Steinigungen müssen warten Brunei verschiebt Scharia-Verschärfung
22.04.2014, 12:22 Uhr
Sultan Hassanal Bolkiah gilt als einer der reichsten Männer der Welt.
(Foto: picture alliance / dpa)
Eigentlich sollten ab heute Steinigungen bei Ehebruch und Amputationen bei Diebstahl im Sultanat Brunei Gesetz werden. Doch die international kritisierte Verschärfung der Scharia verzögert sich wegen "unvermeidbarer Umstände".

Das ölreiche Sultanat liegt neben Teilen der Staaten Malaysia und Indoniesen auf der Insel Borneo in Südostasien.
Im Sultanat Brunei ist die umstrittene Einführung einer rigideren Auslegung des islamischen Strafrechts Scharia verschoben worden. Die neuen Gesetzlage, die unter anderem Steinigung bei Ehebruch und eine Handamputation bei Diebstahl vorsieht, verzögere sich wegen "unvermeidbarer Umstände", wie die stellvertretende Chefin der Islamischen Rechtsbehörde, Dschaujah Saini, der Zeitung "Brunei Times" sagte. Einzelheiten oder einen neuen Termin nannte sie nicht. Eigentlich hätte das Scharia-Strafrecht in dem ostasiatischen Staat heute eingeführt werden sollen. Saini sagte, die Einführung sei nun "in allernächster Zukunft" geplant.
Beobachter vermuten, dass ein Besuch des seit 1967 regierenden Sultans Hassanal Bolkiah in Singapur der Grund für den Aufschub sein könnte. Demnach will die Regierung möglicherweise warten, bis der absolutistisch herrschende Monarch in sein ölreiches Königreich zurückkehrt.
Bruneis führender islamischer Gelehrter, Mufti Awang Abdul Aziz, nannte die Scharia "garantierte Gerechtigkeit für alle". Strafen, wie etwa das Auspeitschen bei Alkoholkonsum, gelten damit auch für Touristen. Diese hätten jedoch nichts zu befürchten, solange sie sich an das Gesetz hielten.
Bisher zweigleisiges Rechtssystem
Bolkiah, dessen Familie als eine der reichsten der Welt gilt und den gut 400.000 Einwohner zählenden Zwergstaat seit sechs Jahrhunderten streng autoritär führt, hatte die Einführung des Scharia-Strafrechts im Oktober angekündigt. Wie der Monarch, dessen Vermögen auf 15 Milliarden Dollar geschätzt wird, im Oktober lokalen Medien sagte, sei die Schariah "Teil der großartigen Geschichte unserer Nation". "Wegen unseres Bedürfnisses hat Allah der Allmächtige, in all seiner Großzügigkeit, Gesetze für uns erlassen, die wir zur Erlangung von Gerechtigkeit nutzen können", wird der 67-Jährige zitiert.
Menschenrechtsorganisationen übten scharfe Kritik. Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte zeigte sich Anfang April "zutiefst besorgt". Aber auch in der Bevölkerung, die zu zwei Dritteln aus Muslimen besteht und den König traditionell als unanfechtbare Autorität akzeptiert, gab es Kritik.
Verglichen mit seinen muslimischen Nachbarstaaten Indonesien und Malaysia wird der Islam in Brunei schon seit langem deutlich konservativer ausgelegt. Das Rechtssystem Bruneis ist bislang zweigleisig: Es verbindet seit seiner Kolonialvergangenheit eine zivilrechtliche Gerichtsbarkeit nach britischem Vorbild mit einer Scharia-Rechtsprechung für niedere Rechtsfragen wie Erbfälle und eheliche Angelegenheiten. Bis zum Jahr 1984 war Brunei britisches Protektorat. Die Scharia soll nun schrittweise auch auf andere Rechtsbereiche ausgeweitet werden und auf Muslime sowie nicht-Muslime gleichermaßen Anwendung finden.
Quelle: ntv.de, bwe/AFP/dpa