Grüne erwägen Beschluss gegen Koalition mit Union Die Basis setzt auf Ausschließeritis
24.01.2013, 11:53 Uhr
Jürgen Trittin wäre gern Finanzminister. Und auch Katrin Göring-Eckardt hätte wohl nichts gegen einen Posten in der Regierung.
(Foto: picture alliance / dpa)
Auf einem Parteitag sollen die Grünen einer Koalition mit der Union endgültig eine Absage erteilen - durch einen formellen Beschluss. Das fordert die Basis der Partei, und sie kann gute Gründe dafür vorlegen. Doch die Grünen-Spitze hadert - sie ist es leid, auf der Oppositionsbank zu sitzen.
Wäre am Sonntag Bundestagswahl, die Parteien steckten in einer vertrackten Lage: Die Union kommt laut Umfragen auf 42 Prozent. Ihr Wunschkoalitionspartner FDP fliegt aus dem Parlament, allein hat sie keine Mehrheit. Doch auch eine rot-grüne Koalition bekommt mit ihren 37 Prozent keine Mehrheit zustande. Große Koalition oder Schwarz-Grün - das sind die denkbaren Optionen. Zumindest theoretisch. Die grüne Basis will eine Koalition mit der Union per Parteitagsbeschluss ausschließen. Das ist für die Grünen eine Chance und eine Gefahr zugleich.

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"Wenn die Schwarz-Grün-Debatte weiter befeuert wird, muss man den Brand auf einem Parteitag löschen", sagte der baden-württembergische Landesvorsitzende Chris Kühn der "Süddeutschen Zeitung". Kühn sprang der Sprecher der Grünen Jugend zur Seite. "Auf unserem nächsten Parteitag beschließen wir erst einmal ein Wahlprogramm, das auch dem letzten klarmachen sollte: Schwarz-Grün ist keine Option", sagte er. "Wenn sich danach aber weiterhin jede Woche irgendwer bemüßigt fühlt, Schwarz-Grün zu fordern, kommen wir nicht drum herum, die Frage etwa bei einem Länderrat (also einem kleinen Parteitag) endgültig zu klären und Schwarz-Grün formal auszuschließen."
Kretschmann und Janecek sind offen
Eine Reihe von Grünen Realpolitikern hatte zuvor wiederholt dafür geworben, sich einer Koalition mit CDU und CSU zu öffnen. So sagte der bayerische Grünen-Chef Dieter Janecek der "taz": "Wenn es für unsere Wunschoption Rot-Grün im September nicht reicht, müssen wir auch mit anderen reden." Er fügte hinzu: "Unsere Wähler würden nicht akzeptieren, dass wir uns automatisch in die Schmollecke der Opposition zurückziehen."
Auch der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann liebäugelt mit der Union. "Da Schwarz-Gelb regiert, kämpfen wir im Bund dafür, sie durch Rot-Grün abzulösen. Wenn es dafür aber nicht reicht, sind wir so selbstbewusst, nichts auszuschließen", sagte er der "Bild"-Zeitung.
Bei den Politikern, die sich klar dafür aussprechen, im Zweifel auch mit der Union zu regieren, handelt es sich nur um vereinzelte Stimmen. Dennoch sorgt jede derartige Wortmeldung in Berlin für gehörigen Wirbel. Und das vor allem aus einem Grund: Die Parteispitze hat noch keine eindeutige Position zu der möglichen Koalition gefunden.
Mit Schwarz-Grün lässt sich keine Wahl gewinnen
Die Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl, Jürgen Trittin und Katrin Göring-Eckardt, versuchten bei der Bundesdelegiertenkonferenz der Partei in Hannover mit aller Macht, sich von Schwarz-Grün zu distanzieren. Sie erklärten eine Koalition zwar für inhaltlich unvorstellbar. Einen formalen Ausschluss wagten sie aber bis heute nicht. Und ihre Zerrissenheit hat einen Grund.
Eine Koalition mit der Union ist derzeit die einzige realistische Chance der Grünen auf eine Regierungsbeteiligung. Und die ist erklärtes Ziel der Partei. Zugleich gilt aber: Auch wenn die inhaltlichen Differenzen zur Union bei weitem nicht mehr so groß sind, wie es manch ein Spitzengrüner behauptet, herrscht in der grünen Wählerschaft noch immer gewaltige ideologische Ablehnung.
Eine interne Wählerbefragung des Instituts TNS Infratest zeigt: 72 Prozent der Grünen-Anhänger wünschen sich eine Koalition mit der SPD. Für eine Regierung mit CDU und CSU können sich nur 10 Prozent begeistern. Noch dramatischer für die Partei ist eine zweite Statistik. Danach würden 55 Prozent der Grünen-Wähler der Partei ihre Stimme verweigern, wenn die sich zur Union öffnet.
Die Grünen stecken in einem strategischen und moralischen Dilemma. Wenn die Partei wirklich regieren will, darf sie Schwarz-Grün nicht ausschließen. Nur ihre Wähler sollten davon möglichst nichts mitbekommen.
Quelle: ntv.de