Wachstum, Reformen, neue Ära China verspricht dem Volk viel
17.03.2013, 15:04 Uhr
Angetreten mit großen Plänen: Premier Li Keqiang.
(Foto: REUTERS)
Chinas neue Führung will der Wirtschaft neuen Schwung geben. Zum Abschluss des Nationalen Volkskongresses hagelt es vollmundige Versprechen. Doch ob Li und Xi sie einlösen können, ist ungewiss. Viele Beobachter bezweifeln, dass die selbst ernannten Reformer die Trendwende vollziehen.
Li Keqiang lächelt viel, spricht selbstbewusst und konzentriert. Bei seinem ersten großen Auftritt stellt sich Chinas neuer Regierungschef demonstrativ als mutiger Reformer vor. Seine Botschaft: Es beginnt eine neue Ära. Er werde den bürokratischen Apparat zurechtstutzen und die marktwirtschaftliche Transformation vorantreiben.
Das Milliardenvolk lauscht seinen Worten am Fernseher. "Bei Reformen geht es um die Beschneidung der Macht der Regierung", sagt der 57-Jährige vollmundig. "Es ist eine selbst auferlegte Revolution, erfordert wahre Opfer - und das wird schmerzhaft."
Bricht hier eine neue Zeit an? Wird die jüngere Führungsgeneration der Kommunistischen Partei einen neuen Weg für die zweitgrößte Wirtschaftsnation einschlagen? Experten wie einfache Bürger sind skeptisch.
Große Versprechen, alte Rezepte
"Neuer Stil, gleiche Inhalte", lauten einhellig erste enttäuschte Reaktionen. "Er spricht schneller, hat eine andere Körpersprache, aber es gibt keine neuen Ideen", urteilt der Kommentator Zhang Lifan. "Er malt nur ein großes Bild der Zukunft, das zum 'chinesischen Traum' von Präsident Xi Jinping passt."
Obwohl Chinas Wachstum auf den niedrigsten Stand seit 13 Jahren gefallen ist, verspricht Li Keqiang, Wirtschaftsleistung und Einkommen bis 2020 im Vergleich zu 2010 zu verdoppeln. Neue Rezepte hat der erste promovierte Ökonom an der Spitze der chinesischen Regierung nicht. Er muss erst ein neues Wachstumsmodell finden und die verhängnisvolle Abhängigkeit von Export und Investitionen abschütteln. Vage spricht Li Keqiang von der "Dividende der Reformen" und "Steigerung der Produktivität", die dem ganzen Volk zugutekommen werde.
Journalisten können nicht frei berichten

Die Wortmeldungen bei der Pressekonferenz mit Li Keqiang sind nur pro forma. Die Fragen sind vorab abgesprochen.
(Foto: dpa)
Alles nur große Versprechen, findet Kritiker Zhang Lifan. Wie vor zehn Jahren beim letzten Generationswechsel. "Die Leute sollen glauben, dass sie eines Tages alle reich werden können", sagt er. "Aber heute können solche Lügen die Menschen nicht mehr übers Ohr hauen. Die Leute sind vielleicht kurzfristig begeistert, aber begreifen dann die Wahrheit." Ohne eine richtige Reform des politischen Systems seien die Probleme nicht zu lösen.
Der Premier selbst ist Sohn dieses Systems. So unerschrocken Li Keqiang bei der Live-Pressekonferenz in der prunkvollen Halle mit den riesigen Kronleuchtern erscheinen will, so viel Angst scheint er vor heiklen Fragen zu haben. Im Vorfeld mussten Journalisten ihre Fragen einreichen. Wer zu kritisch war, kam nicht zum Zuge. Wo es früher noch ein bisschen Spielraum für Spontanität gab, war diesmal alles streng kontrolliert. Die deutschen Journalisten, die sich zweimal in offenen Briefen an die Kanzlerin über schlechte Arbeitsbedingungen in China beschwert hatten, durften gar keine Frage stellen.
"Verlorenes Jahrzehnt"
Den Beginn einer neuen Ära können Experten schwerlich erkennen. Höchstens Kontinuität, was wenig Gutes verheißt. Kritiker lasten schon der alten Regierung ein "verlorenes Jahrzehnt" an. Li Keqiang räumt selbst ein, dass sein neues Kabinett nur ein Kompromiss sei.
Der Politikwissenschaftler Wu Qiang von der renommierten Qinghua Universität bezweifelt, dass das reicht. "Die größten Probleme, mit denen der Premier konfrontiert ist, sind die soziale Krise, die Kluft zwischen Arm und Reich, die starke Unzufriedenheit, die Korruption im System und der Trend, dass Interessengruppen immer mächtiger werden."
Regierung zu schwach für Reformen
Er könne nicht sehen, wie Li Keqiang mit seinen begrenzten Ideen diese Probleme löst, sagt Wu Qiang. Überhaupt sei fraglich, ob der Regierungschef genug Macht hat, um es mit den großen Interessengruppen wie den einflussreichen Familien oder mächtigen Staatsunternehmen aufzunehmen. Schon stärkere Premiers wie einst Zhu Rongji seien gescheitert.
Auch Professor Zhang Ming von der Volksuniversität findet die Regierung zu schwach, um Veränderungen gegen den Willen der allmächtigen Kommunistische Partei durchzusetzen. "Die Hindernisse sind weiter in der Partei selbst", sagt Zhang Ming. "Es ist die Partei, die diese Dinge nicht will."
Quelle: ntv.de, Andreas Landwehr, dpa