Seenotrettung im Mittelmeer Bundeswehr könnte drei Schiffe entsenden
23.04.2015, 12:09 UhrEs soll um Geld gehen und um Militäreinsätze gegen Schleuser: In Brüssel sucht die EU nach Wegen, weitere Flüchtlingskatastrophen zu verhindern. Die Seenotrettung steht dabei im Mittelpunkt. Die Bundeswehr könnte sich daran beteiligen - auch kurzfristig.
Die deutsche Marine könnte innerhalb kürzester Zeit drei Schiffe für den Ausbau der Seenotrettungskapazitäten im Mittelmeer bereitstellen. Wie die Deutsche Presse-Agentur aus Bundeswehrkreisen erfuhr, gibt es das Angebot, den Einsatzgruppenversorger "Berlin" sowie die Fregatten "Karlsruhe" und "Hessen" auf den Weg in Richtung Italien zu schicken.
Die Schiffe mit mehr als 600 Soldaten an Bord sind derzeit im Rahmen der Anti-Piraterie-Operation Atalanta am Horn von Afrika unterwegs. Sie könnten innerhalb von fünf Tagen am Ort des Geschehens sein, hieß es.
Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums bestätige die Bereitschaft der Bundeswehr, sich am Ausbau der aktuellen EU-Operation im Mittelmeer zu beteiligen. Auf Details wollte er allerdings nicht eingehen. "Die Frage, ob und in welcher Weise ein Verband zum Einsatz kommt, muss politisch entschieden werden", hieß es. Grundsätzlich verfüge die Marine über sehr gute Fähigkeiten zur Seenotrettung, insbesondere mit dem Einsatz- und Ausbildungsverband.
Der Einsatzgruppenversorger "Berlin" sowie die Fregatten "Karlsruhe" und "Hessen" sind derzeit Teil dieses Verbandes. Sollte es einen Einsatzbefehl geben, könnte die "Berlin" sogar als schwimmendes Krankenhaus dienen. Sie hat ein aus mehr als zwei Dutzend Spezialcontainern bestehendes Rettungszentrum an Bord. Medizinisches Personal könnte kurzfristig eingeflogen werden, hieß es aus Bundeswehrkreisen.
Tripolis warnt vor Militäreinsatz
Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union beraten heute auf einem Sondergipfel in Brüssel über Hilfsmaßnahmen nach den Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer. So soll etwa eine Erhöhung der Mittel für die Seenotrettung auf den Weg gebracht werden. Auch ein neues Programm nach dem Vorbild des eingestellten italienischen Militäreinsatzes "Mare Nostrum" könnte aufgesetzt werden. Zudem sind Militäreinsätze gegen Schlepper-Schiffe im Gespräch.

Auf Malta wurden 24 Opfer der Flüchtlingskatastrophe vom Wochenende bei einer Trauerfeier beigesetzt. Insgesamt sollen dabei 800 Menschen ums Leben gekommen sein.
(Foto: AP)
Die international nicht anerkannte libysche Parallel-Regierung in Tripolis warnte die EU vor möglichen Militäreinsätzen vor den Küsten des Landes. "Man kann nicht einfach entscheiden, solche Aktionen durchzuführen, man muss mit uns sprechen", sagte ein Kabinettsmitglied der "Times of Malta". Bei Luftangriffen oder anderen militärischen Aktionen könnten sehr leicht unschuldige Menschen getötet werden, sagte er. In Libyen beanspruchen zwei Regierungen die Macht. Schlepperbanden nutzen das Vakuum, um Flüchtlinge in Booten über das Mittelmeer zu schicken.
5000 Flüchtlinge pro Woche erwartet
Unterdessen erreichten erneut zahlreiche Flüchtlinge die italienische Mittelmeerinsel Sizilien. Insgesamt 220 Menschen wurden nach Behördenangaben von einem italienischen Polizeischiff rund 40 Kilometer vor der libyschen Küste aufgegriffen. Sie waren demnach in zwei Schlauchbooten unterwegs. Das Innenministerium in Rom äußerte die Einschätzung, dass bis September wöchentlich etwa 5000 Flüchtlinge Italien erreichen könnten.
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz drängte derweil die Teilnehmer des EU-Gipfels zum Handeln. Die nationalen Regierungen in Europa hätten es seit vielen Jahren nicht geschafft, sich auf gemeinsame Standards zu einigen, kritisierte der SPD-Politiker in der ARD. Das sei eine der Ursachen für die Katastrophen im Mittelmeer.
Schulz plädierte dafür, legale Zugangswege für die Flüchtlinge zu schaffen. Zunächst müsse es einen humanitären Prozess geben. "Das heißt, wir müssen Menschen vor dem Sterben retten", erklärte er. Genauso notwendig sei es, die Grenzen schon vor der afrikanischen Küste zu bewachen. Das sei aber nicht kurzfristig umsetzbar.
Quelle: ntv.de, mli/dpa/AFP