Chronologie (1) Die BSE-Krise
19.02.2001, 21:30 UhrDer Rinderwahnsinn BSE hat zunächst in England für Furore gesorgt. In Großbritannien war die Krankheit erstmals 1986 nachgewiesen worden. Deutschland, das "british beef" vier Jahre lang vom Markt verbannte, galt bis Mitte November letzten Jahres als BSE-frei. Dann bestätigten Behörden am 24. November, dass ein 1996 in Schleswig-Holstein geborenes Rind an der Seuche erkrankt war. Nun sucht die Politik verzweifelt nach Wegen aus der Krise.
1920
Die Neurologen Hans-Georg Creutzfeldt (1885-1964) und Alfons Jakob (1884-1931) beschreiben erstmals die später nach ihnen benannte tödliche Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK) des menschlichen Gehirns.
1961
Die Schafskrankheit Scrapie läßt sich durch Futter auf Schafe und Ziegen übertragen
1974
In Großbritannien erkranken rund 100.000 Schafe an der Traberkrankheit (Scrapie). Die Kadaver werden zu Tiermehl verarbeitet. Das Tiermehl, das an Rinder verfüttert wird, enthält die krankmachenden Scrapie-Prionen (Eiweiße).
Entwicklung der Rinderseuche
1986
Die Rinderseuche BSE (Bovine Spongiforme Enzephalopathie) wird erstmals in Großbritannien entdeckt. Die degenerative Hirnerkrankung ähnelt Scrapie. Bis Ende 1987 werden mehr als 440 Fälle gezählt.
1988
Großbritannien führt die Meldepflicht für BSE ein und ordnet die Schlachtung und Vernichtung von erkrankten Rindern oder dem Verdacht auf Rinderwahnsinn an. London verbietet die Verfütterung von Tiermehl an Wiederkäuer. Das Verbot wird kaum eingehalten, Ausfuhren werden nicht kontrolliert. Im Oktober 1988 wird die Übertragnug von BSE auf Mäuse wissenschaftlich bewiesen. BSE kann also die Artenschranke überwinden.
1989
Deutschland stoppt den Import britischen Tiermehls. Die Europäische Union (EU) untersagt den Import lebender britischer Rinder, die vor Juli 1988 geboren wurden. In England entdeckt der Neuropathologe Robert Perry, dass BSE auch auf den Menschen übertragbar ist.
Verbreitung von BSE
1990
Die EU verhängt ein Exportverbot für britische Rinder, die älter als sechs Monate alt sind.
1992
Aus Deutschland wird der erste BSE-Fall gemeldet. In England, wo die Seuche ihren Höhepunkt erreicht, entwickelt der Mikrobiologe Harash Narang den ersten BSE-Test, der bei Rindern auch ohne bestehende Symptome, eine Erkrankung erkennt. 1992 sterben in England 37.280 Rinder an BSE.
1994
Die EU verhängt ein Importverbot für britisches Rindfleisch.
1995
Eine neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit wird in Großbritannien entdeckt. Das erste Todesopfer: der erst 19-jährige Stephen Churchill. In Deutschland beschließt der Bundesrat gegen den Protest des damaligen Bundesgesundheitsministers Horst Seehofer ein totales Importverbot für britische Rinder.
1996
20. März:
Die britische Regierung gesteht ein, dass vom Rinderwahnsinn Gesundheitsgefahren für den Menschen ausgehen.
27. März:
Die EU verhängt ein weltweites Exportverbot für britische Rinder und Rinderprodukte.
1997
3.Juli:
Die EU deckt den illegalen Export von 1600 Tonnen Rindfleisch aus Großbritannien auf.
26. September:
Britische Forscher erbringen den Beweis: die neue Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (nCJK) ist die humane Form des Rinderwahnsinns BSE.
1998
23. April:
Einführung von BSE-Schnelltests durch die EU
25. November:
Die EU hebt das Exportverbot auf, nur Deutschland votiert dagegen.
1999
Deutschland nennt Bedingungen für die Aufhebung des Embargos gegen britisches Rindfleisch: Etikettierung und BSE-Tests.
