Politik

Chancen der Kinder Deutschland nur Mittelmaß

Nicht nur bei der schulischen Ausbildung, auch bei der allgemeinen Situation von Kindern ist Deutschland nur Mittelmaß. Bei einer UNICEF-Studie kam die Bundesrepublik nur auf Platz elf. Es ist die erste internationale Vergleichsstudie zur Situation der Kinder in Industriestaaten.

"Deutschland erreicht in allen Dimensionen nur durchschnittliche Werte", hieß es in der Studie. Für die Untersuchung hat UNICEF sechs Lebensbereiche herangezogen und verglichen. Dazu zählen die materielle Situation von Kindern, ihre Gesundheit, die Bildung und ihre Beziehungen zu Eltern und Gleichaltrigen. Die Untersuchung berücksichtigt aber auch die Lebensweise und Risiken sowie die Selbsteinschätzung von Kindern und Jugendlichen.

Die Siegerländer sind - wenig überraschend - die skandinavischen Länder und die Niederlande. Platz eins belegten die Niederlande, gefolgt von Schweden, Dänemark und Finnland. Besonders schlecht schnitten Großbritannien, die USA, Österreich und Ungarn ab.

UNICEF fordert Ganztagsschulen

"Wir müssen uns an den guten internationalen Beispielen orientieren", forderte UNICEF-Geschäftsführer Dietrich Garlichs bei n-tv. "Wir müssen den Kindern verlässlichere Umwelten auch außerhalb der Familie schaffen. Familie ist natürlich der wichtigste Bereich für Kinder, aber er ist nicht der einzige und die Familie kann nicht alles schaffen - gerade wo es heute üblich ist, dass beide Elternteile arbeiten."

Garlichs forderte einen Ausbau der Ganztagsschulen. Die traditionelle deutsche Halbtagsschule sei "vielleicht im 19. Jahrhundert das Richtige" gewesen.

Vorbild Nordeuropa: Familienpolitik als Mix

Die nordeuropäischen Staaten haben nach Ansicht von UNICEF früh damit begonnen, Familienpolitik als einen Mix unterschiedlicher Maßnahmen zu begreifen. Dazu gehörten Krippen und Kindergärten genauso wie Impfprogramme und Verkehrssicherheit.

Nach Einschätzung dänischer Demographen ist es durch diese Mischung gelungen, die Geburtenraten zu stabilisieren und beiden Elternteilen Erwerbsarbeit zu ermöglichen. Ein Ergebnis sei ein höheres Familieneinkommen.

"Hoch spannend und hoch bedrohlich"

Dass Deutschland im Nationen-Vergleich nur im Mittelfeld liegt, nannte die UNICEF-Vorsitzende Heide Simonis "hoch spannend und hoch bedrohlich". Simonis kritisierte zugleich die Versäumnisse der deutschen Politik. Versprechen und Ankündigungen deckten sich nicht mit dem Handeln, sagte sie. Mit Großbritannien teile sich die Bundesrepublik den zweifelhaften Ruhm, dass Kinder und Jugendliche am häufigsten Alkohol tränken. Beim Rauchen belege Deutschland sogar den negativen Spitzenplatz.

Ähnlich äußerte sich der Wissenschaftler Hans Bertram von der Berliner Humboldt-Universität, der den internationalen Vergleich durch eine vertiefende Studie für Deutschland ergänzt hat. "Politik für Kinder ist in Deutschland meist nur Mittel zum Zweck, um Arbeitsmarktprobleme zu entschärfen oder die Rentenkassen zu füllen", betonte er. Es fehle ein Gesamtkonzept.

Innerhalb Deutschlands gibt es starke regionale Unterschiede. Kinder in Baden-Württemberg und Bayern haben danach günstigere Aussichten als in Bremen oder Berlin. Als Besorgnis erregend wertet die Untersuchung den Nikotin- und Alkoholmissbrauch von deutschen Kindern und Jugendlichen. Mehr als die Hälfte der deutschen Kinder und Jugendlichen beklage darüber hinaus, dass ihre Eltern kaum Zeit für eine Unterhaltung mit ihnen haben. Ein Drittel der Jugendlichen rechnet auch nicht mehr damit, später eine qualifizierte Arbeit zu finden.

Quelle: ntv.de

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