Quoten-Streit mit von der Leyen schadet Merkel Die Kanzlerin schwächelt
17.04.2013, 14:44 Uhr
Rivalin oder Parteifreundin?
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Die Abweichler sind auf Linie gebracht. Die schwarz-gelbe Regierung stimmt wohl einstimmig gegen den Antrag von SPD und Grünen für eine Frauenquote. Blamage abgewendet? Keineswegs. Die Einheit der Koalition ist teuer erkauft. Der Aufstand der Arbeitsministerin Ursula von der Leyen schwächt sogar die Autorität von Kanzlerin Merkel.
Es ist ein Schaufensterantrag: Über den Bundesrat erzwingen SPD und Grüne im Bundestag eine Abstimmung über eine feste Frauenquote von zunächst 20, dann 40 Prozent in Führungspositionen der Wirtschaft. Der Antrag der Opposition ist reine Symbolik. Tatsächlich verfügt die schwarz-gelbe Koalition über eine Mehrheit von 21 Sitzen. Für Kanzlerin Angela Merkel wäre die Abstimmung, die an diesem Donnerstag stattfindet, wohl ungefährlich. Wäre da nicht Ursula von der Leyen.
Dass eine Handvoll einfacher Abgeordneter mit einem Antrag der Opposition sympathisiert, ist keine Seltenheit. Den Kopf waschen, einnorden, disziplinieren: In der Regel ordnen sich Parlamentarier dem Fraktionszwang unter. Doch Merkel und ihr Fraktionschef Volker Kauder standen plötzlich vor einem Dilemma. Denn die "Rebellen" hatten mit von der Leyen ein prominentes Gesicht. Was für eine Zukunft hat eine Koalition, in der sogar eine Ministerin gegen deren Kurs stimmt und Gesetze der politischen Gegner verabschieden? Plötzlich drohte alles zu zerbrechen.
Auf Kosten der eigenen Partei taktiert
Merkel knickte schließlich ein. Ein Kompromiss im CDU-Wahlprogramm soll die Abweichler um von der Leyen auf Linie bringen. Die freiwillige "Flexi"-Quote, auf die sich die Union eigentlich geeinigt hatte, soll ab 2020 durch eine feste 30-Prozent-Quote ersetzt werden. Bei der Probeabstimmung stimmte die Union geschlossen gegen die Frauenquote. Die Mehrheit steht nun offenbar. Also alles gut, Blamage abgewendet? Mitnichten. Nach außen mag Schwarz-Gelb an diesem Donnerstag zwar Eintracht signalisieren, aber innerlich trägt die Regierung fünf Monate vor der Wahl immensen Schaden davon. Große Verliererin ist die Kanzlerin. Weil sie sich von der eigenen Ministerin nur allzu offensichtlich erpressen ließ und auf Kosten der eigenen Partei taktierte, erleidet sie eine ihrer empfindlichsten Schlappen.

Schweigende Siegerin in der Mitte: Ursula von der Leyen mit Kristina Schröder und Angela Merkel.
(Foto: picture alliance / dpa)
Es spricht nichts gegen Kurswechsel. Die Kanzlerin hat, wie bei Atomenergie oder Wehrpflicht, schon häufig bewiesen, dass sie sich nicht scheut, konservative Bastionen dem Zeitgeist zu opfern. Inhaltlich schließt Merkel mal wieder eine offene Flanke. Entscheidend ist das Wie: Eigentlich zieht sie es vor, Themen stillschweigend und hinter geschlossenen Türen zu beenden. Ganz still und unaufgeregt. Doch diesmal gelingt es alles andere als geräuschlos. Weil eine Minderheit aufbegehrte, gab die Kanzlerin klein bei.
Keine fünf Monate vergingen, ehe sie mit dem Kurs brach, auf den sich die Union erst im Dezember beim Parteitag in Hannover geeinigt hatte. Merkel schadet damit auch ihrer eigenen Ministerin Kristina Schröder, deren "Flexi"-Modell sie eigentlich unterstützt hatte. Nicht nur an der Basis sieht man es nicht gern, dass sich die Kanzlerin darüber nun hinwegsetzt. Fraktionsvize und Quoten-Gegner Michael Fuchs sagte dem Deutschlandfunk: "Als die CDU in der Opposition war, hat Herbert Wehner mal gesagt: 'Und wenn die CDU das Godesberger Programm zur Abstimmung stellt, dann stimmen wir dagegen'. Genauso wird das auch bei uns sein."
Die gefährliche Rädelsführerin
Merkels Nachgeben überrascht auch, weil es so eindeutig abweicht von ihrem sonstigen Führungsstil. Die Kanzlerin gibt die Richtung vor, die Partei folgt, wenn auch manchmal zähneknirschend – das Quoten-Chaos bricht mit diesem Schema. Dabei gilt die Kanzlerin im Umgang mit Kontrahenten sonst als knallhart. Wie zuletzt bei der Entlassung von Norbert Röttgen scheut sie nicht davor zurück, Widersacher über die Klinge springen zu lassen, wenn sie ihr zu gefährlich werden oder ihr schaden können.
Von der Leyen machte unter ihr Karriere. Aber Merkel sitzt am längeren Hebel. Gewöhnlich reicht ihr eine SMS, um ihre Untergegebenen auf Linie zu bringen. Sie hätte einfach drohen können: von der Leyen, die einen Parteitagsbeschluss so offen ignoriert, sofort zu entlassen oder erst im Herbst nach der gewonnen Bundestagswahl. Die Möglichkeiten einer Parteichefin sind reichhaltig. Falls es Mahnungen gab, dann griffen sie nicht. Merkel ließ es mit ihrem Einlenken schließlich zu, dass von der Leyen ihr in den Rücken fällt.
Aus dem Parteivorstand heißt es, das Beispiel solle nicht Schule machen. Aber alle Abweichler können sich künftig immer auf den Fall von der Leyen berufen. Entweder Quote oder Ende der Koalition - eine Kanzlerin, die sich erpressen lässt. Das Bild der Unantastbaren hat damit zweifellos gelitten, sogar ihre Autorität als Regierungschefin ist beschädigt. Im Machtkampf mit von der Leyen unterliegt Merkel deutlich. Ausgerechnet gegen die Frau, der schon lange vorgehalten wird, sich als ihre Nachfolgerin in Stellung zu bringen. Was macht Merkel gegen die gefährliche Rädelsführerin in den eigenen Reihen? Und wie lange geht das noch gut? Im Wahljahr kann eine Regierungschefin solche Debatten wahrlich nicht gebrauchen.
Quelle: ntv.de