Politik

Deutschland wird Angela-Merkel-Republik Die Kanzlerin der Einheit

Angela Merkel weiß selbst nicht, warum sie so beliebt ist.

Angela Merkel weiß selbst nicht, warum sie so beliebt ist.

(Foto: REUTERS)

Das Wahlergebnis von CDU und CSU ist kaum zu fassen. Es scheint, als hätte Angela Merkel keine Konkurrenten mehr. Wer gegen sie antritt, hat schon verloren. Wie macht sie das?

An diesem Abend im Konrad-Adenauer-Haus sieht Angela Merkel so aus wie sonst nur auf ihren Wahlplakaten. Sie strahlt über das ganze Gesicht. Aber wie soll jemand schon aussehen, der gerade einen Sieg errungen hat, wie ihn das Land seit über 50 Jahren nicht gesehen hat? Dies ist kein CDU-Sieg. Weiß überhaupt jemand, was die CDU in den nächsten vier Jahren erreichen möchte? Dies ist ein Merkel-Sieg. Hinter Merkel, das sagen alle Analysen, die dazu angestellt wurden, stehen die deutschen Wähler. Bei ihr fühlen sie sich "in guten Händen", wie es die CDU auf einem riesigen Wahlplakat ausdrückt. Ihre Pläne sind dabei so unwichtig, dass die Union kaum mehr wusste, was sie auf Wahlplakate drucken sollte. Deshalb wurde einfach Merkel plakatiert. Merkel, Merkel und noch einmal Merkel.

Für viele Beobachter ist das Ergebnis nicht nur überraschend – es widerspricht einer ganzen Theorie, die Politologen in den vergangenen Jahren aufgestellt hatten. Seit Jahrzehnten fielen die Wahlergebnisse der Volksparteien. Mit nur zwei Ausnahmen musste die Union seit 1957 von Wahl zu Wahl ihre Fraktion verkleinern. Die gesellschaftlichen Milieus werden kleiner und instabiler, hieß es. Eine Partei könne keine großen Mengen an Wählern mehr dauerhaft an sich binden. Nun schießt das Ergebnis von CDU und CSU um fast 10 Prozentpunkte nach oben. Die Wahlforscher scheinen widerlegt.

Der Grund für die Kehrtwende ist nicht, dass die Union ein besonders schlüssiges Wahlprogramm vorgelegt hätte oder dass die Gesellschaft auf einmal wieder konservativer geworden wäre. Im Gegenteil: SPD und Grüne betonen zu Recht immer wieder, dass es gesellschaftliche Mehrheiten für gleichberechtigte Homo-Ehen, für Mindestlöhne, für die Energiewende gibt. Und doch konnten sie mit keinem dieser Themen Stimmen gewinnen.

Warum ist die Kanzlerin so beliebt?

Der Grund für die Kehrtwende ist Angela Merkel –  die Frau, die jahrelang wegen ihrer hängenden Mundwinkel und ihrer Frisur verspottet wurde. Das Satire-Magazin "Titanic" druckte "Merkel-Sammelbildchen", von Monat zu Monat sah sie noch unvorteilhafter aus. Um diese Frau einen Personenkult zu inszenieren, wäre damals keinem Strategen eingefallen. Nun wurde ein ganzer Wahlkampf so sehr auf Merkel zugeschnitten, dass es ihr manchmal selbst unangenehm schien. Auf einmal sollte sie private Fragen beantworten und nicht immer fielen ihr direkt unverfängliche Antworten ein.

Wahrscheinlich weiß Merkel selbst nicht, warum sie so beliebt ist, warum die das Land hinter sich vereinen kann. Nie hat sie von sich aus eine große Reform vorgeschlagen, bislang ist keine große Rede von ihr in Erinnerung. Ihre Vorgänger prägten den außenpolitischen Kurs, gestalteten gesellschaftliche Wenden oder gingen dringend benötigte Reformen an. Merkel reagierte schlicht auf das, was um sie herum passierte.

Merkel trauert der FDP nicht nach

Doch genau das ist es, was die Deutschen an ihr schätzen: Schon in ihrer ersten Regierungszeit hatte es Merkel mit dem Zusammenbruch von Banken zu tun. Ihre Reaktion: Sie garantierte deutschen Kleinsparern, dass ihr Geld sicher sei. In ihrer zweiten Koalition drohte Griechenland pleite zu gehen und die Euro-Zone zu zerreißen. Wieder reagierte Merkel nicht mit einer bahnbrechenden Idee zur Lösung der Krise, sondern verhinderte den Eintritt des größten Risikos. Merkel führte das Land nicht, aber sie verhinderte seinen Absturz. Das ist den Deutschen derzeit das Wichtigste.

Dass Merkel nun ihren Koalitionspartner verloren hat, löste bei ihr nicht einmal Bedauern aus. Sie hat keine Angst davor, dass SPD oder Grüne ihr das Regieren schwer machen. Einen Mindestlohn oder mehr Investitionen in die Energiewende kann sie locker in ihr Portfolio aufnehmen, ohne dass sie ihren Regierungsstil aufgeben müsste. Schon die Parteilinien von CDU, CSU und FDP – früher auch der SPD – verwob sie geschickt zu einer Politik, bei der sich jeder mal als Sieger fühlen konnte. Das Ergebnis war ein richtungsloser Konsens, dessen hervorstechendste Eigenschaft war, dass er niemandem weh tat. Für die Grünen und die SPD ist es gefährlich, sich vereinnahmen zu lassen. Selbst die FDP, die der CDU lange Zeit sehr nahe stand, ließ Merkel fallen: In den letzten zwei Wochen des Wahlkampfes stellte sie sich gegen den Koalitionspartner und nahm ihm letztlich über 2 Millionen Wähler ab. Es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, wann es dem neuen Koalitionspartner ähnlich ergeht – ob es nun die SPD ist oder ob es die Grünen sind.

Quelle: ntv.de

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