Politik

Präsidentendämmerung im Elysée "Super-Sarko" droht der Auszug

Sarkozy wird laut Umfragen  bei der Stichwahl am 6. Mai gegen Hollande verlieren

Sarkozy wird laut Umfragen bei der Stichwahl am 6. Mai gegen Hollande verlieren

(Foto: AP)

Frankreichs Präsident Sarkozy zeigt sich gerne kämpferisch – doch bald könnte er ausgekämpft haben. Offenbar sind die Franzosen seinen hektischen Aktionismus leid, bei den Wahlen hat der Sozialist Hollande beste Chancen, zu siegen. Die Ära Merkozy wäre damit beendet, Kanzlerin Merkel müsste sich umstellen.

Vor einigen Wochen sah es fast so aus, als könne Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy das Blatt doch noch wenden. Der hatte in Toulouse mehrere jüdische Kinder, einen Lehrer und drei Soldaten erschossen und das Land in Furcht und Schrecken versetzt. Sarkozy eilte von  Ort zu Ort, sprach in jedes Mikrofon und sonnte sich in der Rolle des tatkräftigen Staatsmannes, der schnell Gesetze durchpeitscht.

Genutzt hat es ihm nur wenig. Denn nach wie vor ist der Konservative Sarkozy für einen Amtsinhaber erstaunlich unbeliebt, und wenn an diesem Sonntag die Franzosen einen neuen Präsidenten wählen, sehen ihn die Umfragen hinter seinem sozialistischen Herausforderer . Spätestens bei der Stichwahl am 6. Mai dürfte klar sein: Die Ära Sarkozy ist beendet. Hollande, der bisher durch kritische Töne zum Fiskalpakt von sich reden machte, könnte dann in den Elysée einziehen.

Sarkozys Spaziergang vor Pyramiden stieß nicht überall auf Begeisterung.

Sarkozys Spaziergang vor Pyramiden stieß nicht überall auf Begeisterung.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Selbst wenn Sarkozy bis zur letzten Minute kämpft und versprochen hat, in den nächsten Jahren ein anderer Präsident werden zu wollen, wird er damit kaum noch durchkommen. Viele Franzosen sind seiner überdrüssig, seines Aktionismus' und seines  polarisierenden Führungsstils. "Mit seiner Hektik und bestimmten Art, verschiedene Themen gleichzeitig anzureißen, ohne in die Tiefe zu gehen , hat er nicht nur in der Opposition viele irritiert", sagt die Politikwissenschaftlerin Chantal Mairesse von der Stiftung Genshagen für Deutsch-Französische Zusammenarbeit im Gespräch mit n-tv.de. Noch immer verübeln ihm zudem viele sein großspuriges Auftreten zu Beginn seiner Amtszeit, als er seinen Sieg im Edelrestaurant Fouquet's feierte, Ferien auf einer Luxusyacht verbrachte und sich mit seiner neuen Freundin Carla Bruni wie mit einer frisch erlegten Trophäe schmückte.

Frankreichs Wirtschaft siecht

Die Machtfülle des Präsidenten

Von allen Staatsoberhäuptern der EU hat der französische Präsident die größten Vollmachten. Er ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte und bestimmt die Verteidigungs- und Außenpolitik. Seine stärksten Druckmittel sind der rote Knopf zum Einsatz von Atomwaffen und das Vetorecht im UN-Sicherheitsrat. Der Präsident ernennt den Premierminister und auf dessen Vorschlag die übrigen Minister, leitet die wöchentlichen Kabinettssitzungen und ernennt die wichtigsten Staatsämter. Der Präsident verkündet die Gesetze, kann den Premierminister entlassen und die Nationalversammlung auflösen. In Krisenzeiten kann er den Notstandsartikel 16 anwenden, der ihm nahezu uneingeschränkte Vollmachten gibt. Das Parlament kann den Präsidenten nur bei schweren Verfehlungen mit Zweidrittelmehrheit absetzen.

Doch schwerer wiegt, dass Sarkozy in seiner Amtszeit nur wenige seiner großen Ankündigungen eingelöst hat. 2007 versprach "Super-Sarko", wie er einst genannt wurde, nichts weniger als eine Erneuerung von Wirtschaft und Gesellschaft, Vollbeschäftigung wollte er bringen. Die bittere Realität ist: Allein in der gingen in den vergangenen fünf Jahren 350.000 Jobs verloren, die Arbeitslosigkeit stieg um zwei Punkte auf zehn Prozent. Mittlerweile  ist in Frankreich fast jeder vierte Jugendliche  arbeitslos und es gibt wenig Hoffnung auf Besserung für die "Generation Prekariat". Die Vorstädte, die sogenannten Banlieues, gelten vielen als vertikale Slums, in denen Bandenkriege, Gewalt und Tuberkulose herrschen. Das Schulsystem ist elitär, die Zahl der Schulabbrecher hoch.

Statt wie versprochen die Schulden auf die Maastrichtgrenze von 60 Prozent zu drücken, stieg der öffentliche Schuldenstand um gut 21 Prozentpunkte  und liegt nun bei über 85 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Und dann kam noch Anfang Januar die Hiobsbotschaft, als die Ratingagentur Standard & Poor's Frankreichs Kreditwürdigkeit von AAA auf AA herabstufte. Sarkozy glich einem begossenen Pudel. Eine Erfolgsbilanz sieht anders aus.

Selbst wenn in Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise nicht jeder Missstand Sarkozys Regierungsführung angelastet werden, so gilt doch die alte Regel: "In wirtschaftlich schlechten Zeiten wird dann halt gerne die Regierung im Amt zur Verantwortung gezogen", so Mairesse. Da hilft es auch nichts, dass sich Sarkozy zuletzt massiv um eine Haushaltskonsolidierung bemühte und das Rentenalter auf 62 heraufsetze - viele Einsichten kamen schlicht zu spät.

Populisten fischen an den Rändern

Marine Le Pen setzt wieder auf die nationalistische Karte.

Marine Le Pen setzt wieder auf die nationalistische Karte.

(Foto: dpa)

Vom "leidenden Frankreich", wie es der Publizist Alfred  Grosser nennt, profitieren Sarkozys neun Herausforderer. Besonders die Populisten kommen gut an. Marine Le Pen von der Front National fischt ausgiebig am rechten Rand, den Sarkozy trotz kantiger Sprüchen zur Zuwanderung nicht von sich überzeugen kann, Jean-Luc Mélenchon zieht im ganz linken Spektrum die Wähler an. Beide sind die Nutznießer eines "breiten Unbehagens gegenüber der Globalisierung und einer scharfen Kritik am Finanzkapitalismus, die beide als Fremdbestimmung  empfunden werden", so Mairesse. Am Sonntag können sie jeweils mit rund 15 Prozent der Stimmen rechnen.

Und noch einer setzt erfolgreich auf die Anti-Kapitalismus-Karte: der lange so blass wirkende Hollande, einst wegen seiner Leibesfülle als "Pudding" verspottet. "Mein echter Feind hat keinen Namen, kein Gesicht, keine Partei und doch regiert er, es ist die Finanzwelt", verkündete der gefährlichste Herausforderer Sarkozys in einer umjubelten Wahlkampfrede. Solche Sprüche kommen bei vielen Franzosen gut an, ebenso wie sein 60-Punkte-Programm für Arbeit, Bildung und Jugend und eine geplante Reichensteuer von 75 Prozent.

Holland könnte vor allem von der Unbeliebtheit Sarkozys profitieren.

Holland könnte vor allem von der Unbeliebtheit Sarkozys profitieren.

(Foto: REUTERS)

In der Bundesregierung verfolgt man dagegen die Äußerungen des Sozialisten mit Sorge. Besonders Hollandes Forderung, den Fiskalpakt neu zu verhandeln, stieß auf Empörung. "Ich glaube, dass ein Sieg von Hollande keine Erleichterung der europäischen Entwicklung für eine Stabilitätsunion wäre, mit der Vorstellung, 75 Prozent Steuersatz und Fiskalpakt wieder infrage zu stellen. Das ist ein gefährliches Spiel", warnte etwa FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle. Dabei relativierte Hollande seine Äußerungen inzwischen und fordert nunmehr lediglich eine "Ergänzung" des Pakts um eine Wachstums- und Beschäftigungsstrategie.

