Politik

EM wird zum PR-Desaster Der Ukraine droht die Isolation

Timoschenko-Anhänger demonstrieren in Kiew.

Timoschenko-Anhänger demonstrieren in Kiew.

(Foto: REUTERS)

Das hatte sich die Ukraine anders gedacht. Die Europameisterschaft sollte eine große Bühne werden. Nicht nur für hochklassige und spannende Spiele im Wettstreit um den Titel der besten Fußballnation auf dem Kontinent. Die Ukraine wollte sich auch als politisches gereiftes und weltoffenes Land präsentieren. Daraus wird nichts.

Der Fall der inhaftierten Ex-Ministerpräsidentin Julia Timoschenko zieht einen langen und immer dunkler werdenden Schatten. Bundespräsident Joachim Gauck hat bereits einen Arbeitsbesuch in der Ukraine abgesagt, Bundeskanzlerin Angela Merkel und andere Politiker erwägen, geplante Spielbesuche aus Protest am Vorgehen gegen die Oppositionspolitikerin zu boykottieren. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich will nur Spiele besuchen, wenn er vorher Timoschenko treffen kann.

Selbst wenn die Führung um Staatspräsident Viktor Janukowitsch einlenkt und Timoschenko doch ausreisen darf, um ihren schweren Bandscheibenvorfall an der Berliner Charité behandeln zu lassen - der Imageschaden für die Ukraine könnte wenige Wochen vor der dem größten europäischen Sport-Event kaum größer sein.

Bislang gibt es wenig Anzeichen für eine Wende. Zwar hat das Gericht in Charkow den zweiten Prozess gegen die Oppositionspolitikerin um gut drei Wochen vertagt, aber in der Sache ändert das wenig. Am Sonntag hat sich nun auch Russland zu Wort gemeldet. Präsident Dmitri Medwedew kritisierte die Situation als "völlig inakzeptabel" kritisiert. Der Ukraine droht eine völlige Isolation.

Mitten hinein in diese Entwicklung explodierten in der Millionenstand Dnepropetrowsk am Freitag dann auch noch mehrere Sprengsätze und verletzten 27 Menschen. Zwar ist die viertgrößte Stadt kein Spielort, dennoch tauchten sofort völlig berechtigte Fragen auf, ob das Land überhaupt ausreichend Sicherheit für Fußballer und Fans bieten kann. Die Hintergründe der Anschläge sind noch immer unklar. Es gibt noch immer kein Bekennerschreiben. Vieles deutet inzwischen jedoch darauf hin, dass es keinen politischen, sondern einen kriminellen Hintergrund gibt.

Auch Timoschenko gegen EM-Absage

Ein Boykott oder eine Absage der EM in der Ukraine - egal mit welcher Begründung - wäre eine Katastrophe für das nach Russland größte Flächenland Europas. Die Investitionen für die EM waren ein wichtiger Faktor für den Wirtschaftsschub der letzten Jahre, sie müssen sich nun im Juni und Juli amortisieren. In der Altstadt von Kiew wird auf Hochtouren gearbeitet, um letzte Schmuddelecken zu beseitigen. An vielen Ecken entstehen Unterkünfte und Herbergen, um alle Fans auch jenseits der teuren Hotelketten unterbringen zu können.

Auch Julia Timoschenko selbst ist gegen einen Boykott oder eine Absage. Denn das würde nicht nur Präsident Janukowitsch, sondern das ganze Land treffen. Zudem könne die Opposition die Euro 2012 als Forum für ihre Proteste nutzen und auf die Missstände aufmerksam machen.

Der Druck aus dem Ausland auf die ukrainische Führung ist riesig und wird anhalten. Noch verbittet sich Kiew das als Einmischung in die inneren Angelegenheiten. Doch in der Regierung gibt es erste Stimmen, die eine schnelle Lösung des Falls Timoschenko noch vor der Fußball-EM wollen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch Janukowitsch inzwischen erkannt hat, wie groß der Schaden für das Ansehen der Ukraine ist, wenn die EM zu einem Desaster gerät, und hinter den Kulissen daran gearbeitet wird, Timoschenko in den nächsten Tagen noch vor Beginn der Euro 2012 ausreisen zu lassen.

Quelle: ntv.de

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