Politik

"Ein kleiner Diktator wäre gut" Der "Punisher" will Präsident werden

Rodrigo Duterte will Präsident der Philippinen werden. In seiner Heimat nennen sie ihn ehrfurchtsvoll "The Punisher".

Rodrigo Duterte will Präsident der Philippinen werden. In seiner Heimat nennen sie ihn ehrfurchtsvoll "The Punisher".

(Foto: AP)

Attentate, Entführungen, Abu Sayyaf: Gewalt ist im Süden der Philippinen alltäglich. Mittendrin: eine der sichersten Städte der Welt. Ihr Bürgermeister hat Davao City mit drastischen Mitteln erzogen. Nun könnte er Präsident werden.

Warum hat er sich auch nicht an die Vorschriften gehalten? In ganz Davao City herrscht Rauchverbot. In der ganzen Stadt. Auch im Freien. Dennoch raucht der Tourist in einer Kneipe am Straßenrand gemütlich seine Zigarette. Der Bürgermeister, der die Angelegenheit zur Chefsache erklärt, statuiert ein Exempel: Er besucht die Kneipe, zieht seinen Revolver Kaliber 38 und zwingt den Mann, als Strafe seine Kippe herunterzuschlucken.

Das ist die wohl bekannteste Anekdote über Rodrigo Duterte, der mit aller Härte so etwas wie Disziplin in eine der einstmals gefährlichsten Städte der Philippinen brachte und sie zu der sichersten machte. Kommendes Jahr wird in dem Inselreich gewählt. Und Duterte, sie nennen ihn auch "The Punisher" - den Bestrafer -, hat gute Chancen, Präsident des Landes werden. Aktuellen Umfragen zufolge würden ihm mehr als 30 Prozent der Filipinos ihre Stimme geben - Tendenz steigend.

Janice kennt die Geschichte mit der Zigarettenkippe natürlich auch. Mit ihrer Familie leitet sie ein Backpacker-Hostel auf der Insel Bohol. Die weißen Sandstrände und Tauchreviere locken die Touristen inzwischen in Scharen auf die Insel. Die Herberge ist gut besucht und beliebt. Alles gut also? Nein. Janice sagt, sie und ihre Familie könnten auch 24 Stunden täglich arbeiten, es würde sich nichts bewegen. Das Hostel wirft genug zum Leben ab, aber mehr auch nicht. Die Steuerlast ist erdrückend, die Korruption unberechenbar, das Vertrauen in staatliche Institutionen ist völlig verloren. Die Philippinen seien nur noch ein einziges Chaos, findet sie.

Das Kriegsrecht wäre okay

Die Kehrseite von Dutertes Sicherheitsmaßnahmen sind laut Kritikern massive Menschenrechtsverletzungen.

Die Kehrseite von Dutertes Sicherheitsmaßnahmen sind laut Kritikern massive Menschenrechtsverletzungen.

(Foto: REUTERS)

Zustände wie in Davao City, dem Revier von - "The Punisher" - Duterte, müssen da paradiesisch klingen. Die Kriminalitätsrate ist abgestürzt, Gesetze werden - entgegen dem philippinischen Alltag weitgehend umgesetzt, die Korruption ist auf ein überschaubares Maß geschrumpft, Minderheiten werden in den politischen Prozess miteinbezogen.

All das hat weitere positive Folgen: Investoren werden angelockt und die Musterstadt inmitten eines sonst schwierigen Umfelds ist die wirtschaftlich am stärksten wachsende Region des Landes. Davao City, die Hauptstadt der Insel Mindanao, die vor allem wegen Entführungen der Islamistenmiliz Abu Sayyaf traurige Berühmtheit erlangt hat, ist einer Erhebung des Statistikportals Numbeo zufolge, nach Osaka, Singapur und Seoul die inzwischen viertsicherste Stadt der Welt.

Janice wünscht sich, dass Duterte der nächste Präsident wird und der Fortschritt auch in anderen Regionen des Landes ankommt. Sie wünscht sich eine drastische Veränderung, eine harte Hand, die die Filipinos endlich erzieht, wie sie sagt. Janice - entspannter Surfertyp, jung, gebildet - macht eigentlich nicht so einen Eindruck, doch was sie sich für ihr Land wünscht, lässt einen als Europäer schlucken. "Die Todesstrafe sollte wieder eingeführt werden und wenn Duterte das Kriegsrecht will, um die Lage unter Kontrolle zu bringen, dann finde ich das gut, ehrlich." Nur so könne man die Zustände, die aus ihrer Sicht völlig aus den Fugen geraten sind, wieder verbessern - mit harter Hand und klaren Regeln.

