Politik

Fußball-EM in der Ukraine Gabriel ruft Politik zu Boykott auf

Nach dem Anschlag sperrt die Polizei in Dnjepropetrowsk eine Straße in der Nähe des Anschlagortes ab.

Nach dem Anschlag sperrt die Polizei in Dnjepropetrowsk eine Straße in der Nähe des Anschlagortes ab.

(Foto: REUTERS)

SPD-Chef Gabriel ruft alle Politiker dazu auf, nicht zu Fußballspielen in die Ukraine zu fahren. Denn im Stadion riskiere man, "neben Gefängnisdirektoren und Geheimpolizisten" zu sitzen. UN-Generalsekretär Ban ist "tief besorgt" über die Anschlagsserie in der Ukraine.

Nach der Bombenserie mit mindestens 29 Verletzten in der ukrainischen Stadt Dnjepropetrowsk suchen die Ermittler im Co-Gastgeberland der Fußball-EM mit Hochdruck nach den Attentätern. "Diese Terroristen wollen Chaos anrichten, aber wir werden sie schnell finden und ihrer gerechten Strafe zuführen", kündigte Regierungschef Nikolai Asarow an.

Das Innenministerium in Kiew hatte nach den vier Explosionen an verschiedenen Stellen der Industriestadt am Freitag mitgeteilt, es habe weder Anschlagsdrohungen noch ein Bekennerschreiben gegeben.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zeigte sich tief besorgt über die Anschlagsserie in der Ukraine. Wie sein Sprecher mitteilte, habe Ban dem ukrainischen Volk und insbesondere den Familien der Opfer sein herzliches Mitgefühl übermittelt und den Verletzten schnelle Genesung gewünscht.

Der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), forderte die ukrainische Regierung auf, die Sicherheit für Spieler und Fans bei der bevorstehenden Fußball-Europameisterschaft zu gewährleisten. "Die Anschläge sind aber kein Grund, an der Fußball-EM nicht teilzunehmen", sagte er der "Welt".

Gabriel fordert Politiker-Boykott

Wegen des Umgangs der Ukraine mit der früheren Regierungschefin Julia Timoschenko forderte SPD-Chef Sigmar Gabriel alle Politiker zu einem Boykott der Fußball-EM auf. "Politiker müssen aufpassen, dass sie nicht zu Claqueuren des Regimes werden. Denn sie sitzen in den Stadien möglicherweise neben Gefängnisdirektoren und Geheimpolizisten. Im Zweifelsfall sollte man da nicht hinfahren", sagte er der "Bild am Sonntag".

Julia Timoschenko zeigte Blutergüsse, die von Gefängnisaufseher ihr zugefügt haben sollen.

Julia Timoschenko zeigte Blutergüsse, die von Gefängnisaufseher ihr zugefügt haben sollen.

(Foto: REUTERS)

Gabriel lobte, dass Bundespräsident Joachim Gauck wegen des Umgangs mit Timoschenko seinen Besuch in der Ukraine abgesagt hatte. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte es am Freitag offengelassen, ob sie zur Europameisterschaft reisen werde. In die Entscheidung werde aber natürlich die Entwicklung in der Ukraine und der Fall Timoschenko einfließen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.

Die Ukraine trägt vom 8. Juni bis 1. Juli die Fußball-EM gemeinsam mit Polen aus. Die Stadt der Bombenserie, Dnjepropetrowsk, ist keiner der vier Spielorte in der Ex-Sowjetrepublik. Nach den Explosionen in der viertgrößten Stadt der Ukraine sah die Europäische Fußball-Union UEFA zunächst keine Veranlassung zu neuen EM-Sicherheitsmaßnahmen. Die Situation werde aber "beobachtet".

Prozess gegen Timoschenko vertagt

Dnjepropetrowsk ist Timoschenkos Geburtsstadt. An diesem Samstag sollte die Justiz in der Stadt Charkow ungeachtet der massiven Proteste auch aus Deutschland einen zweiten Prozess gegen die 51-Jährige fortsetzen.

Der Prozess wurde allerdings vertagt. Richter Kostjantin Sadowski erklärte, die Fortsetzung des Prozesses könne nicht in Abwesenheit der Politikerin erfolgen. Der Prozess werde deshalb auf den 21. Mai verschoben. Wegen ihres schlechten Gesundheitszustands war Timoschenko auch zum Prozessauftakt am 19. April nicht erschienen.

Vor dem Gericht demonstrierten rund tausend Anhänger Timoschenkos. Der in einem ersten Prozess bereits zu sieben Jahren verurteilten Oppositionsführerin drohen wegen Steuerhinterziehung und Veruntreuung weitere zwölf Jahre Haft. Zudem soll Timoschenko dem Staat umgerechnet 1,8 Millionen Euro zurückzahlen.

In dem Verfahren geht es um ihre Zeit als Chefin des Staatskonzerns Vereinigte Energiesysteme der Ukraine. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft soll Timoschenko in den 1990er Jahren öffentliche Gelder veruntreut und Steuern hinterzogen haben.

Timoschenko protestiert seit einer Woche mit einem Hungerstreik gegen ihre Behandlung im Gefängnis von Charkow. Unter anderem sei sie beim erzwungenen Transport vom Gefängnis in eine Klinik am 20. April von Aufsehern verletzt worden, klagt die Politikerin. Ein ukrainischer Mediziner äußerte auf der Basis von Fotos Zweifel an der Darstellung. Die auf den Bildern zu sehenden Blutergüsse könnten unmöglich älter als zwei Tage sein, sagte Alexander Gurow von der Klinik in Charkow.

Gegner von Timoschenko werfen der Ex-Regierungschefin vor, eine "Simulantin" zu sein. Allerdings haben auch Experten von Weltruf aus der Berliner Charité bestätigt, dass die 51-Jährige schwer krank sei und dringend eine Behandlung benötige. Nach Angaben ihrer Tochter leidet Timoschenko unter einem Bandscheibenvorfall. Bereits in der nächsten Woche würden erneut Ärzte aus Deutschland nach Charkow reisen, um die Führerin der prowestlichen Orangenen Revolution von 2004 zu untersuchen, teilten Medien in Kiew mit.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts

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