Bei Entführung im Jemen Deutsche setzen Hilferuf ab
18.06.2009, 10:38 UhrUnmittelbar während des Überfalls soll die im Jemen vermisste deutsche Familie noch einen telefonischen Hilferuf unternommen haben. Unterdessen ist klar, dass die beiden Pflegehelferinnen bereits kurz nach ihrer Entführung getötet wurden.
Ein Foto der beiden getöten Deutschen, Anita G. (rechts) und Rita S.. Das Bild wurde von den Familien der Opfer autorisiert und stammt von der Immanuel-Kirchengemeinde.
(Foto: AP)
Die im Jemen vermissten deutschen Geiseln sollen noch während des Überfalls durch die Entführer per Handy einen verzweifelten Hilferuf abgesetzt haben. Das berichtete die "Yemen Times" unter Berufung auf einen Informanten in der Provinz Saada. Dort waren die sieben Deutschen zusammen mit einer Koreanerin und einem Briten am Freitag vergangener Woche verschleppt worden.
Den Angaben zufolge riefen sie eine jemenitische Krankenschwester in Saada an, die danach sofort die lokalen Behörden und die Anführer der schiitischen Houthi-Rebellen, die jeweils Teile der Provinz kontrollieren, informiert haben soll. Die Krankenschwester, die zusammen mit den Deutschen im Dschumhuri-Krankenhaus arbeitete, soll berichtet haben, die Deutschen hätten ihr gesagt, sie würden von den Fremden "drangsaliert".
Laut dem Bericht wurde die Gruppe während eines Ausflugs zu einem Bauernhof in der Ortschaft Gharas von drei bewaffneten bärtigen Männern überfallen, die ihnen mit ihrem Geländewagen den Weg versperrten. Anschließend sollen die Entführer mit dem eigenen Auto und dem Wagen der Ausländer quer durch die Provinz gefahren sein.
Houthi-Bewegung wehrt sich
Ein regierungsfreundlicher Lokalpolitiker aus Saada sagte, sie seien am Freitag in dem von den Houthi-Rebellen kontrollierten Gebiet gesichtet worden. Die Houthi-Bewegung stritt erneut jede Beteiligung an der Geiselnahme ab. Sie behauptete, die Regierung versuche ihr das Verbrechen in die Schuhe zu schieben, um eine neue Militäroffensive gegen die Bewegung zu rechtfertigen.
Frauen schon vor Tagen erschossen
Die beiden deutschen Pflegehelferinnen und die südkoreanische Lehrerin wurden von den Entführern wohl schon kurz nach dem telefonischen Hilferuf erschossen. Die Leichen wurden am Montag in einem Flusstal gefunden. Ein jemenitischer Arzt, der die Leichen gesehen hatte, sagte der Zeitung, die Frauen seien bereits drei Tage zuvor erschossen worden. Der Arzt widersprach Medienberichten, wonach die Frauen von den Mördern verstümmelt worden sein sollen. Sie seien mit mehreren Schüssen getötet worden - möglicherweise als sie zu fliehen versuchten.
Im Umfeld wahabitischer Extremistengruppen
Die Entführer sollen nach Informationen des Blattes aus dem Umfeld lokaler wahabitischer Extremistengruppen stammen. Der Wahabismus ist eine puritanische Version des sunnitischen Islam, der im benachbarten Saudi-Arabien Staatsreligion ist. Einige Wahabiten-Gruppen sollen sich in den vergangenen Jahren - teils aus finanziellem Interesse, teils aus religiöser Überzeugung - dem Kampf gegen die schiitischen Anhänger von Rebellenführer Abdulmalik al-Houthi in Saada angeschlossen haben.
Proteste gegen die Entführung
Regierungstreue Jemeniten hatten am Mittwoch eine Demonstration organisiert, um gegen die Entführung und Ermordung der Helfer zu protestieren. Dabei hatten sie unter anderem Bilder der fünfköpfigen Familie aus Sachsen hochgehalten, die sich zusammen mit dem Briten noch in der Gewalt der Entführer befinden soll.
Schuld bei den Opfern
Die jemenitischen Behörden warfen den Entführungsopfern derweil Unvorsichtigkeit vor. Die dem Verteidigungsministerium nahestehende Zeitung "26. September" schrieb, die Deutschen, die Koreanerin und der Brite hätten vor ihrem Ausflug am vergangenen Freitag die Direktion des Dschumhuri-Krankenhauses in Saada, wo sie beschäftigt waren, informieren müssen.
Al-Kaida-Mann packt aus
Nach einer wilden Verfolgungsjagd stellte sich im Jemen ein mutmaßliches Mitglied des Terrornetzwerks Al-Kaida aus Saudi-Arabien den Behörden. Das berichtete das Verteidigungsministerium in Sanaa. Naif Duhais Jahia al-Harbi habe "wichtige Informationen gegeben, die zur Verhaftung einer Reihe von gefährlichen Mitgliedern der Organisation führen werden", hieß es. In welcher Provinz er sich stellte, blieb unklar. Al-Harbis Name steht nicht auf der aktuellen Liste der gefährlichsten Terroristen des saudischen Innenministeriums.
Quelle: ntv.de, dpa