Politik

Wieduwilts Woche Deutschland muss jetst mehr als Seichen setsen

Dieses Plakat richtet sich gegen den russischen Krieg, nicht gegen den Buchstaben Z.

Dieses Plakat richtet sich gegen den russischen Krieg, nicht gegen den Buchstaben Z.

(Foto: picture alliance/dpa)

Die sichtbare Politik besteht zu weiten Teilen aus Simulation: wohlige Symbole und Zeichenpolitik. Doch wir schulden der Ukraine mehr als das.

Sollte ich demnächst versuchen müssen, einen 15 Jahre alten Twingo mit durchgerostetem Unterboden für einen vierstelligen Betrag zu verkaufen, würde ich mir als Erstes eine Schulung beim Bundeswirtschaftsminister buchen: Irgendwie hat Robert Habeck es geschafft, den Deutschen einen Schlingerkurs gegenüber Putin und die Aussicht auf einen kalten Winter und Rezession als großartige Politik zu verkaufen. Seine Medienauftritte werden umjubelt, er sei so ehrlich, heißt es, er nehme uns ernst. Doch Habeck habe ich zusammen mit Annalena Baerbock schon letzte Woche zu Ersatzkanzlern ausgerufen und die herzlosen Medienmogule bei ntv.de erwarten jede Woche ein neues Thema. Also: Reden wir über die Inflation der Seichenpolitik.

Seichenpolitik? Das "Z" steht derzeit ein wenig in Verruf. Das Fanal des Alphabets ist Symbol der russischen Aggressoren, es steht für "Sieg", und inzwischen taucht es nicht nur auf Panzern in der Ukraine auf, sondern auch auf Heckscheiben deutscher Wüteriche. Ein echtes Problem ist das eigentlich nicht: 22 Fälle zählt Nordrhein-Westfalen, dass Putinfans den Reichstag stürmen, ist nicht zu erwarten. Doch das "Z" ist eine wunderbare Vorlage für einige Minister, schmerzlos Entschlossenheit gegen Putin zu simulieren, vom Sofa aus. Und so war bald zu lesen, dass etliche Bundesländer jetzt das "Z" verböten. Viele Medien schrieben die Heldentat auf, etwa hier, hier oder hier.

Angesichts dieser Propaganda schnalzt man vermutlich sogar im Kreml anerkennend mit der Zunge: Die Landespolitiker können das Strafrecht in etwa so sehr beeinflussen, wie ich die Sonne ausniesen kann. Das Strafrecht macht ausschließlich der Bund und kein Land kann an den Konturen dieses schärfsten Schwerts des Staates etwas ändern.

Verlogene Heldentat der Landesfürsten

Alles, was so ein Landesminister kann: die Polizei zum Ermitteln ermuntern. Das müssen die aber eh, wenn das "Z" als Billigung eines Angriffskriegs zu lesen ist. Sie kennen dieses Verhalten: Es sind jene Chefs, die genau das anordnen, was ihre Angestellten ohnehin gerade vorhaben. Es ist ein echter Stromberg-Move. "Länder, die so tun, als ob sie hier eine Verfolgbarkeit erfinden können, erwecken einen falschen Eindruck", kommentierte der Strafrechts-Professor Uwe Murmann in der "FAZ.

Die Erfahrungen mit dem Verbieten einzelner Symbole sind eh durchwachsen und keineswegs unumstritten. Die Swastika etwa ist in Deutschland verboten, was vor vielen Jahren zur Verurteilung eines Versandhändlers von antifaschistischen Symbolen führte: Denn auch das durchgestrichene Hakenkreuz sei kriminell, so die erbsenblöde Argumentation des Stuttgarter Landgerichts damals. Ähnliche "Missverständnisse" könnte also bald das "Z" hervorrufen. Ohnehin werden Unbelehrbare ein abgewandeltes "Z" verwenden, wie schon bei den Nazi-Symbolen. Und ist nicht ein Symbolverbot eher Ausdruck totalitärer Regime?

