Politik

Der hoffnungslose Kampf des Norbert Röttgen Der Bundes-Ministerpräsident

Norbert Röttgen fasst nicht richtig Tritt.

Norbert Röttgen fasst nicht richtig Tritt.

(Foto: dpa)

Glaubt er selbst noch dran? Seine Chancen sind aussichtslos. Auch wenn es keine Mehrheit für SPD und Grüne geben sollte, bleibt Kraft wohl Ministerpräsidentin in Nordrhein-Westfalen. Aber Röttgen lacht sich voller Zuversicht durch den Wahlkampf. Von einem der auszog, um zu regieren, und bald einen traurigen Rekord halten könnte.

Die letzten Umfragen

Laut den letzten Umfragen können die Parteien in Nordrhein-Westfalen mit folgenden Ergebnissen rechnen:

  • SPD: 37-38,5 Prozent
  • CDU: 30-31 Prozent
  • Grüne: 11 Prozent
  • Piraten: 7,5-9 Prozent
  • FDP: 5-6 Prozent
  • Die Linke: 3-4 Prozent

Quelle: Infratest Dimap, 3. Mai 2012; Forschungsgruppe Wahlen, 4. Mai 2012; YouGov, 9. Mai 2012

Der Einmarsch soll feierlich werden. Mit "Meine Damen und Herren, hier ist der zukünftige Ministerpräsident..." kündigt der Moderator ihn an. Es erklingen die Trommeln des "Bongo Song", der Hymne der Fußball-WM 2010. Die über 2000 Menschen auf dem Marktplatz in Hamm stehen auf und recken ihre Köpfe in die Richtung, aus der Norbert Röttgen kommen soll. "Schrei, wenn du ihn siehst", sagt eine Mutter und hebt ihren Sohn auf die Schultern. Doch der Kleine schreit nicht. Die Hälse der Zuschauer erstarren, die Mienen der Moderatoren auf der Bühne gefrieren. Auch nach drei weiteren Songs ist Röttgen nicht zu sehen. Die Musik wird abgedreht. Erst eine Viertelstunde später erscheint Röttgen dann zusammen mit Angela Merkel auf dem Marktplatz in Hamm.

Bei insgesamt neun Veranstaltungen treten die beiden zusammen auf. Es ist der Endspurt im NRW-Wahlkampf, und Merkel höchstpersönlich soll retten, was noch zu retten ist, wenn es denn noch nicht zu spät ist. Die CDU wollte mit Röttgen einen absoluten Hochkaräter in die Landtagswahl im bevölkerungsreichsten Bundesland schicken. Doch das Duell mit SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft war von Anfang an kein spannendes. Röttgen, der seit Jahren als Hoffnungsträger der Partei gilt, hat die Partei nicht aus dem Meinungstief befreien können. Ganz im Gegenteil: Die CDU liegt heute sogar unterhalb der 34,6 Prozent, mit denen 2010 abgewählt wurde, und damit nicht einmal auf Schlagdistanz zu Kraft.

Merkel unterstützt Röttgen.

Merkel unterstützt Röttgen.

(Foto: dpa)

Aber woran liegt's? Röttgen hat gleich zu Beginn des Wahlkampfs einen Fehler gemacht. Er hält sich seine Zukunft offen. Denn er kommt nur als Ministerpräsident nach NRW, aber nicht als Oppositionsführer. Dieses Bekenntnis will er, der ja auch Bundes-Umweltminister ist, nicht abgeben. Das irritiert nicht nur viele Wähler "Das ist auch lähmend für die, die für ihn Wahlkampf machen, an Ständen stehen und Plakate kleben", sagt der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte im Gespräch mit n-tv.de.

Wenige Tage vor der Wahl, ist man sich nicht sicher bei Röttgen. Ist das seine Welt da draußen in Hamm, Arnsberg und Borken? Der Mann mit dem braunen Teint und dem adretten Äußeren versucht Herzlichkeit und Zuversicht auszustrahlen. Beim Bad in der Menge schüttelt er Hände und strahlt die Menschen an. Doch in dieser Disziplin kommt der zurückhaltende Rheinländer nicht gegen seine Herausforderin an. Kraft zelebriert den Straßenwahlkampf, der ihm nicht gelingt. Sie zieht die Menschen in ihren Bann, spricht ihre Sprache und trägt das Herz auf der Zunge.

Der CDU-Mann hat andere Vorzüge. Er bringt bundespolitische Prominenz mit. "Röttgen macht einen sachkompetenten Eindruck und ist seit Fukushima erwiesener Krisenmanager in Umwelt- und Energiefragen", sagt Korte. Doch er wirke kaufmännischer und kühler als Kraft. Braucht die Bevölkerung denn unbedingt jemanden mit ausgeprägtem Landesvatercharme? "Röttgen ist Problemlöser", sagt Korte. "Griechen und Italiener wählen in diesen Zeiten auch eher Technokraten als typische Landesväter."

