Untersuchungsausschuss nimmt morgen seine Arbeit auf CDU will NSA-Mitarbeiter vorladen
02.04.2014, 14:51 Uhr
(Foto: REUTERS)
Von diesem Donnerstag an untersucht der Bundestag die NSA-Affäre. Die Parteien sind sich dabei erstaunlich einig. Auch die Union will Druck auf die USA machen. Streit könnte es trotzdem geben.
Bislang ist es genau so gekommen, wie Edward Snowden befürchtet hatte. Seine größte Angst sei, dass sich nichts ändere, hatte er in seinem ersten Interview dem Journalisten Glenn Greenwald und der Filmemacherin Laura Poitras in Hongkong gesagt. In der Wahrnehmung von Bürgern, Medien und Politikern spielt der Überwachungsfanatismus der US-Geheimdienste längst nur noch eine untergeordnete Rolle. Allenfalls haben die Enthüllungen einen verschwörungstheoretisch untermauerten Antiamerikanismus befördert.
Wie schlimm "die Amerikaner" wirklich sind, soll nun ein Untersuchungsausschuss des Bundestags klären. Acht Mitglieder wird er haben, vier aus der Union, zwei von der SPD, je einen von Linken und Grünen. Ziel ist es, Licht in die NSA-Affäre zu bringen. Den Vorsitz des Gremiums, das sich an diesem Donnerstag konstituiert, übernimmt der CDU-Abgeordnete Clemens Binninger. Der Innenexperte hat bereits klargestellt, dass er nicht an die Verharmlosung anknüpfen will, die andere Unionsvertreter im vergangenen Jahr im Parlamentarischen Kontrollgremium praktizierten. Es sei "sehr ärgerlich", sagte Binninger in einem Interview, dass die Amerikaner "bisher keine einzige Frage beantwortet haben, die das Innenministerium ihnen übermittelt hat".
"Obama muss Aussagen ermöglichen"
Am Tag vor der konstituierenden Sitzung seines Ausschusses unterstreichen Binninger und der CDU-Abgeordnete Patrick Sensburg diese Position. Sensburg, der Obmann im NSA-Ausschuss sein wird, will durchaus auch Geheimdienstleute aus den USA als Zeugen laden. "Wenn Herr Obama ernst nimmt, was er gesagt hat, dann wird er es ermöglichen, dass Zeugen von der NSA aussagen."
Ein Kuschel- oder Mauschelgremium soll der Untersuchungsausschuss offensichtlich nicht sein. So viel wie möglich solle öffentlich erörtert werden, sagt Binninger. Geheimsitzungen werde es geben müssen, "aber so weit es geht, will ich versuchen, die Dinge öffentlich zu machen".
Über konkrete Zeugen will Binninger nicht sprechen - die Frage etwa, ob Greenwald oder die in Berlin lebende Poitras geladen werden könnten, beantwortet er nicht. Über Zeugen müsse zunächst im Ausschuss diskutiert werden. Skeptisch gibt sich Binninger allerdings bei Snowden. Seine Antworten in einer Befragung des Europaparlaments seien "sehr, sehr allgemein gehalten" gewesen.
Snowden soll Originaldokumente liefern
Sensburg will nicht ausschließen, dass Snowden angehört wird. Voraussetzung sei allerdings, dass er oder seine Vertrauten das Originalmaterial zur Verfügung stellten. "Wenn Herr Snowden wirklich aufklären möchte, dann wäre das ein guter Schritt." In der Praxis ist eine Aussage Snowdens damit ausgeschlossen: Der Whistleblower hat bereits erklärt, dass er keinen Zugriff mehr auf die Dokumente hat. Und dass Journalisten wie Greenwald oder Poitras ihre Unterlagen mit Politikern teilen, darf als sehr unwahrscheinlich gelten.
Die Befragung von Snowden in Berlin - mit dem Ziel, dem US-Amerikaner ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in Deutschland zu geben - war immer das erklärte Ziel des Grünen-Abgeordneten Hans-Christian Ströbele. Der prominenteste grüne NSA-Aufklärer wird dem Ausschuss nur als stellvertretendes Mitglied angehören. In dieser Funktion wird er zwar voraussichtlich an allen Sitzungen teilnehmen. Reguläres Mitglied ist jedoch der Netzpolitiker Konstantin von Notz, was wohl als Zeichen für den Generationenwechsel bei den Grünen zu verstehen ist. Die Linke ist durch die Abgeordnete Martina Renner vertreten, die im Landtag von Thüringen dem dortigen NSU-Ausschuss angehörte und sich dabei mit der Praxis der deutschen Geheimdienste beschäftigte.
Linke wollen Steinmeier laden
Binninger legt großen Wert darauf, dass Koalition und Opposition den Auftrag des Gremiums gemeinsam formuliert und beschlossen haben. Deshalb geht es nun auch nicht nur um die Arbeit der NSA, sondern - wie von der Opposition gefordert - auch um die deutschen Geheimdienste. Binninger schränkt nur ein, es dürfe nicht passieren, dass der Ausschuss in Ermangelung von Zeugen aus den USA dazu übergehe, vorrangig die deutschen Geheimdienste in den Blick zu nehmen. "Da würde man das Verursacherprinzip umdrehen."
Mit ihren zwei Sitzen haben Linke und Grüne sogar das "Viertelrecht", auf das sie nach der Sitzverteilung im Bundestag eigentlich keinen Anspruch hätten. Gemeinsam können sie nun beispielsweise durchsetzen, dass Außenminister Frank-Walter Steinmeier als Zeuge geladen wird.
Genau das haben die Linken vor. "Wir wollen natürlich Frank Walter Steinmeier als Zeugen hören", sagt Martina Renner n-tv.de. "Als ehemaliger Beauftragter für die Nachrichtendienste, später dann Chef des Bundeskanzleramts und natürlich als Außenminister ist er einer der zentralen Zeugen zu allen transatlantischen Abkommen und Vereinbarungen zur Zusammenarbeit zwischen den deutschen und US-amerikanischen Geheimdiensten."
"Am Ende könnten wir mit leeren Händen dastehen"
Viel Zündstoff also. Dass es bei der großen Übereinstimmung zwischen Koalitions- und Oppositionsfraktionen bleibt, ist unwahrscheinlich. "Unser Ziel ist es, mit dem Untersuchungsausschuss größtmögliche Transparenz herzustellen. Und wir befürchten mehr denn je, dass die Bundesregierung dieses Ziel torpedieren will", sagt Renner mit Blick auf eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion, in der diese "aus Gründen des Staatswohls" einzelne Fragen unbeantwortet gelassen hatte.
Zumindest in Deutschland, vielleicht darüber hinaus, kann der NSA-Ausschuss dafür sorgen, das Thema zurück auf die Agenda zu holen. Der Bundestag könnte so verhindern, dass Snowdens zentrale Furcht Realität wird. Mehr als eine Hoffnung ist das nicht. Es könnte sein, "dass wir am Ende komplett mit leeren Händen dastehen", räumt Binninger ein. Sinnlos sei die Arbeit dennoch nicht. Der Ausschuss könnte auch den Charakter einer Enquete-Kommission bekommen, sagt Sensburg. "Wenn wir am Ende Wege und Maßnahmen finden, wie wir zu mehr Datensicherheit kommen, dann ist das ein riesiger Mehrwert."
Quelle: ntv.de