Syrien am Pranger der UN Botschafter stürmt aus dem Saal
28.02.2012, 19:23 Uhr
Der UN-Botschafter Syriens Faisal Chabbas Hamui.
(Foto: AP)
In Syrien wird unvermindert gekämpft, Dutzende Menschen sind auch nach dem Verfassungsreferendum am Wochenende ums Leben gekommen. Derweil lässt die UNO einen neuen zahnlosen Tiger auf das Assad-Regime los. Der Menschenrechtsrat soll die Gewalt verurteilen. Bei den Beratungen in Genf kommt es aber zum Eklat.
Bei den Beratungen des UN-Menschenrechtsrats zu Syrien ist es zum offenen Bruch gekommen. Aus Protest gegen die Rolle des Auslands in dem Konflikt hat der UN-Botschafter Syriens die Debatte verlassen. Die Staaten müssten aufhören, religiöse Konflikte in Syrien anzustacheln und Waffen an die Opposition zu liefern, rief Botschafter Faisal Chabbas Hamui, bevor er aus dem Saal stürmte. Die von einigen Ländern gegen das syrische Volk verhängten "ungerechten und einseitigen Sanktionen" verhinderten, dass Medikamente und Brennstoffe gekauft werden könnten, kritisierte der Botschafter.
Eine Abstimmung über eine mögliche Resolution wurde zunächst vertagt. Als Grund wurde genannt, dass weit mehr Staaten als erwartet vor dem Votum noch Stellungnahmen abgeben wollen. An einer Verurteilung des Assad-Regimes wegen dessen Angriffen auf die eigene Bevölkerung durch die große Mehrheit der Mitgliedsländer bestehe aber kein Zweifel, hieß es.
Die Sondersitzung über die Lage in Syrien hatten Golfstaaten und die Türkei beantragt. Sie wurden dabei von westlichen Staaten unterstützt. So hat sich auch Deutschland als Koautor einer UN-Resolution zur Verurteilung des Assad-Regimes durch das Gremium angeschlossen.
Russland schert erneut aus
Angesichts fortwährender Angriffe der syrischen Streitkräfte auf die Bevölkerung von Städten, die als Protesthochburgen gelten, soll die Regierung in Damaskus laut Resolutionstext "scharf verurteilt" werden. Es wird dabei auch verwiesen auf willkürliche Hinrichtungen, Tötung von Demonstranten, Folter und sexuelle Gewalt durch Regierungstruppen. Zugleich soll das Assad-Regime aufgefordert werden, alle Angriffe auf Zivilisten einzustellen und humanitäre Hilfe für Notleidende zu ermöglichen.
Russland hat schon vor der Debatte seine Ablehnung einer weiteren Syrien-Resolution durch die UN erklärt. Damaskus wurde bereits durch die UN-Vollversammlung in einer mit großer Mehrheit angenommenen Resolution verurteilt. Bemühungen um eine völkerrechtlich bindende Resolution UN-Sicherheitsrat waren allerdings am Veto Russlands und Chinas gescheitert.
Zahlreiche Opfer bei Artillerie-Angriff
In Syrien selbst geht derweil das Töten weiter. Syrische Regierungstruppen sollen laut Aktivisten mehr als 40 Menschen getötet haben. Den Angaben zufolge griff die Armee die Ortschaft Halfaja nordwestlich der Stadt Hama mit Artillerie an. Mindestens 20 Menschen seien dabei ums Leben gekommen. Zahlreiche Opfer lägen noch unter den Trümmern ihrer Häuser.
Elf Tote soll es in dem seit mehr als drei Wochen belagerten Stadtteil Baba Amro in Homs gegeben haben. Sechs Angehörige einer Familie seien bei einer Razzia in Homs ermordet worden: Ein Mann und seine Ehefrau, drei Töchter und ein Sohn. Der in Homs verwundete britische Journalist Paul Conroy konnte inzwischen außer Landes geschmuggelt werden.
Etwa 30 Studenten wurden laut Aktivisten in der Universität von Damaskus festgenommen. Vor der Universität von Aleppo hätten die Truppen des Regimes auf Studenten geschossen, die den Sturz des Regimes und die Hinrichtung von Präsident Baschar al-Assad gefordert hätten.
Verfassung tritt in Kraft
Die Organisation Syrischer Menschenrechtsbeobachter meldete, fünf Soldaten seien bei einem Gefecht mit einem Trupp von Deserteuren in Dael in der Provinz Daraa getötet worden. Drei weitere Soldaten und mehrere Deserteure hätten Verletzungen erlitten. Ein Angriff der Armee wurde aus der Ortschaft Dschabal al-Sawija in der Provinz Idlib gemeldet, in der sich viele Deserteure aufhalten.
Die staatliche Nachrichtenagentur Sana meldete, am Vortag seien 16 Angehörige der Armee und der Sicherheitsbehörden zu Grabe getragen worden. Diese seien von "bewaffneten Terrorbanden" getötet worden. Alleine aus Homs meldeten Menschrechtsaktivisten am Montag 135 Tote. Wegen der Medienblockade durch das Regime lassen sich viele Angaben zur Gewalt in Syrien nicht überprüfen. Nach Angaben der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton sind in Syrien seit Beginn der Unruhen bereits mehr als 8300 Menschen getötet worden.
Laut einem Bericht der Agentur Sana ist die neue Verfassung, über die am Sonntag abgestimmt wurde, bereits in Kraft getreten. Sie beendet die verfassungsrechtlich verankerte Vormachtstellung der seit Jahrzehnten regierenden Baath-Partei.
Quelle: ntv.de, rts/dpa