Die entscheidenden Stunden in Doha "Die EU ist peinlich"
07.12.2012, 13:01 Uhr
Die Konferenz von Doha wird von einigen Staaten bewusst in die Länge gezogen.
(Foto: picture alliance / dpa)
In Katar gehen die Klimaverhandlungen in die Verlängerung, keine Seite ist bisher mit dem Erreichten zufrieden. Im Interview mit n-tv.de erklärt die Lili Fuhr, die für die Heinrich-Böll-Stiftung an den Verhandlungen teilgenommen hat, was die entscheidenden Punkte für Erfolg oder Misserfolg der Konferenz sind. Ein großes Problem stellt ausgerechnet Europa dar.
n-tv.de: Die Konferenz in Doha scheint sich in die Länge zu ziehen. Worum geht es gerade?
Lili Fuhr: Es ist wichtig, dass sich die Staaten auf neue Ziele einigen, denn die Verpflichtungen aus dem Kyoto-Protokoll laufen zum Ende des Jahres aus. Gleichzeitig wollen wir 2015 ein neues verbindliches Abkommen beschließen. Beides muss hier im Paket ausgehandelt werden. Dass die Ziele der CO2-Reduktion nach oben korrigiert werden, erwartet hier kaum noch jemand.
Kann denn eine Paketlösung noch erreicht werden?
Die wichtigen Entscheidungen sind noch nicht gefallen. Es sieht so aus, also ob hier noch bis Samstagabend verhandelt wird, also einen Tag länger als geplant. Einige sprechen auch davon, dass sie ihre Flüge auf Montag verschoben haben.
Was ist das Problem?
In den letzten Tagen und Stunden wurde klar, dass die katarische Präsidentschaft ihrer Aufgabe nicht richtig gewachsen ist. Offensichtlich hat sie das diplomatische Geschick, das hier nötig wäre, ziemlich unterschätzt. Außerdem konnte sich Katar nicht genug von Saudi-Arabien lösen.
Es fehlt an Führung?
Genau. Das Ganze ist ein sehr komplexer Prozess, der schwer zu steuern ist. Normalerweise holt man sich in einem solchen Fall Hilfe von anderen Ländern, die den Prozess vorantreiben. Das ist aber nicht geschehen. Das Ganze ist so aufwendig, dass wir hier auch aus zeitlichen Gründen noch scheitern können. Ich glaube aber schon, dass es am Ende einen Deal geben wird. Es wird ein Paket von Entscheidungen sein, zu dem dann auch die zweite Kyoto-Periode gehört.
Was macht Europa?
Es gibt einen innereuropäischen Konflikt mit Polen und der wurde vor der Konferenz nicht gelöst. Das fällt den Europäern jetzt auf die Füße. Viele osteuropäische Wirtschaften haben durch die Deindustrialisierung in den vergangenen Jahrzehnten einen Überschuss an CO2-Emissionsrechten, sogenannte "heiße Luft". Wenn wir die in das neue Abkommen aufnehmen, zerstören wir jetzt schon seine Glaubwürdigkeit. Wir verhandeln hier eigentlich über die zweite Periode des Kyoto-Protokolls, aber allen ist klar, dass die Regeln, die wir hier setzen, Präzedenzfälle sind für das Abkommen, das 2015 beschlossen werden soll.
Gleichzeitig ist die Rede von einer weiteren Reduktion der CO2-Ausstoßrechte.
Es ist allen klar, dass wir in diesem Punkt hier nicht weiterkommen. Es wird Druck aufgebaut und die Ziele müssen ausgebaut werden. Wir können nicht erst 2020 weitermachen, wenn das neue Abkommen in Kraft tritt. Die acht Jahre, die bis dahin bleiben, können entscheidend sein. Die globalen Emissionen sollen in dieser Zeit ihren Höhepunkt erreichen.
Um Bewegung in die Verhandlungen zu bringen, hat die deutsche Delegation am Mittwoch Hilfsgelder zugesagt. Hat es diese Bewegung gegeben?
Alle waren im Vorfeld davon ausgegangen, dass es kein neues Geld geben wird. Das war sehr problematisch, denn Geld ist eines der wenigen Mittel, mit dem sich etwas bewegen lässt. Da die EU wegen ihrer eigenen Haushaltsverhandlungen nichts geben konnte, gab es Druck auf ihre Mitgliedstaaten, Geld auf den Tisch zu legen. Einige haben das auch gemacht. Die Zusagen sind ein Tropfen auf den heißen Stein aber trotzdem ein Signal für die Entwicklungsländer, dass es überhaupt Hilfen gibt. Der Green Climate Fund, der das neue große Instrument sein soll, ist bisher noch komplett leer. Es gab keinerlei Zusagen für internationale Klimaschutzmaßnahmen nach 2012. Und das ist natürlich für die Verhandlungen problematisch.