Umfragen sehen Kraft vorn

Kraft erwärmt mehr die Herzen der Wähler.

Kraft erwärmt mehr die Herzen der Wähler.

(Foto: dpa)

Doch dass Röttgen sein Ziel erreicht, ist äußerst unwahrscheinlich. Er liegt zwischen 30 und 32 Prozent in den Umfragen, seine Konkurrentin bis zu acht Prozentpunkte vor ihm. Es wird wohl reichen für Rot-Grün. Und selbst wenn nicht, würde Kraft die neue Regierung bilden. "Die CDU hat immer noch nicht richtig Tritt gefasst", sagt Korte. "Sie wirkt überraschter von dem Wahlkampf als die SPD." Das verwundert. Schließlich wurde die rot-grüne Minderheitsregierung zwischen 2010 und 2012 von kaum etwas so hartnäckig begleitet wie von den ständigen Forderungen der CDU nach Neuwahlen.

Der Kandidat auf der Durchreise ist inzwischen auf der Bühne angekommen. Während der Eröffnungsrede von NRW-Generalsekretär Oliver Wittke steht er etwas unbeholfen und schlaksig da wie ein verspielter Schuljunge. Steif baumeln die Arme seitlich am Körper, um im nächsten Moment wieder zu feierlichem Applaudieren auszuholen. Dazu setzt er dieses Lächeln auf, mit dem er schon seit Wochen durch die Fußgängerzonen zieht. Erst als er schließlich am Podium steht, ist Röttgen in seinem Element. Pointiert schießt er scharfe Attacken gegen SPD und Grüne. Es müsse Schluss sein mit den Schulden. "Wir Bürgerinnen und Bürger und nicht die CDU", betont er, "müssen antreten, um das Land zu erneuern. Sonst ist nicht mehr genug da für unsere Enkelkinder". Der Kandidat redet sich in Rage, wird lauter, die braune weicht der roten Gesichtsfarbe, er fuchtelt mit den Armen und schwitzt. Reden, ja wettern, das kann er. Doch seinen großen Zukunftsentwurf behält Röttgen an diesem Nachmittag für sich. Schon in den fiel auf: Fragen nach seinen Lösungen für die Probleme des Landes weicht Röttgen aus. Wie genau er "Politik aus den Augen unserer Kinder" machen will und was er darunter versteht, wird nicht klar.

Röttgen freut sich über Piraten

Politikwissenschaftler Korte hält den Wahlausgang zwar noch für offen, dass Kraft Ministerpräsidentin bleibt, sei jedoch "so gut wie sicher". Unter Kraft hält er bis hin zu einer Ampel und der Tolerierung durch die Piraten fast alles für denkbar. Doch Röttgen hat seine eigene Sicht auf seine Chancen bei der Wahl. Weil sein Aufschwung in den Umfragen ausbleibt, freut er sich eben über den der Piraten. Schließlich schwindet dadurch die Chance auf eine Mehrheit für Rot-Grün. Verzweifelt wirkt auch sein Kommentar zu einer möglichen Jamaika-Koalition mit Grünen und FDP. Er halte grundsätzlich alle demokratischen Parteien für miteinander koalitionsfähig. Die Zeit der Koalitionsaussagen sei vorbei.

Die einzige Machtperspektive der CDU ist eine Große Koalition – ohne Röttgen. Denn als Junior-Partner in einer Regierung würde seine Partei nicht den Ministerpräsidenten stellen. In die Geschichte eingehen kann Röttgen trotzdem. Bleibt er bei der Wahl unter 34,6 Prozent, würde er das schlechteste Ergebnis holen, dass die CDU zwischen Rhein und Ruhr jemals erreicht hat.

Am Ende geht dann alles ganz schnell in Hamm. In Reih und Glied stehen Röttgen, Merkel und Wittke und singen das Deutschlandlied. Der Kandidat sucht nicht noch einmal das Bad in der Menge. Er verlässt die Bühne durch einen Hinterausgang, wo die Limousine schon bereit steht. "Herr Röttgen, Herr Röttgen", ein Mann an der Absperrung wedelt flehend mit seiner Kamera. Aber das hört Röttgen nicht mehr. Er muss jetzt schnell weiter zum nächsten Termin. In einer Stunde steht er schon auf einer anderen Bühne. Um zu erklären, warum es noch nicht zu spät ist.

Quelle: ntv.de

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