Parteitag in Leipzig CDU muss mit Streit rechnen
11.11.2011, 17:19 Uhr
Jahrelang kämpfe die CDA um einen Mindestlohn. Mit einem halben Sieg wäre sie nicht zufrieden.
(Foto: dpa)
Ein Thema, das beim CDU-Parteitag ursprünglich gar nicht diskutiert werden sollte, könnte für offenen Streit sorgen: der Mindestlohn, der in der Union "Lohnuntergrenze" heißt. Die Parteispitze gibt sich gelassen: Die Gefahr einer Abstimmungsniederlage sei "keine Kategorie, die sich stellt". Ganz und gar nicht gelassen ist dagegen der Arbeitnehmerflügel der Partei.
Angesichts der Meinungsunterschiede vor allem beim Thema Mindestlohn stellt sich die CDU-Spitze auf "lebhafte Debatten" beim Parteitag in Leipzig ein. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sagte, über "wichtige Details" in der Frage werde "offen gerungen" und abgestimmt werden.
Im Streit um das Betreuungsgeld wurden bei einem Versöhnungstreffen derweil "Missverständnisse" ausgeräumt.
Nach den heftigen Debatten der vergangenen Tage und kurz vor dem am kommenden Montag beginnenden Parteitag betonte Gröhe die Gemeinsamkeiten der CDU in der Mindestlohnfrage. Es gehe weniger um das "Ob" als um das "Wie".
CDA verschärft den Ton
Weitaus weniger harmonisch zeigt sich der Arbeitnehmerflügel der CDU, die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft (CDA). "Unsere Parteivorsitzende hält sich nicht an die innerparteilichen demokratischen Spielregeln", sagte CDA-Vize Christian Bäumler.
Die Antragskommission habe beschlossen, dass es eine einheitliche Lohnuntergrenze geben soll, der an den Mindestlohn in der Zeitarbeit angebunden ist. Es sei nicht akzeptabel, dass CDU-Chefin Angela Merkel diesen Beschluss kippen wolle, um einen nach Branchen und Regionen differenzierten Mindestlohn durchzusetzen. "Das bringt für mich zum Ausdruck, dass sie den Mindestlohn gar nicht haben will", sagte Bäumler.
"Wischi-Waschi bringt uns nicht weiter"
Die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft bestehe darauf, dass der Beschluss der Antragskommission erhalten bleibe. "Hier einen Wischi-Waschi-Beschluss zu machen, das bringt uns nicht weiter." Der Parteitag in Leipzig solle entscheiden. Merkel hatte sich für einen Mindestlohn ausgesprochen, aber eine flächendeckende Orientierung an Zeitarbeitsbezügen von rund sieben Euro pro Stunde abgelehnt. Damit stellt sie sich gegen den zentralen Antrag für den Parteitag am Montag und Dienstag.
Auch die mitgliederstarke nordrhein-westfälische CDU, auf den der Kurswechsel beim Mindestlohn zurückgeht, will beim Parteitag eine Machtprobe mit der Kanzlerin wagen. Die NRW-CDU werde vehement für verbindliche, am Zeitarbeitstarif orientierte Lohnuntergrenzen kämpfen, kündigte Generalsekretär Oliver Wittke an. Merkel ist zwar für einen Mindestlohn, lehnt aber eine Anlehnung an die um sieben Euro pro Stunde liegenden Zeitarbeitsbezüge ab. Sie plädiert zusammen mit dem Wirtschaftsflügel für regional- und branchenspezifische Lösungen.
Bäumler sagte, der Sozialflügel lehne einen Kompromiss ab. "Wir haben uns schon genug bewegt, indem wir den Begriff gesetzlicher Mindestlohn aufgegeben und einer Kommissionslösung zugestimmt haben." Der baden-württembergische CDA-Landeschef betonte: "Es muss am Ende eine einheitliche Lohnuntergrenze für alle Branchen geben, in denen es keine Tarifverträge gibt." Auch Arbeitsministerin und CDU-Vize Ursula von der Leyen unterstützt die Position der CDA und stellt sich damit gegen Bundeskanzlerin Merkel.
"Abstimmungsniederlage keine Kategorie"
Gröhe betonte, es gehe bei den Abstimmungen aber weder um das Wirtschaftsprofil der CDU noch um die "Durchsetzungsfähigkeit einzelner Persönlichkeiten". Die Gefahr einer Abstimmungsniederlage Merkels sei "keine Kategorie, die sich stellt".
Ursprünglich sollte der Mindestlohn gar kein Thema auf dem Parteitag sein, kontroverse Debatten wurden eher für den europapolitischen Antrag sowie die geplante Abschaffung der Hauptschule erwartet. Der entsprechende Antrag zur Bildungspolitik wurde allerdings entschärft.
Zur neuen Schulpolitik der Union mit einer Abkehr von der Hauptschule wurden 1600 Änderungsanträge eingereicht - laut Gröhe so viele wie noch nie. Er sprach von "entscheidenden Weichenstellungen" der CDU in Leipzig. Erwartet werden nun Formelkompromisse zur "Oberschule" als Ersatz für die Hauptschulen, ohne dass den Ländern aber vorgeschrieben wird, was sie tun sollen. Anders als normalerweise bei strittigen Themen in der CDU verläuft die Front hier nicht zwischen Modernisierern und Konservativen, sondern auch zwischen Anhängern einer stärkeren Bundeskompetenz und den Föderalisten.
Quelle: ntv.de, hvo/AFP/dpa