiner Hochburg Tulle in Zentralfrankreich. Das Wahlergebnis sei die Strafe für die Politik Sarkozys.

Nimmt er bereits seinen Abschied aus dem Elysée? Nicolas Sarkozy gibt sich noch nicht geschlagen.
(Foto: REUTERS)
Im zweiten Wahlgang wollen nur 44 Prozent der Wahlberechtigten für Sarkozy stimmen. 56 Prozent hingegen sind für Hollande. Dies geht aus einer Umfrage des Instituts CSA für französische Medien wie den TV-Sender BFM hervor.
Demnach wollen 91 Prozent der Wähler, die Mélenchon die Stimme gaben, im zweiten Wahlgang für Hollande stimmen. Jedoch planen nur 52 Prozent der Wähler von Le Pen, im entscheidenden Wahlgang zugunsten Sarkozys abzustimmen. Auch 40 Prozent der Bayrou- Wähler würden für Hollande stimmen. Neben Mélenchon rief auch die Grünen-Kandidatin Eva Joly bereits zur Unterstützung Hollandes auf.
Reaktionen aus Deutschland
Von allen Staatsoberhäuptern der EU hat der französische Präsident die größten Vollmachten. Er ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte und bestimmt die Verteidigungs- und Außenpolitik. Seine stärksten Druckmittel sind der rote Knopf zum Einsatz von Atomwaffen und das Vetorecht im UN-Sicherheitsrat. Der Präsident ernennt den Premierminister und auf dessen Vorschlag die übrigen Minister, leitet die wöchentlichen Kabinettssitzungen und ernennt die wichtigsten Staatsämter. Der Präsident verkündet die Gesetze, kann den Premierminister entlassen und die Nationalversammlung auflösen. In Krisenzeiten kann er den Notstandsartikel 16 anwenden, der ihm nahezu uneingeschränkte Vollmachten gibt. Das Parlament kann den Präsidenten nur bei schweren Verfehlungen mit Zweidrittelmehrheit absetzen.
Hollande fordert unter anderem eine Neuverhandlung des gerade erst beschlossenen Fiskalpakts, der die automatische Bestrafung von Defizitsündern in der EU vorsieht. Europa müsse mehr für Wachstum und Arbeitsplätze tun.
Bundeskanzlerin Angela Merkel kündigte derweil an, Sarkozy weiter zu unterstützen. Nach Angaben von Vize-Regierungssprecher Georg Streiter wird Merkel in den Wochen bis zur Stichwahl Sarkozy aber nicht mit einem Auftritt zur Seite stehen. Dies hatte die CDU-Chefin ursprünglich geplant. Merkel werde aber auch mit jedem anderen Präsidenten in Paris gut kooperieren, betonte der Sprecher in Berlin. Die deutsch-französische Freundschaft sei unabhängig von den handelnden Personen. Traditionell versuchen die Staatsspitzen, eng zusammenzuarbeiten.
Nach den Worten von Außenminister Guido Westerwelle (FDP) wird Deutschland auch bei einem Sieg von Hollande eine enge Zusammenarbeit suchen. Es sei gut, "dass die Stichwahl jetzt zwischen zwei ausgewiesenen demokratischen Kandidaten stattfindet, die für Europa und die deutsch-französische Freundschaft eintreten", erklärte Westerwelle. "Deutschland wird mit jedem Präsidenten, den das französische Volk wählt, eine gute und enge Zusammenarbeit suchen."
Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel beglückwünschte den Kandidaten der Sozialisten. "Hollandes Erfolg zeigt: Ein soziales, gerechtes Europa ist möglich."
Mélenchon begründete seine Unterstützung für Hollande mit den Worten: "Es geht darum, die Tendenz umzudrehen, die in Europa alle Völker unter dem Joch der Achse Sarkozy-Merkel unterdrückt."
Sarkozy droht mit dem Verlust der Lebensart
"Wir können mit Zuversicht in die zweite Runde gehen", rief Sarkozy nach der Wahl seinen Anhängern in Paris zu. Die Kernfrage sei, ob die Franzosen ihre bisherige Lebensart bewahren könnten. Er schlug drei TV-Debatten mit Hollande vor – dieser winkte sofort ab und ließ wissen, ein einziger Fernsehauftritt reiche ihm. Sarkozys Außenminister Alain Juppé sagte: "Es ist nichts entschieden."
FN spricht von "Schlacht" und "Widerstand"
Die Front-National-Vorsitzende Le Pen will sich erst am 1. Mai zu einer möglichen Wahlempfehlung äußern. "Die Schlacht um Frankreich hat erst begonnen, nichts wird mehr so sein wie vorher. Das ist erst der Anfang", rief sie ihren Anhängern zu. "Heute sind Millionen von Franzosen in den Widerstand gegangen."
Als Kernprojekte in Hollandes Wahlprogramm gelten eine umfassende Reform des Steuersystems und Maßnahmen in den Bereichen Bildung und Beschäftigung. So sollen Besserverdiener und Unternehmen stärker belastet werden und 60.000 neue Jobs an Schulen geschaffen werden.
Sarkozys Lager kritisierte die Wahlversprechen Hollandes als Gefahr für den Wirtschaftsstandort Frankreich. Sarkozy trat im Wahlkampf als Kandidat eines "starken Frankreichs" an – mit den Zielen, das Budgetdefizit zu reduzieren, die Ausländerpolitik zu verschärfen und den Verwaltungsapparat auszudünnen.
Die Wahlbeteiligung in der ersten Runde lag nach Schätzungen bei um die 80 Prozent und damit nur knapp unter der vor fünf Jahren, als mit knapp 84 Prozent überdurchschnittlich viele Franzosen zur Urne gegangen waren.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP