Ägypten dankt für das "Angebot" Berlin reagiert unwirsch
09.02.2011, 21:57 Uhr
Mubarak will nicht kommen. Sollte er auch gar nicht.
(Foto: dpa)
Der Dank von Viizepräsidenten Suleiman an Deutschland für das "Angebot", den unter Druck stehenden Präsidenten Mubarak in einer Klinik aufzunehmen, zwingt der Bundesregierung ein striktes Dementi auf: Es gibt weder Anfrage noch Angebot, weder offiziell noch inoffiziell. Die USA äußern sich weiter unzufrieden mit den Zugeständnissen der Regierung an die Demonstranten- Ägypten reagiert verärgert.
Die Bundesregierung hat angebliche Pläne für einen Klinikaufenthalt des ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak in Deutschland strikt dementiert. "Nicht nur hat es keinerlei offizielle oder inoffizielle Anfragen bei der Bundesregierung gegeben in dieser Sache. Es hat auch keinerlei offizielle oder nicht offizielle Angebote gegeben", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin.
Ein Sprecher des Auswärtigen Amts ergänzte, es habe auch keine Gespräche mit deutschen Kliniken zur Aufnahme von Mubarak gegeben.
Äußerungen des ägyptischen Vizepräsidenten Omar Suleiman hatten neue Spekulationen über Pläne zur Ausreise des von täglichen Demonstrationen in Kairo bedrängten Mubarak nach Deutschland ausgelöst. Suleiman sprach dabei von einem Angebot von Bundeskanzlerin Angela Merkel. "Wir danken Frau Merkel für dieses Angebot. Wir haben diese Einladung nicht angenommen, die wir als eine massive Einmischung in unsere inneren Angelegenheiten betrachten", sagte der Vizepräsident auf die Frage eines Journalisten, was er zur Einladung Merkels zu einem Krankenhausaufenthalt Mubaraks in Deutschland meine. Der Präsident "braucht keine medizinische Behandlung".
Die "New York Times" hatte berichtet, die US-Regierung sowie hohe ägyptische Vertreter überlegten, Mubarak einen "verlängerten" Aufenthalt zur ärztlichen Behandlung in Deutschland vorzuschlagen. Daraufhin war spekuliert worden, dass der Abgang des politisch angeschlagenen Präsidenten dadurch beschleunigt werden könnte. Der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok hatte verlangt, dass die Bundesregierung dem 82-jährigen Staatschef "diskret signalisieren" solle, dass er nach Deutschland kommen könne, wenn er dies wünsche. Mubarak war im März des Vorjahres in der Universitätsklinik Heidelberg an der Gallenblase operiert worden.
Mit einem Krankenhausaufenthalt im Ausland hätte dem geschwächten Präsidenten ein vorzeitiger Abgang in Würde ermöglicht werden können. Derzeit beharrt Mubarak aber darauf, erst nach der nächsten regulären Präsidentschaftswahl in diesem September aus dem Amt zu scheiden.
Ägypten verärgert über Druck aus den USA

Die Proteste in Ägypten halten an: Hunderttausende gehen gegen das Regime auf die Straße.
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Inzwischen beklagt sich die ägyptische Führung über zu viel Druck seitens der USA auf sein Land. "Wenn man einem großen Land wie Ägypten Forderungen nach sofortigen Reformen stellt, dann drückt man ihm seinen Willen auf", sagte Außenminister Ahmed Abdul Gheit in einem Interview des US-Senders PBS. Dies wiege umso schwerer, da Ägypten ein "guter Freund" der USA sei, der immer "die beste aller Beziehungen" aufrechterhalten habe, kritisierte Gheit weiter. An die US-Regierung gerichtet sagte er: "Haben Sie mehr Verständnis für Ägyptens Sensibilität."
Gheit unterstrich in dem Interview, dass der politische Wandel in Ägypten bereits begonnen habe und Schritt für Schritt umgesetzt werde. "Und dann kommen die Amerikaner und sagen: Wandel jetzt! Dabei verändern wir uns doch schon." Der Minister räumte ein, dass er zu Beginn der Proteste in Ägypten "oftmals verärgert" über die Reaktionen aus Washington gewesen sei. Seine Regierung habe den USA aber klar gemacht, was auf dem Spiel stehe.
USA sind unzufrieden

Demonstranten kampieren auf dem Tahrir-Platz.
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Ungeachtet dessen sind die USA weiter unzufrieden mit den Zugeständnissen der ägyptischen Regierung an die Demonstranten. Es sei klar, dass die bisherigen Schritte Kairos "erst noch die Minimalforderungen des ägyptischen Volkes erfüllen müssen", sagte Regierungssprecher Robert Gibbs. Er verwies auf ein Telefonat von US-Vizepräsident Joe Biden mit seinem Kollegen Omar Suleiman, in dem Washington klargemacht habe, dass "ein ordentlicher Übergang jetzt zu beginnen hat und ohne Verzögerungen unmittelbare und unumkehrbare Fortschritte hervorbringen muss".
Biden hatte in dem Telefonat gefordert, der seit 1981 geltende Ausnahmezustand müsse "sofort" aufgehoben werden. Suleiman warnte dagegen vor "überhasteten Schritten", die zu "Chaos" führen würden.
US-Verteidigungsminister Robert Gates betonte, es sei nun entscheidend, dass der demokratische Übergang geordnet verlaufe. Die Führung in Kairo müsse vorangehen und ihre Versprechen einhalten. Zugleich lobte Gates die Rolle der ägyptischen Armee, die sich mit ihrer "großen Zurückhaltung" während der Unruhen in den vergangenen Tagen "beispielhaft" verhalten habe.
Westerwelle stimmt mit ein
Auch die Bundesregierung hat die ägyptische Führung aufgefordert, den Ausnahmezustand aufzuheben. Die Regierung in Kairo müsse ihren Worten nun Taten folgen lassen und den versprochenen Wandel auch einleiten, sagte Außenminister Guido Westerwelle. "Die Ankündigungen zählen wenig, sondern es zählen ausschließlich die Taten."
Konkret forderte er die Aufhebung des Ausnahmezustandes und ein Ende der offenen sowie verdeckten Einschüchterungen von Demonstranten und Journalisten. Außerdem verlangte Westerwelle die Freilassung aller politischen Gefangenen und die unverzügliche Umsetzung der angekündigten Verfassungsreform.
Warnung vor "zivilem Ungehorsam"
In Ägypten gehen die Proteste gegen das alte Regime von Mubarak derweil weiter und reichen erstmals bis vor das Parlament. Mehrere hundert Menschen demonstrierten vor der unweit des Tahrir-Platzes gelegenen Volksvertretung. Für Freitag kündigten die Demonstranten eine weitere Grundkundgebung an. Die Regierungsgegner fordern seit dem 25. Januar den sofortigen Rücktritt Mubaraks und die Auflösung des Parlaments.

Für die Demonstranten ist die Zeit Mubaraks abgelaufen - jetzt.
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Suleiman hatte am Sonntag den Dialog mit der Opposition begonnen, darunter auch mit Vertretern der Muslimbrüder. Die jungen Demonstranten auf dem Tahrir-Platz in Kairo, die wieder zu hunderttausenden den sofortigen Rücktritt von Präsident Husni Mubarak forderten, fühlen sich jedoch ausgeschlossen von den Gesprächen. Suleiman versicherte, die Regierung werde weiterhin mit den politischen Gruppen und auch jungen Demonstranten reden. Es werde aber weder "ein Ende des Regimes noch einen Staatsstreich geben, denn das würde Chaos bedeuten". Der Vizepräsident warnte ferner vor Aufrufen zum zivilen Ungehorsam; diese würden nicht toleriert werden.
UN mahnen Regierung
Auch die vereinten Nationen drücken bei den Reformen in dem Mittelmeer-Anrainer aufs Tempo. Der Wandel in Ägypten müsse kommen, "je früher, desto besser", sagte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon nach einer Unterredung im Sicherheitsrat in New York. Die Regierung in Kairo müsse alles für eine "geregelte und friedliche Umwandlung" tun.
Zugleich wies er arabische Kritik zurück, er würde sich in innere Angelegenheiten einmischen. "Ich habe lediglich gesagt, dass die Regierungspolitiker mehr auf die wahren Wünsche ihres Volkes achten müssen und dass sich da etwas ändern muss."

Ein Demonstrant im Zentrum Kairos.
(Foto: REUTERS)
Ban sagte, die Demonstranten in Kairo würden mit ihren inzwischen 15-tägigen Protesten ihre "deutliche Enttäuschung" ausdrücken. Die Regierung in Kairo solle auf ihre "berechtigten Forderungen" hören. Zugleich nahm er aber den seit 30 Jahren herrschenden Staatspräsidenten in Schutz. Husni Mubarak habe eine entscheidende Rolle im Friedensprozess des Nahen Ostens gespielt. Ägyptens strategische Rolle in der Region müsse unangetastet bleiben.
Mubarak schlägt seit rund zwei Wochen die größte Protestwelle seiner 30-jährigen Amtszeit entgegen. Der Staatschef hat bereits seinen Verzicht auf eine weitere Amtszeit erklärt, die Regierung umgebildet und einen Dialog mit der Opposition gestartet. Am Dienstag setzte er eine Kommission zur Überarbeitung der Verfassung ein und ordnete eine Untersuchung der Gewalt an, bei der nach Angaben von Menschenrechtlern rund 300 Menschen getötet wurden.
Wieder Tote und Verletzte
Wie jetzt aus der Mitte des Landes bekannt wurde, sind bei Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei in der Oasenstadt El Chargo 400 Kilometer südlich von Kairo in den vergangenen zwei Tagen mindestens fünf Menschen getötet und mehr als hundert verletzt worden. Nach den Informationen aus Sicherheitskreisen schoss die Polizei mit scharfer Munition auf die Menge. Die Demonstranten setzten daraufhin sieben staatliche Einrichtungen in Brand, darunter Polizeiwachen, ein Gerichtsgebäude und die örtliche Zentrale von Mubaraks Regierungspartei.
Al-Kaida ruft zum Dschihad auf
Der irakische Ableger von Al-Kaida hat die Demonstranten in Ägypten zum Heiligen Krieg aufgerufen. In einer Erklärung des Islamischen Staats im Irak, die auf mehreren Websites im Internet veröffentlicht wurde, seien die Ägypter zudem aufgefordert worden, eine Regierung auf Grundlage der Scharia einzusetzen. Die "Türen des Märtyrertums" seien geöffnet, jeder Mann, der dazu fähig sei, müsse sich beteiligen.
In Ägypten sind nach Angaben der Regierung während der Proteste auch Mitglieder der radikal-islamischen Al-Kaida aus den Gefängnissen freigekommen. Viele dieser Männer seien noch immer der Überzeugung, gottlose Staaten mit Gewalt bekämpfen zu müssen, sagte Vize-Präsident Omar Suleiman. "Das ist eine große Bedrohung. Wir müssen uns sehr anstrengen, sie wieder ins Gefängnis zurückzubekommen. Diese Extremisten sind nun in Freiheit, während die Polizei unter einem Motivationsdefizit leidet."
Es ist bekannt, dass unter den Geflüchteten ein Mitglied der radikal-schiitischen Hisbollah-Bewegung aus dem Libanon war. Dem Mann wurde vorgeworfen, Anschläge in Ägypten vorbereitet zu haben. Die Hisbollah erklärte, er habe über die Sinai-Halbinsel Waffen in den palästinensischen Gazastreifen geschmuggelt. Aus Ägypten stammen einige der bekanntesten Al-Kaida-Mitglieder, darunter Mohammed Atta, der die Attentäter vom 11. September 2001 anführte.
Quelle: ntv.de, hdr/fma/AFP/dpa/rts