Todesschwadrone beseitigen Kriminelle

Tatsächlich hat Duterte drastische Veränderungen angekündigt, falls er Präsident werden sollte. Drastisch war auch stets sein Vorgehen in seiner Heimatstadt. 1988 wurde er zum Bürgermeister gewählt. Damals kamen auf 1000 Einwohner eine dreistellige Anzahl von Straftaten. 1999 waren es laut Polizeistatistik noch 8 Straftaten - die Bevölkerung der Stadt wuchs in dem selben Zeitraum jedoch um fast 30 Prozent. Duterte bestrafte korrupte Beamten hart, setzte verschärfte Verkehrsregeln um, verbot das Rauchen und richtete eine Sperrstunde für Jugendliche ein.

All diese positiven Entwicklungen haben eine Kehrseite. Von denen berichten laufend Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch oder Amnesty International. Es ist kein Geheimnis, dass in Davao City mutmaßliche Kriminelle einfach verschwinden oder sogar auf offener Straße getötet werden. Die Todesschwadrone von Davao City, die sogenannten Davao Death Squads, nehmen sich der Gesetzesbrecher auf ihre Weise an. Über 1000 Kriminelle sollen so Schätzungen zufolge bereits beseitigt worden sein.

Offiziell lässt sich zu Duterte keine Verbindung nachweisen, doch der Bürgermeister beschreibt ohne große Umschweife, wie er mit Kriminellen umzugehen gedenkt. "Wenn Sie in meiner Stadt illegalen Aktivitäten nachgehen, kriminell sind oder Teil einer kriminellen Organisation, dann sind Sie, solange ich Bürgermeister bin, ein legitimes Ziel für ein Attentat", sagte Duterte 2011 Reportern.

Vor wenigen Tagen legte er nach. Ein neuer Menschenrechtsbericht attestierte ihm, für den Tod von rund 700 Kriminellen verantwortlich zu sein. Als er von Reportern gefragt wurde, wie viele Menschen er denn tatsächlich beseitigt habe, antwortete er: "Sie haben sich verrechnet. Sie sagen, es waren 700. Machen Sie 1700 daraus". Es ist genau dieser Stil, der auf den Philippinen für größte Kontroversen sorgt. Die einen begrüßen Dutertes speziellen Pragmatismus, die anderen möchten in ihren Städten keine "Death Squads" sehen.

"Duterte ist hart, aber gerecht"

Inwieweit Duterte diesen Stil im Falle einer Präsidentschaft auf das Land ausweiten will, ist noch unklar. Doch allein dass er kandidiert, ist aufgrund seiner Geschichte schon eine klare Botschaft. Seit er seine Kandidatur bekanntgegeben hat, beherrscht das Thema die Medien in dem Land. Janice findet seinen Stil genau richtig. "Duterte ist hart, aber er ist gerecht", sagt sie. Dem derzeitigen Präsidenten Benigno Aquino III. fehle es dagegen völlig an Profil,.

All das, was sie am derzeitigen Zustand bemängelt, lässt sich nachvollziehen. Das Land ist wie gelähmt. Trotz seiner reichen Rohstoffvorkommen und einem Wirtschaftswachstum von voraussichtlich über sechs Prozent in 2015 kommt bei der Bevölkerung kaum Wohlstand an. Nicht nur in den Slums der Millionenstädte Manila und Cebu City leben Millionen unter ärmlichsten Bedingungen, auch in kleineren Städten ist das Elend allgegenwärtig. Technologischer Fortschritt ist kaum erkennbar. Die Internetverbindungen in dem Land etwa gehören zu den langsamsten in ganz Asien.

In den Siebzigerjahren galten die Philippinen als Hoffnungsträger der südostasiatischen Staaten und genossen einen höheren Wohlstand als Singapur. Inzwischen sind solche Vergleiche undenkbar, die Philippinen wurden von den meisten südostasiatischen Staaten abgehängt.

"Ich weiß, für euch Deutsche hört sich das wahrscheinlich komisch an, doch ich wünsche mir manchmal unseren Diktator zurück", sagt Janice. Sie spricht vom philippinischen Machthaber Marcos, der das Inselreich zwei Jahrzehnte mit harter Hand führte und von dem viele sagen, dass unter ihm einiges besser war. Wenn Duterte Präsident würde, könnte es vielleicht ein wenig werden wie damals: hart aber fortschrittlich. "Ich glaube, ein kleiner Diktator wäre einfach gut."

Quelle: ntv.de

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