Der Ausbruch von BSE in Deutschland
2000
17. März:
Der Bundesrat beschließt ein Ende des Einfuhrverbots.
21. November:
Die EU beschließt: keine nationalen Alleingänge. Die Landwirtschaftsminister einigen sich auf flächendeckende BSE-Schnelltests ab Januar 2001. Alle verendeten und notgeschlachteten Rinder im Alter von mehr als 30 Monaten sollen auf BSE getestet werden.
24. November:
Erster Alarm nach zwei BSE-Meldungen. Bei einem Rind aus Schleswig-Holstein bestätigt sich der Verdacht. Ein auf den Azoren positiv getestetes Tier kommt nicht - wie zunächst behauptet - aus Sachsen-Anhalt. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) verlangt ein sofortiges Verbot der Verfütterung von Tiermehl, das als ein Überträger von BSE gilt. Das Agrarministerium schlägt eine Eilverordnung vor. Aus den Ländern wird ein Importverbot von britischem Fleisch gefordert.
25. November:
Ein Bund-Länder-Krisenstab schlägt eine Eilverordnung über ein generelles Fütterungsverbot für Tiermehl vor.
26. November:
EU-Kommissar David Byrne wirft der Bundesregierung vor, bis vor kurzem wichtige Maßnahmen blockiert zu haben.
27. November:
Die Futtermittelindustrie erklärt sich nach Gesprächen mit dem Landwirtschaftsministerium zum sofortigen Verzicht auf Auslieferung und Export von Tiermehl bereit.
28. November:
Die rot-grüne Koalition will das Tiermehl-Verbot per Gesetz regeln. Mehrere Landeskabinette beschließen den Ausbau von Labors für BSE-Schnelltests. Umweltverbände fordern eine radikale Abkehr von der industriellen Massentierhaltung.
29. November:
Deutsche Wissenschaftler vermuten, dass der BSE-Erreger auch über Böden und Weiden übertragen werden könnte.
1. Dezember:
Nach dem Bundestag stimmt der Bundesrat dem Eilgesetz für ein generelles Tiermehlverbot zu. Die Länderkammer fordert eine maßgebliche Beteiligung von Bund und EU an den Folgekosten. Gesundheitsministerin Andrea Fischer schreibt in einer Dringlichkeitsverordnung Pflichttests an allen geschlachteten Rindern über 30 Monaten vor.
2. Dezember:
Das deutsche Tiermehlverbot tritt in Kraft.
4. Dezember:
Deutschem und französischem Vorbild folgend beschließt der Rat der EU-Agrarminister ein auf ein halbes Jahr befristetes EU-weites Tiermehl-Verbot ab 1. Januar 2001.
6. Dezember:
Die verbindlichen BSE-Tests laufen an.
14. Dezember:
Bund und Länder setzen Arbeitsgruppe ein, die bis Ende Januar Lösungen für die umstrittene Kostenaufteilung zur Bewältigung der BSE-Krise vorlegen soll.
17. Dezember:
Erster BSE-Fall in Bayern bestätigt. Die 1995 geborene Kuh aus Sulzberg im Oberallgäu stammte aus einem Familienbetrieb.
20. Dezember:
Der erste Fall, bei dem BSE möglicherweise bei einem lebenden Rind offen zum Ausbruch kam, wird bekannt. Die Kuh wurde vor sechseinhalb Jahren in Rottenbuch in Oberbayern geboren.
21. Dezember:
Die Zahl der bestätigten BSE-Fälle aus deutschen Betrieben steigt auf fünf.
28. Dezember:
Erster BSE-Fall in Niedersachsen. Die vier Jahre alte Kuh aus einem Betrieb in Nortrup bei Bersenbrück im Landkreis Osnabrück war am 20. Dezember notgeschlachtet worden.
29. Dezember:
Sachsen-Anhalt führt als erstes Bundesland eine Gen-Datenbank für Rinder ein. Schröder beauftragt die Präsidentin des Bundesrechnungshofs, Hedda von Wedel, mit einer Schwachstellenanalyse zur BSE-Krise. Landwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke fordert von Futtermittelherstellern freiwillige Angaben über die Zusammensetzung der Produkte.
Quelle: ntv.de