Mairesse hält die Angst vor Hollande für unbegründet. Letztlich seien Wahlkampf und die Wahlkampfparolen mit Vorsicht zu genießen. So ist wohl auch die Furcht vor einem sozialistischen Totalumbau Frankreichs überzogen. Spätestens nach einer möglichen Wahl, so vermutet es Daniela Schwarzer von der Stiftung Wissenschaft und Politik, dürfte Hollande einige Forderungen, die weit nach links orientierte Wähler ansprechen, fallen lassen. Schon jetzt verspricht Hollande, im nächsten Jahr das Staatsdefizit auf drei Prozent zu senken und 2017 einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. Da unterscheidet er sich wenig von Sarkozy, der das Jahr 2016 anpeilt.

Paris wird fordernder

Das ungleiche Paar: Merkozy bei einem von vielen Treffen.

Das ungleiche Paar: Merkozy bei einem von vielen Treffen.

(Foto: REUTERS)

Grundsätzliche Änderungen für Europa und die deutsch-europäische Achse erwartet Mairesse in Zukunft nicht, auch wenn sich Kanzlerin Angela Merkel wohl etwas umstellen muss. "Sicher wird ein neuer Präsident in Frankreich, gleich ob Hollande oder Sarkozy, fordernder gegenüber Europa auftreten", so  Mairesse. Auch Sarkozy kann nach einem Wahlsieg unbequemer für die Kanzlerin werden. Schon im Wahlkampf lief nicht mehr alles ganz nach Plan. Hatte Sarkozy erst noch auf die der Bundeskanzlerin gesetzt und gehofft, mit ihr punkten zu können, nahm er bald davon Abstand, als er merkte, dass die Rechnung nicht aufging. Der Wahlkampf sei "Sache der Franzosen", ließ er plötzlich wissen. Und erst kürzlich brüskierte Sarkozy die Bundesregierung, indem er forderte, die Europäische Zentralbank zur Stärkung des Wachstums in Europa einzusetzen.

Letztlich sind die Chefs der größten beiden Volkswirtschaften der Eurozone aber zum Konsens verdammt. "Sie haben gar keine Wahl", glaubt Mairesse. Auch Hollande werde kein Interesse daran haben, dass es beim Fiskalpakt zu einer Blockadesituation komme.

Das Verhältnis der Kanzlerin zu einem möglichen Wahlsieger Hollande wird sich vermutlich schnell einpendeln. Zwar hatte Merkel es im Wahlkampf abgelehnt, den Sozialisten zu empfangen. Doch auf Arbeitsebene gab es bereits Kontakte und letztlich zeigt sich Merkel vor allem pragmatisch. Regierungssprecher Steffen Seibert betonte immer wieder, dass Merkel mit jedem französischen Präsidenten gut zusammenarbeiten werde. Ähnlich klingt auch Hollande: "Europa ist in seiner harten Krise auf das deutsch-französische Paar angewiesen", sagte er erst kürzlich dem "Handelsblatt". Und er kündigte an: "Mein erster Besuch wird mich nach Deutschland führen. " Dies hatte Sarkozy ihm nach seinem Wahlsieg 2007 bereits vorgemacht.

Bei einer solchen Deutschlandreise könnte es noch zu einigem Fremdeln zwischen der Kanzlerin und Hollande kommen. Aber mit Sarkozy war Merkel auch eine geraume Zeitlang nicht auf eine Wellenlänge. Diesmal immerhin könnte die Annäherung wesentlich schneller funktionieren. So ist der Druck durch die angespannte Lage auf den Finanzmärkten zu groß, als dass sich Frankreichs Präsident und die Kanzlerin viel Zeit lassen könnten. Nicht zuletzt passen vom Temperament her der sachliche Hollande und Merkel wohl gar nicht so schlecht zusammen. Da macht es dann auch nichts, wenn ihre Umarmungen nicht ganz so innig ausfallen.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen