Linker Hahn übernimmt 2015 den Vorsitz Das sind die neuen Geheimdienstkontrolleure
16.01.2014, 16:02 Uhr
Drei der neun PKGr-Obleute: Ströbele, Binninger und Hartmann.
(Foto: Imago / dpa)
Bis zum Sommer 2013 wussten viele Deutsche gar nicht, dass es überhaupt ein Parlamentarisches Kontrollgremium gibt. Dann kamen Edward Snowden und die NSA-Affäre. Seither ist die Überwachung der Geheimdienste wichtig wie nie.
Manchmal gibt es schon bemerkenswerte Zufälle. Da scheint es, als hätten die amerikanische und deutsche Politik ihre Zeitpläne miteinander abgestimmt. Das gilt zumindest für diese Woche: An diesem Freitag hält US-Präsident Barack Obama seine mit Spannung erwartete Rede zur NSA-Reform. Genau einen Tag vor Obamas Rede bestimmt der Bundestag über die neue Zusammensetzung des parlamentarischen Kontrollgremiums, kurz PKGr.
Wie aus Regierungskreisen durchsickerte, will sich Obama in dieser Woche zwar dazu bekennen, die Privatsphäre ausländischer Bürger künftig besser zu schützen. Angeblich soll sich an den bisherigen Spähpraktiken jedoch wenig ändern. Auch das No-Spy-Abkommen soll so gut wie vom Tisch sein. Diesseits des Atlantiks dürfte man das ungern hören. Die Enthüllungen über die Praktiken der NSA sorgten im vergangenen Jahr für heftige diplomatische Verstimmungen. Sollten Konsequenzen wirklich ausbleiben, ist dem PKGr, von dessen Existenz viele Deutsche bis zum vergangenen Sommer gar nicht wussten, weiterhin große Aufmerksamkeit gewiss.
Der Vorsitzende: Polizist und Schwabe
Viel besser könnte das Timing also gar nicht sein. Am Tag vor der Obama-Rede haben die Bundestagsabgeordneten die Mitglieder des Kontrollgremiums gewählt. Der Ausschuss, der die Überwachung der Geheimdienste zum Ziel hat, wird zur neuen Legislaturperiode neu aufgestellt. Anders als bisher gehören ihm nicht mehr die Fraktionsgeschäftsführer von Union und SPD an. Die Anzahl der Mitglieder wurde von elf auf neun reduziert, dazu gibt es nun sechs statt drei Mitarbeiter, die dem PKGr zuarbeiten.
Das sind die neuen und alten Parlamentarier, die den Geheimdiensten in den kommenden vier Jahren genau auf die Finger schauen sollen:
Die Union stellt vier Abgeordnete. Wichtig wird vor allem der neue Gremiums-Vorsitzende Clemens Binninger. Der 51-jährige gelernte Polizeikommissar wechselte über den gehobenen Dienst ins baden-württembergische Innenministerium, wo er den damaligen Ministerpräsidenten Erwin Teufel beriet. Seit 2002 sitzt Binninger im Bundestag, zuletzt war er bereits CDU-Obmann des NSU-Ausschusses sowie einfaches Mitglied im PKGr.
"Preis der Freiheit ist ständige Wachsamkeit"
Den Schwerpunkt der Arbeit sieht der Schwabe eindeutig in der Aufklärung der NSA-Affäre. Sollte das Parlament einen Untersuchungsausschuss einrichten, sieht er das Kontrollgremium "als Ergänzung". Hauptaufgabe sei es jedoch, die deutschen Dienste zu kontrollieren und nicht die ausländischen. Neben Binninger entsendet die Union Armin Schuster, Stephan Mayer und Manfred Grund. Dieser twitterte am Mittwoch zur Debatte um das "No Spy"-Abkommen mit den USA: "Der Preis der Freiheit ist ständige Wachsamkeit."
Für die SPD sind drei Parlamentarier dabei. Michael Hartmann, der auch innenpolitischer Sprecher der Sozialdemokraten ist, gehörte dem PKGr wie CDU-Kollege Binninger schon in den vergangenen vier Jahren an. Im Sommer forderte der 50-Jährige, in der NSA-Affäre einen gesonderten Ermittlungsbeauftragten einzusetzen, der den Informationsanspruch gegenüber der Bundesregierung vertritt. Dieser sachverständige Untersuchungsführer müsse mit so vielen Befugnissen ausgestattet sein, dass er den Bundestag umfassend unterrichten könne. Neu im Ausschuss sind Burkhard Lischka und Gabriele Fograscher. Die Lehrerin aus Bayern sitzt seit 20 Jahren im Bundestag und ist die einzige Frau unter den neun Mitgliedern.
Ströbele seit 16 Jahren dabei
Die Linken haben André Hahn für die Geheimdienstkontrolle nominiert. Der gebürtige Berliner ist neu im Bundestag. Zuletzt saß er 20 Jahre lang im sächsischen Landtag, wo er auch Fraktionschef der Linken war. Im Herbst 2011 wurde Hahns Immunität aufgehoben, nachdem er im Februar 2010 die Blockade einer Neonazi-Demo in Dresden initiiert hatte. Ein Strafverfahren, in dem wegen Verstoßes gegen die Versammlungsfreiheit ermittelt wurde, wurde jedoch eingestellt.
Von nun an ist Hahn der einzige Linken-Abgeordnete, der Akten und Dokumente der Nachrichtendienste einsehen darf. Gegenüber einem mit umfassenden Recherche-Vollmachten ausgestatteten Sachverständigen ist der 50-Jährige jedoch ebenso skeptisch wie gegenüber dem neu bestellten Staatssekretär für Geheimdienste im Kanzleramt, Klaus-Dieter Fritsche. Sollte bei der Geheimdienst-Koordinierung etwas falsch laufen, fände die Regierung dadurch nur schneller ein "Bauernopfer". Weil der PKGr-Vorsitz jährlich zwischen Regierung und Opposition wechselt, wird Hahn das Gremium 2015 sogar leiten.
Die Grünen setzen auch in den kommenden vier Jahren auf Hans-Christian Ströbele. Der 74-Jährige sitzt seit 1998 in dem Gremium und ist das dienstälteste Mitglied. Ströbele, der sich im Herbst überraschend mit NSA-Whistleblower Edward Snowden getroffen hatte, drängt auf tiefgehende Reformen bei der Geheimdienstkontrolle. "Die Aufklärung muss transparenter werden", sagte er "Spiegel Online". Die Chefs der Dienste müssten sich künftig "auch mal öffentlich Fragen stellen lassen". Bei Sitzungen des PKGr solle in Zukunft ein Tonband mitlaufen. "Wir müssen doch auch Jahre später noch nachvollziehen können, was der BND-Chef zu einem bestimmten Sachverhalt tatsächlich gesagt hat", fordert Ströbele.
Das wäre allerdings ein radikaler Kulturwandel für das Gremium. Das PKGr ist so geheim, dass der Bundestag offiziell bislang nicht einmal verrät, wann und wo seine Mitglieder sich treffen.
Quelle: ntv.de