Der deutsche Umweltminister Peter Altmaier will eine "Allianz der Klimaschützer" gründen. Kann so eine Gruppe etwas bewirken?
Herr Altmaier ist nicht der einzige, der gerade solche Ideen hat. Ich glaube, es ist richtig, nicht auf Länder wie die USA zu warten. Sonst kann sich jeder hinter jemandem verstecken. Gleichzeitig bin ich skeptisch, denn einer der Schlüsselakteure wäre die EU, und die EU steht klimapolitisch nicht als Vorreiterin da. Sie versagt sogar darin, ihr eigenes Klimaschutzziel zu erhöhen. Und sie schafft es nicht, im Fall Polens eine innereuropäische Lösung zu finden. Bei einer Allianz progressiver Staaten ist unklar, wer das im Moment überhaupt noch sein soll.
Auf Öl-Staaten wie Katar liegen große Hoffnungen, dass sie den Klimaschutz in Zukunft stärker unterstützen.
Katar hat die Konferenz bekommen, weil man einen Keil zwischen die Golfstaaten treiben wollte. Was alle von Katar erwartet hatten, war, dass sie erstens selbst Geld in die Hand nehmen und zweitens, noch wichtiger, freiwillige Klimaschutzziele auf den Tisch legen und damit eine Führungsrolle übernehmen. Das ist noch nicht ausgeschlossen, aber bislang nicht passiert. Die Golfstaaten sind mit diesen Plänen in der Tasche hierher gekommen, aber Saudi-Arabien hat sie bisher davon abgehalten, die Pläne öffentlich zu machen.
Wie wirkt sich der Tagungsort sonst auf die Konferenz aus?
Es gibt hier eine große Gruppe junger arabischer Klimaaktivisten. Die haben gestern in den Verhandlungen unangekündigt ein Plakat ausgerollt. Den Aktivisten wurde sofort der Konferenz-Ausweis entzogen, der zugleich das Visum war und sie mussten bis Mitternacht das Land verlassen. Solche unangekündigten Aktionen werden ohnehin immer weniger gern gesehen und die Kataris sind darin noch einmal strenger. Es ist schwierig, Aktionen überhaupt noch anzumelden und genehmigt zu bekommen. Und wenn man es dann ohne Genehmigung tut, passiert so etwas. Da war ich auch schockiert.
Es macht also einen Unterschied, ob man Klimaverhandlungen in einer Demokratie oder in einem autoritär geführten Staat abhält?
Das macht auf jeden Fall einen Unterschied. Dazu kommt, dass sich Katar nicht von Saudi-Arabien emanzipiert. Einer der wichtigsten Verhandlungsstränge wird von Saudi-Arabien moderiert. Gerade dort gibt es Verzögerungen, die nun die ganze Konferenz aufhalten. Die katarische Präsidentschaft hat es nicht geschafft, genug Druck zu machen.
Wie wirkt sich die Euro-Krise auf die Verhandlungen aus?
Man spürt sie. Vor einigen Jahren hatte Europa eine Vorreiterrolle, aber schon in Posen 2008 wurde diese Rolle eingebüßt. Polen, Italien und Deutschland blockierten damals und es wurde klar, dass Europa nicht mehr in der Lage ist, eigene ambitionierte Ziele zu setzen. Das liegt an der Krise, aber auch daran, dass im Zuge der Osterweiterung Länder dazu gekommen sind, die stark von fossilen Brennstoffen abhängig sind. Die EU muss hier spontane Ministerratssitzungen abhalten, um zu gucken, dass sie ihre eigenen Probleme gelöst kriegt. Das ist schon peinlich.
Wie agiert Peter Altmaier auf der Konferenz?
Er hat hier meiner Meinung nach noch keine entscheidende Rolle gespielt. Allerdings schauen ganz viele Länder nach Deutschland und sind interessiert daran, inwieweit die deutsche Energiewende gelingt. Da spielt er eine entscheidende Rolle. Es wäre ein seltener Lichtblick, wenn es einem Industrieland tatsächlich gelänge, Wohlstand zu erzeugen und gleichzeitig CO2 zu reduzieren. Und das ist die Botschaft, die wir brauchen. Darum ist es Altmaiers wichtigste Aufgabe, zu Hause zu beweisen, dass es möglich ist.
Mit Lili Fuhr sprach Christoph Herwartz.
Quelle: ntv.de