Politik

Vier Bauern stoppen einen Zug Castor kommt mit Verspätung

Mit Strohsäcken und Thermodecken - Castor-Gegner im Gleisbett.

Mit Strohsäcken und Thermodecken - Castor-Gegner im Gleisbett.

(Foto: dapd)

Der Zug mit elf Castor-Behältern aus Frankreich kommt im Verladebahnhof an. Schon jetzt hat der Transport länger gedauert als alle Castor-Fahrten zuvor. Das liegt unter anderem an der "dritten Generation von Betonpyramiden", die von den Gleisblockierern eingesetzt werden.

Nach Rekord-Verzögerungen durch Demonstranten und Blockierer auf den Gleisen hat der Castor-Transport mit hochradioaktivem Atommüll am Morgen den Verladebahnhof in Dannenberg erreicht. Hier werden die elf Castor-Behälter vom Zug auf Spezialtransporter umgeladen.

Die vier Mitglieder der Bäuerlichen Notgemeinschaft bei ihrer Blockade nahe Hitzacker.

Die vier Mitglieder der Bäuerlichen Notgemeinschaft bei ihrer Blockade nahe Hitzacker.

(Foto: REUTERS)

Der Zug rollte um 05. 05 Uhr in den Verladebahnhof ein - mehr als 109 Stunden nach seinem Start in Frankreich. Das ist länger, als alle Castor-Transporte zuvor für die gesamte Strecke benötigten.

Die letzten knapp 20 Kilometer zum Zwischenlager Gorleben muss die strahlende Fracht auf der Straße zurücklegen. Atomkraftgegner haben für die Fahrt massive Proteste angekündigt.

Jochen Stay, Sprecher der Anti-Atomkraftbewegung "ausgestrahlt", erwartet, dass die Diskussion um die Atomkraft andauern wird. "Ich glaube, es ist sehr deutlich geworden, dass der Streit um die Atomkraft nicht vorbei ist", sagte er bei n-tv. Da habe die Bundesregierung gerade auch bei der Endlagersuche zu viele Fehler gemacht. "Weiter hier zu erkunden, in Gorleben weiterzubauen in diesem maroden Salzstock und zu behaupten, es gäbe eine weiße Landkarte, einen Neustart in der Endlagersuche – das nehmen Herrn Röttgen die Menschen hier nicht ab." Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) hatte vor Kurzem erklärt, dass Bund und Länder bei der Suche nach einem Endlager für hochradioaktiven Atommüll zum Salzstock Gorleben prüfen wollten.

Vier Bauern blockieren 15 Stunden

Die Polizei war "technisch überfordert".

Die Polizei war "technisch überfordert".

(Foto: dapd)

Atomkraftgegner hatten die Fahrt des Castor-Transports durch das Wendland trotz massiver Polizeipräsenz entlang der Gleise mehrfach stoppen können. Bei Hitzacker hatten Castor-Gegner am Sonntag zuletzt den Transport mit einer Beton-Pyramide auf den Gleisen mehr als 15 Stunden aufgehalten. Drei Männer und eine Frau von der Bäuerlichen Notgemeinschaft hatten sich in der selbst gebauten Konstruktion angekettet. Die Polizei schaffte es nicht, sie von den Gleisen zu lösen - die Beamten seien "technisch überfordert" gewesen, erklärte die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg.

Zuvor hatten Atomkraftgegner auch an anderen Orten entlang der Strecke zwischen Lüneburg und Dannenberg immer wieder für unplanmäßige Stopps gesorgt. Zudem hatten sich rund 200 vermummte Demonstranten in einem unübersichtlichen Waldstück eine heftige Auseinandersetzung mit Polizisten geliefert, bei der auch Journalisten mit Wurfgeschossen attackiert worden waren. Auch auf der Seite der Demonstranten wurde über hartes Vorgehen der Polizei geklagt. Beides scheint indes nicht die Regel zu sein. "Der größte Teil der Demonstranten ist friedlich", sagte ein Polizeisprecher am Sonntag. Am Rande des Transports sind rund 20.000 Polizisten im Einsatz.

Protest gegen Endlager steht im Zentrum

Der Castor-Transport bringt hoch radioaktiven Atommüll aus der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague ins Zwischenlager Gorleben. Deutschland ist verpflichtet, den Müll der deutschen Atomkraftwerke wieder zurückzunehmen. Angesichts der Energiewende richtet sich der Protest in diesem Jahr gegen das geplante Endlager. Aus Sicht der Castor-Gegner ist der Salzstock nicht für die Lagerung des hoch radioaktiven Atommülls geeignet. Sie befürchten, dass er aus politischen Gründen als Endlager durchgesetzt werden soll. Zudem würde mit der Einlagerung weiterer Castoren versucht, Fakten zu schaffen.

An die von Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) und den Länderchefs vereinbarten bundesweiten Suche nach einem alternativen Endlagerort glauben die protesterfahrenen Wendländer nicht. Sie fordern, Gorleben bei der neuen Suche kategorisch auszuklammern.

"Ein ausgeklügeltes System"

Aufnahme des Castor-Zuges in Dannenberg mit einer Wärmebildkamera.

Aufnahme des Castor-Zuges in Dannenberg mit einer Wärmebildkamera.

(Foto: REUTERS)

Die Pyramide der Bäuerlichen Notgemeinschaft war das letzte große Bau-Hindernis auf der Schienenroute. Die Polizei räumte ein, es habe sich bei der Betonpyramide "augenscheinlich um ein durchdachtes, ausgeklügeltes" System gehandelt. Es sei nur schwer möglich gewesen, die Atomkraftgegner unverletzt zu befreien, hieß es. Deshalb hätten die Castor-Gegner schließlich von selber aufgegeben. Die Bäuerliche Notgemeinschaft sprach von der "dritten Generation von Betonpyramiden". "Wir haben seit dem letzten Castor-Transport getüftelt", sagte Herbert Waltke von der Notgemeinschaft.

Die Anti-Atom-Initiativen werteten die 15-stündige Gleisblockade als großen Erfolg. Und damit nicht genug: Kurz hinter der geräumten Beton-Blockade hatten sich in der Folgezeit mehrere hundert Demonstranten zu weiteren Sitzblockaden auf den Gleisen niedergelassen.

"Ich hätte nicht gedacht, dass es so lange dauert. Letztlich ist die Polizei gescheitert", sagte Heiko Müller-Ripke, nachdem er sich aus der Verankerung von der Pyramide gelöst hatte. Auch der Neffe der grünen Bundestagsabgeordneten Brigitte Pothmer, die auf einem Hof im Wendland aufgewachsen ist, gehörte zu den angeketteten Castor-Gegnern. Es sei die längste Einzelaktion, die es je gegen einen Castor-Transport gegeben habe, sagte die Grünen-Europaabgeordnete Rebecca Harms, die im Wendland zu Hause ist.

Die zunächst drohende Gefahr, dass heftige Sturmböen das Umladen der elf Atommüll-Container unmöglich machen könnten, schien unterdessen gebannt. Der Wind ließ in der Nacht zum Montag stark nach. In der Regel dauert die Umladung 12 bis 15 Stunden.

Quelle: ntv.de, hvo/AFP/dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen