Politik

"Merkelsche Art der Leidenschaft" Die Kanzlerin erklärt Europa

DI10152-20110722.jpg3694446899931437665.jpg

(Foto: dapd)

Die Umfragewerte schlecht, die Augenringe tief, doch Angela Merkel rafft sich auf der letzten Pressekonferenz vor dem Urlaub zu einem umfassenden Plädoyer für Europa auf. Sie will sich nicht vorwerfen lassen, das europäische Projekt zu gefährden: "Wenn ich für alles so viel Leidenschaft hätte wie für Europa, dann müsste der Tag 48 Stunden haben."

Eine Halbzeitbilanz sollte Angela Merkel ziehen. Zwei Jahre schwarz-gelbe Koalition geben genug Gesprächsstoff her. Der Salto rückwärts in der Energiepolitik nach der Katastrophe von Fukushima, der ewige Steuerstreit, die EHEC-Epidemie, das Panzergeschäft mitten im Arabischen Frühling - all das reißt die Bundeskanzlerin in ihren einleitenden Worten in der Bundespressekonferenz auch an. Den Hinweis auf die guten Wirtschaftsdaten und die sinkenden Arbeitslosenzahlen lässt sich Merkel ebenfalls nicht nehmen. Aber der griechische Schatten liegt über dieser Fragerunde, die Rettung des Euros gerät zum großen Thema.

Letzter Auftritt vor der Sommerpause: Angela Merkel betritt die Bundespressekonferenz.

Letzter Auftritt vor der Sommerpause: Angela Merkel betritt die Bundespressekonferenz.

(Foto: dapd)

Angela Merkel ist deutlich gezeichnet von den Verhandlungen in Brüssel, bei denen ein neues Paket für Griechenland geschnürt wurde. Trotz ihrer tiefen Augenringe wird sie aber nicht müde, den Schwall der Fragen zu ihrer Haltung in der Euro-Krise zu beantworten. Ganz im Gegensatz zu den Fragen zu ihren Plänen in der Koalition, die sie in kurzen Sätzen abhandelt. Kein einziges Mal in diesen anderthalb Stunden fallen die Namen Guido Westerwelle oder Philipp Rösler, sie spricht lieber von "meinem Außenminister" und "dem Vizekanzler".

"Ach ja, die Leidenschaft"

Der Hauptstadtpresse entgeht Merkels engagierter Auftritt nicht. Eine Journalistin hakt nach, woher die Leidenschaft für die Euro-Problematik komme, Merkel ergeht sich in Detailerklärungen, verliert den Faden. "Was war die Frage? Ach ja, die Leidenschaft." Die Hauptstadtpresse lacht, doch Merkel lässt sich davon nicht beirren. Vielleicht geht ihr der Auftritt ihres früheren Finanzminister Peer Steinbrück vor ein paar Tagen an genau dieser Stelle durch den Kopf. Der SPD-Politiker hatte ihr indirekt vorgeworfen, das Projekt Europa zu gefährden. "Wenn ich für alles so viel Leidenschaft hätte wie für Europa", meint sie, "dann müsste der Tag 48 Stunden haben". Inhaltlich nimmt man der CDU-Politikerin dieses Bekenntnis sofort ab. Ausdauernd und geduldig erklärt sie in verschachtelten Sätzen und Fachbegriffen, warum sich ihre Haltung in der Euro-Krise innerhalb des vergangenen Jahres immer wieder änderte, und sie das Ergebnis des Gipfels gestern trotzdem als einen Erfolg betrachtet.

Aber selbst bei diesem Thema bestätigt sich: Emotional mitreißen kann die Kanzlerin nicht. In der "Merkelschen Art der Leidenschaft", wie sie es selber ausdrückt, referiert sie ihre persönliche Beziehung zu Europa wie andere die Konditionen ihres Bausparvertrages. Sie entwickelt keine Idee eines aus Überzeugung geeinten Europas, sondern eines Europas, das sich aus der Einsicht in die Notwendigkeit zusammenreißen muss. Eindringlich beschwört sie die Bedrohung der wirtschaftlichen Stellung Europas durch die aufstrebenden Schwellenländer. "Wenn wir Fehler machen, kann das auf lange Sicht dramatische Auswirkungen haben". Die Message ist klar: Merkels Linie ist alternativlos.

Wirkliche Begeisterung bringt sie nur auf, als sie über die Reformen in den EU-Ländern spricht. Spanien, lobt sie, habe gerade das Renteneintrittsalter auf 67 Jahre angehoben. Griechenland habe ein schmerzhaftes Reformpaket durchgeboxt. Das ist das Europa, für das Merkel sich erwärmen kann. Ob sie andere mit diesem technokratischen Verständnis mitreißen kann, darf bezweifelt werden.

Die Umfragewerte ihrer Regierung sinken. Nur noch ein Drittel der Deutschen glauben, dass die Union auch in der nächsten Legislaturperiode den Kanzler stellt. Das hat sicher vor allem innenpolitische Gründe, vor allem ist es die FDP, die schwächelt. Es gab aber auch schon Kanzler, die Wahlen mit Außenpolitik gewonnen haben. Sie selber will für eine dritte Amtszeit kandidieren, daran lässt sie auch an diesem Tag keinen Zweifel.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen