Guttenberg: Eine Armee im Einsatz Bundeswehr vor Umbau
20.01.2010, 19:25 Uhr
Die Bundeswehr müsse auf ihre Aufgaben vorbereitet sein, fordert Guttenberg.
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Verteidigungsminister zu Guttenberg will die Spitzenstruktur der Bundeswehr überprüfen und gegebenfalls umbauen. Schließlich sei die Truppe eine Armee im Einsatz und müsse entsprechend aufgestellt sein. Derweil kritisiert ISAF-General McChrystal die Strategie der Deutschen in Afghanistan und fordert mehr Risiko.
Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg lässt die Führungsstrukturen seines Ministeriums und der Bundeswehr auf Defizite überprüfen. Er habe sein Haus mit einer "schonungslosen Analyse" beauftragt, sagte der CSU-Politiker im Bundestag. "Es wird dabei keine Tabus geben dürfen." Im Anschluss solle eine Kommission aus Fachleuten Vorschläge zu einer "effizienten und einsatzorientierten Spitzenstruktur" erarbeiten. Dazu gehöre auch, sich Gedanken über die Rolle, Funktion und Kompetenz herausgehobener Spitzenpositionen zu machen.
"Mit den bisherigen Strukturen werden wir die Leistungsfähigkeit unserer Bundeswehr auf Dauer schwerlich sicherstellen können", erklärte der Minister. Die Frauen und Männer der Bundeswehr könnten die vorhandenen Schwächen zwar kompensieren. "Aber sie sollen es eben nicht müssen." Er wolle, dass die Bundeswehr für eine "stets erneuerte Kultur der Offenheit und auch des Vertrauens" stehe.

"Ohne Zweifel" eine Armee im Einsatz: Guttenberg im Bundestag.
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Dazu seien auch unkonventionelle Lösungen nötig, betonte Guttenberg. Der Minister erinnerte daran, dass sich die Bundeswehr seit 1992 ununterbrochen im Auslandseinsatz befinde. Sie sei "ohne Zweifel" eine Armee im Einsatz. Die Frage sei, ob sie für ihre Aufgaben richtig aufgestellt und vorbereitet sei.
Kritik an "Aufblähung" des Wehretats
Eine Woche vor der Afghanistan-Konferenz in London forderte Guttenberg zudem eine engere Verknüpfung der Schutz- und Ausbildungsaufgaben der Bundeswehr. Die Aufgaben der Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte und die Schutzfunktion seien "untrennbar verbunden", sagte der Minister. Guttenberg mahnte auch deutlichere Fortschritte beim Aufbau afghanischer Sicherheitsstrukturen an. "Die afghanische Sicherheit braucht ein afghanisches Gesicht", sagte er. Es sei eine "Illusion" zu glauben, dass die internationale Gemeinschaft die Sicherheit in dem Land allein herstellen könne.
In der Aussprache über den Einzelhaushalt Verteidigung kündigte FDP-Fraktionsvize Jürgen Koppelin derweil an, alle Rüstungsprojekte auf den Prüfstand zu stellen. Der verteidigungspolitische Sprecher der Linksfraktion, Paul Schäfer, mahnte eine Rückkehr zu einer "zivil geprägten Außen- und Sicherheitspolitik" an. Die "Aufblähung" des Wehretats auf 31 Milliarden Euro sei vor allem eine Folge des Umbaus der Bundeswehr zur internationalen Interventionsarmee, meinte er. Der haushaltspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Alexander Bonde, sagte, nach wie vor kaufe Deutschland teure und schwere Waffensysteme für Konflikte, die es seit Jahrzehnten nicht mehr gebe.
McChrystal fordert mehr Einsatz
Unterdessen verlangte der Oberbefehlshaber der Internationalen Afghanistan-Schutztruppe (ISAF), Stanley McChrystal, von den Deutschen mehr Risiko in ihrem Einsatzgebiet. Der Norden Afghanistans sei "entscheidend" für die Stabilität des Landes, sagte der US-General der "Bild"-Zeitung. "Die Taliban haben die dortigen Zustände genutzt, um sich auszubreiten. Sie wollen den Eindruck vermitteln, dass ihre Bewegung im ganzen Land aktiv sein kann", betonte McChrystal. Die Soldaten müssten stärker als bisher den Kontakt zur Bevölkerung suchen und dürften sich nicht einigeln.
Guttenberg sagte dazu, er empfinde die Ausführungen nicht als Kritik, sondern als Beschreibung einer Realität, mit der man sich auseinandersetzen müsse. McChrystal sagte weiter, den Aufständischen gehe es darum, die Sicherheitskräfte von der Bevölkerung zu trennen. Sie schafften eine Situation, "dass die Sicherheitskräfte in ihren Feldlagern bleiben, ihre gepanzerten Fahrzeuge nicht mehr verlassen, kaum noch Kontakt zur Bevölkerung haben. Dann mögen die Sicherheitskräfte noch vor Ort sein - aber sie sind irrelevant, wenn die Aufständischen das schaffen, haben sie ihre Mission erfüllt".
US-Truppen unter deutschen Kommando

McChrystal ist unzufrieden mit der deutschen Strategie.
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McChrystal bekräftigte seinen Plan, US-Truppen in den Norden zu schicken, die vor allem bei der Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte helfen sollten. Die Soldaten sollten aber dem dortigen deutschen Regionalkommandeur unterstellt werden. Möglicherweise müssten die westlichen Truppen sogar die Art und Weise ändern, wie sie bisher vorgegangen seien. "Ich bin optimistisch, dass unsere Truppen dabei Fortschritte machen", sagte der Vier-Sterne-General.
Der deutsche ISAF-Regionalkommandeur für Nord-Afghanistan, Brigadekommandeur Frank Leidenberger, hatte zuvor betont, wie gefährlich der Einsatz sei und dass die Soldaten viel draußen unterwegs seien: "In den vielen Momenten, in denen die Soldaten außerhalb des Lagers präsent sind, sehen sie sich immer der Gefahr ausgesetzt, dass es einen Anschlag gibt oder sie beschossen werden."
Quelle: ntv.de, dpa/AFP