Koalition mit Liberaldemokraten Cameron neuer britischer Premier
11.05.2010, 22:01 Uhr
Cameron und die Queen: Die Zeremonie zur Ernennung eines Premiers wird traditionell "Kissing Hands" genannt.
(Foto: REUTERS)
Die Ära von "New Labour" ist beendet: Gordon Brown tritt als Premier zurück, Tory-Chef David Cameron wird sein Nachfolger. Die Queen lädt ihn ein, eine neue Regierung zu bilden. Zugleich kündigt Cameron eine Koalition mit den Liberaldemokraten an.
David Cameron ist neuer britischer Premier. Der Chef der konservativen Tories akzeptierte in London die Einladung der Queen, eine neue Regierung zu bilden. Cameron habe das "Angebot ihrer Majestät angenommen und ihr anlässlich seiner Ernennung zum Premierminister die Hand geküsst", teilte der Buckingham Palast mit. Damit kommen die Konservativen nach 13 Jahren Labour-Regierung wieder an die Macht. Zuvor war Gordon Brown als Premierminister zurückgetreten.
Zusammen mit seiner Frau Samantha fuhr Cameron nach der Unterredung mit der Königin vom Buckingham Palast zur Downing Street. Dort kündigte er an, zusammen mit den Liberaldemokraten und deren Chef Nick Clegg eine Koalition zu bilden. Er wolle eine "echte und vollständige Koalition", sagte der Chef der Konservativen und machte damit deutlich, dass er keine von den Lib Dems tolerierte Minderheitsregierung plane. Großbritannien bekommt erstmals seit etwa sieben Jahrzehnten eine Koalitionsregierung.
"Eine Koalition wird große Herausforderungen mit sich bringen", sagte Cameron. Er und Clegg seien aber fest entschlossen, Parteigrenzen zu überwinden und gut zusammenzuarbeiten. Größte Herausforderung für die neue britische Regierung ist nun, die wirtschaftliche Lage des Landes und die haushohe Verschuldung in den Griff zu bekommen. Unklar war noch, wer welche Posten besetzen wird und welche Rolle Clegg in der neuen Regierung spielen wird.
"New Labour" am Ende
Brown hatte sich zuvor auf den Weg zum Buckingham Palast gemacht, um dort die Königin um seine Entlassung zu bitten. Brown betonte, er trete mit sofortiger Wirkung auch als Chef der Labour-Partei zurück. Labour-Vizechefin Harriet Harman werde die Ämter kommissarisch übernehmen. Die Ära von "New Labour" hatte 1997 mit der Wahl Tony Blairs zum Premier begonnen, der seine Partei von Grund auf erneuerte. Brown hatte das Amt 2007 übernommen, war aber nicht vom Volk gewählt worden.
"Ich wünsche dem neuen Premierminister alles Gute, wenn er wichtige Entscheidungen für die Zukunft fällt", sagte Brown. Er habe den Job geliebt. Zusammen mit ihren beiden Kindern verließen Brown und seine Frau Sarah die Downing Street. Freunde von Brown berichteten, er wolle auch als Abgeordneter zurücktreten und sich aus der Politik verabschieden.
Jüngster Premier seit 1812
Die Konservativen und der 43 Jahre alte Cameron - der jüngste Regierungschef seit 1812 - waren bei der Wahl am Donnerstag stärkste Partei geworden, brauchen aber die Unterstützung der Liberalen, die drittstärkste Kraft wurden, oder anderer kleinerer Gruppen zum Regieren. Labour hatte bei der Wahl eine schwere Schlappe eingesteckt, aber dennoch mit den Liberalen über eine Koalition verhandelt. Brown hatte vergeblich versucht, mit seinem Rückzug als Parteichef die Liberalen in eine Koalition zu locken.
Cameron war 2005 auf den Chefsessel der Tories gerückt. Er hatte seine Partei modernisiert und vom alten Image der harten Jahre unter Premierministerin Margaret Thatcher befreit. Außenpolitisch wird vor allem die Europapolitik der Tories interessant. Cameron hatte sich im Wahlkampf dafür ausgesprochen, dass auf keinen Fall mehr Macht von London auf Brüssel übertragen werden soll.
Verhandlungen niemals in Gang gekommen
Zuvor hatten britische Medien berichtet, dass die Gespräche zwischen Labour und Liberaldemokraten über eine Regierungsbildung gescheitert seien. Die Regierung hätte erkannt, dass es bei den Verhandlungen keine Einigung geben könne, berichtete der Sender BBC. Der Sender Sky News berichtete, dass die Verhandlungen niemals richtig in Gang gekommen seien. Die BBC berichtete zudem, dass am Regierungssitz von Premier Brown bereits große Umzugstaschen in Regierungswagen gepackt würden.
Hochrangige Politiker der Liberalen hatten bereits angedeutet, dass eine Koalition mit den Konservativen die bessere Option sei. In der Labour-Partei gab es ebenfalls kritische Stimmen zu den Koalitionsverhandlungen mit den Liberalen. Eine "Koalition der Verlierer" könne zu einem Desaster für Labour werden, sagte der frühere Innenminister David Blunkett.
Referendum über Wahlrechtsreform
Programmatisch stehen die Liberaldemokraten Labour deutlich näher als den konservativen Tories. Knackpunkt ist die von den "Lib Dems" geforderte Reform des Mehrheitswahlrechts, das kleinere Parteien benachteiligt. Die Konservativen lehnen eine Reform eigentlich ab. Um die Liberaldemokraten doch noch ins Boot zu holen, bot der Chefunterhändler der Tories, William Hague, ihnen nun aber ein Referendum über eine Wahlrechtsreform an.
Offen war, wer Nachfolger von Brown als Parteichef werden könnte. Vize-Chefin Harriet Harman sagte, sie stehe nicht zur Wahl. Favoriten wie Außenminister David Miliband oder Bildungsminister Ed Balls äußerten sich nicht zu Spekulationen, dass sie ins Rennen um die Nachfolge gehen könnten.
Quelle: ntv.de, AFP/dpa