"Handeln ohne Maß" in NSA-Affäre De Maizière rügt die USA
05.04.2014, 22:26 Uhr
Lothar de Maizière findet deutliche Worte.
(Foto: dpa)
Innenminister de Maizière kritisiert die NSA-Spionagepraktiken scharf und sagt: "Die USA handeln ohne Maß". Ein No-Spy-Abkommen mit den Amerikanern sei wohl vom Tisch. Wikileaks-Kopf Assange sieht derweil eine deutsche Führungsrolle beim Datenschutz - und fordert ein europäisches Internet.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière geht mit den USA und deren Verhalten in der NSA-Affäre hart ins Gericht. Die von der Bundesregierung erwünschten Informationen seien "bis heute unzureichend", sagte der CDU-Politiker dem "Spiegel". "Wenn zwei Drittel dessen, was Edward Snowden vorträgt oder was unter Berufung auf ihn als Quelle vorgetragen wird, stimmen, dann komme ich zu dem Schluss: Die USA handeln ohne Maß."
Den Besuch der Kanzlerin Angela Merkel bei US-Präsident Barack Obama im Mai verbindet der Innenminister mit geringen Hoffnungen: "Meine Erwartungen an einen Erfolg weiterer Gespräche sind niedrig." Ein No-Spy-Abkommen werde es "nach allem, was ich höre", nicht geben.
Der ehemalige US-Geheimdienstmitarbeiter Snowden soll als Zeuge vor dem neuen NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages aussagen. Grüne und Linke hatten in der ersten Sitzung des Gremiums beantragt, den im russischen Exil lebenden Informanten einzuladen.
"Außenpolitischer Schaden"
Der vom Bundestag einstimmig beschlossene Ausschuss soll die Überwachungsaktivitäten der NSA und anderer ausländischer Nachrichtendienste aufarbeiten. Geklärt werden soll auch die Rolle deutscher Dienste, was Regierungsstellen wussten, wie umfangreich deutsche Entscheidungsträger ausgehorcht worden sind und ob die Erkenntnisse der USA von deutschen Behörden genutzt wurden.
Mit deutlichen Worten beklagte de Maizière auch den "außenpolitischen Schaden", den das Ausspähen durch die NSA angerichtet habe. Dass die Zustimmungswerte in der deutschen Bevölkerung gegenüber den USA "so schlecht wie lange nicht mehr" seien, mache ihn traurig: "Amerika sollte daran interessiert sein, dass sich das wieder zum Besseren entwickelt. Und das geht allein mit Reden nicht." Als "überzeugter Transatlantiker" betonte de Maiziere aber auch, dass die Zusammenarbeit der Nachrichtendienste der USA, Großbritanniens und Deutschlands unverzichtbar sei: "Sie liegt in unserem nationalen Interesse."
Assange setzt auf Merkel
Der Internet-Aktivist Julian Assange sieht derweil Bundeskanzlerin Angela Merkel in einer Führungsrolle beim Kampf gegen die weltumspannenden Überwachungsprogramme der NSA. "Deutschland hat ein sehr hohes Niveau beim Datenschutz und wird hoffentlich einen Standard setzen", sagte Assange dem "Focus". Der Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks glaubt, dass Merkel beim Streben nach mehr digitaler Unabhängigkeit von den Vereinigten Staaten "die Führung in Europa" übernommen habe.
"Die USA haben sich über ihre Netzwerke und Organisationen das Internet unterworfen und damit die ganze Welt annektiert", sagte Assange. An dieser Vormachtstellung werde sich nichts ändern, so lange der globale Datenstrom durch die USA oder über Server von US-Unternehmen laufe. Daher sei es "ganz wichtig, dass große Länder oder Staatengemeinschaften wie die EU ein eigenes Internet aufbauen", ergänzte der Australier, der sich seit 2012 in der Botschaft Ecuadors in London verschanzt.
Seit Juni vergangenen Jahres kamen durch Enthüllungen des früheren US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden eine Reihe von Spähaktivitäten der NSA ans Licht. So überwachte der Geheimdienst nicht nur massenhaft E-Mails und Telefonate von unbescholtenen Bürgern rund um die Welt, sondern hörte auch Spitzenpolitiker aus befreundeten Staaten ab, darunter Merkel.
Quelle: ntv.de, rpe/rts/AFP