Das Beste an billiger Zeichenpolitik ist eben, dass sie billig ist. Die Zürcher Versicherungen streichen den Buchstaben in der Werbung, Samsung von seinem "Galaxy Z", bei der "Zeit" ist man vermutlich noch am Grübeln. Ähnlich billig wie das Z-Radieren war das Zeichen des Bundespräsidenten: Er lud kürzlich ausgerechnet den ukrainischen Botschafter zu einem Friedenskonzert unter Beteiligung russischer Musiker ein, was der Diplomat brüsk ablehnte. So schön wäre das gewesen: Künstler fassen sich an den Händen, alles ist wieder gut. Ein Zeichen, ein Zeichen!

Tugendsignale können wir

Aber Realität ist nun einmal das, was kommunizierbar ist. Manche fordern in ihrer Hilflosigkeit noch mehr Zeichenpolitik ein - auch das ist falsch. So kann man fordern, man müsse jetzt das Porträt von Altkanzler Schröder wegen dessen Putin-Freundschaft aus dem Kanzleramt werfen. Bitte nicht: Eine bessere Mahnung als das Bild einer Gazprom-PR-Schranze gut illuminiert in die Willy-Brandt-Straße Nummer 1 zu hängen, ist kaum vorstellbar.

Im Deutschen ist "ein Zeichen setzen" positiv besetzt, der amerikanische Begriff "virtue signalling" dagegen negativ: Wer das betreibt, ist ein Drückeberger. Solche Tugendsignale beschreiben die deutsche Russland-Linie recht gut. "Weshalb werde ich das Gefühl nicht los, dass die deutsche Politik sich der Realität des Krieges in der Ukraine nicht stellen will?", fragte der Publizist Ralf Fücks kürzlich. Recht hat er: Ukraine-Flaggen, Konzerte und Z-Verbote sorgen vor allem für ein wohliges Ego, nicht für Veränderung. Man stelle sich vor, die Alliierten hätten im Zweiten Weltkrieg Davidsterne an ihre Hauswände projiziert, statt in Deutschland einzumarschieren.

Die Deutschen loben Tugendsignale, aber rüffeln wehrhaftes Handeln. Die stets übelnehmende Reaktion der deutschen Öffentlichkeit für Völker, die sich wehren, statt nur Zeichen zu setzen, kann man regelmäßig am Beispiel Israel beobachten. Seit Beginn des russischen Überfalls erinnert mich die Ukraine an dieses Land: der hartleibige Humor, die grimmige Entschlossenheit, die schiere Lust an westlicher Freiheit.

Kein geschenkter Frieden

Wir dagegen eiern seit Wochen um ein Energieembargo herum und freuen uns jetzt, dass der Despot im Kreml uns mit Euro zahlen lässt - also vielleicht, mal sehen, ist noch etwas unklar alles. Nachdem wir Putin eine Gaspipeline zum Erwürgen überreichten, ihm beim Zerbomben ukrainischer Städte zuschauen, hoffen wir nun noch auf Akzeptanz des richtigen Zahlungsmittels - als wäre Russland ein leicht unseriöser Online-Shop.

Wir tragen Verantwortung, gerade wegen der verdammten Röhre. Den eigenen historischen Irrsinn sollten wir uns etwas kosten lassen. Selbst, wenn die Zahlungen für Energie nicht unmittelbar in den Panzerbau wandern, stützen wir doch das System Putin, wie Robert Habeck selbst so treuherzig einräumte, mit Hunderten Millionen Euro täglich. Wollen wir das?

Und so kommen wir dann doch noch zu den grünen Medienstars: Es ist ja schön, dass Habeck und Baerbock zeitgemäß kommunizieren und emotionale Zeichen setzen, dass sie uns und die Lage ernst nehmen. Aber das reicht so wenig wie klassische Musik oder Buchstabenverbote. Wir müssen mit den Ukrainern in den mentalen Bunker - weil wir es wollen, nicht erst dann, wenn Russland uns zwingt.

Der Gashahn muss zu, wenn wir morgen noch das Spiegelbild ertragen wollen. Jetst.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen