Die Raus-aus-Europa-Partei Britische Ukip erzielt Achtungserfolg
14.02.2014, 11:09 UhrDrei Monate vor der Europawahl zeigt die rechtspopulistische Ukip, dass sie die neue dritte Kraft in Großbritannien werden könnte. Noch will die Spitze der deutschen AfD von Ukip nichts wissen. Das könnte sich ändern.
Bei einer Nachwahl in Nordengland hat die United Kingdom Independence Party, kurz: Ukip, einen Achtungserfolg erzielt. Der Kandidat der Anti-Europa-Partei wurde zweiter - hinter dem Labour-Kandidaten, vor dem Konservativen und dem Liberaldemokraten.
Das britische Mehrheitswahlsystem kennt nur Gewinner, insofern ist Platz zwei eigentlich wertlos. Doch die Tendenz ist klar. Vor vier Jahren war Ukip im Wahlkreis Wythenshawe and Sale East am Rande von Manchester noch abgeschlagen auf dem vierten Platz gelandet. Insgeheim dürfte Ukip-Chef Nigel Farage für die Nachwahl, die wegen des Todes des örtlichen Abgeordneten nötig geworden war, zwar auf ein besseres Ergebnis gehofft haben. Allerdings ist der Wahlausgang ein Hinweis darauf, dass sein Ziel durchaus erreichbar ist. Farage will die Liberaldemokraten als dritte Kraft ablösen.
Es ist das sechste Mal seit 2010, dass Ukip bei einer Nachwahl zum Unterhaus auf Platz zwei kommt. Gegründet wurde Ukip bereits Anfang der neunziger Jahre. Einen Sitz im Unterhaus hatte die Partei noch nie, im Europaparlament ist sie seit 1999 vertreten. Für die Europawahl im Mai kann Ukip mit einem deutlichen Stimmenzuwachs rechnen - selbst ein erster Platz vor Labour und den Konservativen gilt als möglich, auch wenn es in den Umfragen zuletzt wieder ein bisschen nach unten ging.
Farage kann durchaus zufrieden sein
Entsprechend euphorisch gab sich Ukip-Chef Farage nach der Wahl in Wythenshawe and Sale East. Er sei "entzückt" und mit den erreichten 18 Prozent "sehr zufrieden". Natürlich sagen Politiker so etwas immer nach einer Wahl, aber es gibt Hinweise darauf, dass Farage durchaus Anlass zur Freude hat.
In der Regel spricht Ukip eher unzufriedene Wähler aus der Arbeiterklasse an; ein wenig zugespitzt nennen die Politologen Robert Ford und Matthew Goodwin Ukip "Britain's most working class party", also die britische Partei, deren Anhänger zum größten Teil aus Arbeitern besteht - und nicht, wie häufig behauptet wird, aus "mürrischen alten Konservativen". Auf den ersten Blick hätte Ukip bei der Nachwahl also besser abschneiden müssen: Wythenshawe ist eine klassische Arbeitersiedlung.
Sale allerdings ist ein vergleichsweise wohlhabender Vorort von Manchester, wo man eher konservativ wählt. In ihrem Blog "Ukip Watch" nennen Ford und Goodwin weitere Gründe, die in dieser konkreten Nachwahl gegen Ukip standen. So habe es im Wahlkreis keinen politischen Skandal gegeben, von dem Ukip profitieren konnte. Der verstorbene Labour-Politiker sei allgemein respektiert gewesen, sein Nachfolger habe lokale Wurzeln und sei ebenfalls populär. Wähler aus der Arbeiterschaft hätten daher in dieser konkreten Situation keinen Grund gehabt, sich von Labour abzuwenden. Mit Blick auf die Unterhauswahlen 2015 schreiben die Politologen, es gebe "viele andere Wahlkreise , wo Ukip unter günstigeren demografischen Bedingungen und gegen eine weniger beliebte örtliche Labour-Partei antritt". Farage kann also wirklich zufrieden sein.
Ukip will "Walter Mittys" loswerden
Für Ukip kommt es nun in mehrfacher Hinsicht darauf an, wählbar zu werden. Zum einen taktisch: Wähler müssen das Gefühl haben, dass eine Stimme für Ukip nicht verschenkt ist, dass ein Sieg in einem Wahlkreis also zumindest theoretisch möglich ist. Und inhaltlich: Wie in allen rechtspopulistischen Parteien tummeln sich auch bei Ukip die üblichen Querulanten. Farage ist dabei, sowohl diese Personen als auch ihre Inhalte aus der Partei zu drängen. Der "Times" sagte Farage, die Partei müsse professioneller werden. Er sprach von den "Walter Mittys", von denen man sich trennen werde.
Jeder in Großbritannien wusste, wovon Farage sprach: Ein Parteifreund von ihm, David Silvester, Ukip-Kandidat für die Europawahl, hatte zuvor gesagt, die Überschwemmungen in England seien eine Strafe Gottes für die Gleichstellung der Homo-Ehe durch die Regierung. Offizielle Ukip-Position ist bislang, dass es keinen von Menschen beeinflussten Klimawandel gibt.
Parteiprogramm? "486 Seiten Gefasel"
Es sind nicht nur Verrückte wie Silvester, die Farage loswerden will. Das gesamte Parteiprogramm von 2010 hat er bereits über Bord geworfen. Darin enthalten waren alle möglichen Forderungen wie die nach einer Uniform für Taxifahrer. Als Farage in einer Talkshow auf dieses politische Ziel angesprochen wurde, gab er sich überrascht. Davon habe er noch nie gehört. Einem britischen Radiosender sagte Farage, er habe das Programm (dessen Vorwort seine Unterschrift trägt) überhaupt nicht gelesen. "Das war Gefasel, 486 Seiten Gefasel ... Das war alles Unsinn. Wir haben das hinter uns gelassen".
Angesichts dieser Sprunghaftigkeit geht AfD-Chef Bernd Lucke bislang auf Distanz zu Farage. Beim Parteitag in Aschaffenburg war die Frage, ob die AfD im Europaparlament mit Ukip eine Fraktion bilden solle, mehrfach ein Thema. Lucke sagte dazu, in Bezug auf Zuwanderung schlage Ukip einen Ton an, "der mir nicht behagt", der "zu stark aufputschend" wirke. Außerdem störe ihn an Ukip, dass die Partei aus der EU austreten will. "Ich möchte nicht, dass Großbritannien aus der Europäischen Union ausscheidet", so Lucke, der im Europaparlament lieber mit den britischen Konservativen eine Fraktion bilden würde.
Farage traf AfD-Politiker bereits
Anders als Ukip fordert die AfD zwar den Euro-Austritt, nicht jedoch den Austritt aus der EU. Dennoch sind die Parallelen zwischen AfD und Ukip unübersehbar. Gemeinsam ist beiden Parteien eine gewisse Anti-Haltung: gegen die EU (zumindest in ihrer aktuellen Form), gegen die etablierte Politik (was auch immer darunter verstanden wird) und ganz allgemein gegen jede "politische Korrektheit". Beide Parteien greifen ein diffuses Unbehagen vieler Wähler auf.
Und so gibt es in der AfD durchaus Kräfte, die starke Gemeinsamkeiten mit Ukip sehen. Ende Januar verriet Farage, dass er sich bereits zwei Mal mit Landesvorsitzenden der deutschen Partei getroffen habe. Die Gespräche seien sehr produktiv gewesen.
Quelle: ntv.de