Bundeswehr-Einsatz zur Giftgas-Vernichtung Die Linke will "niemals nie" Ja sagen
09.04.2014, 18:12 Uhr
Bei der Vorstellung der Linken-Kampagne für den Europawahlkampf 2014.
(Foto: imago/Christian Mang)
Es ist der Tag, an dem die Linke fast gezeigt hätte, dass sie unterscheiden kann zwischen Kampfeinsätzen und Friedensmissionen. Dennoch verkneifen SPD und Grüne sich Attacken. Nur die Union kann es nicht lassen.

Gregor Gysi hat den Weg für eine Enthaltung bereitet. Die Linke ging nicht mit.
(Foto: picture alliance / dpa)
Eigentlich hatte Gregor Gysi seiner Partei eine Hintertür offenhalten wollen. Der Linksfraktionschef hatte dafür plädiert, dass die Linke sich bei der Abstimmung über den Einsatz der Bundeswehr bei der Vernichtung syrischer Chemiewaffen enthält. Es wäre ein starkes Signal gewesen: Erstmals hätte die Linke einen Bundeswehreinsatz nicht kategorisch abgelehnt.
Dabei geht es nicht einmal um einen richtigen Bundeswehreinsatz. Die syrischen Chemiewaffen sollen auf einem Spezialschiff der US-Marine im Mittelmeer vernichtet werden, auf der "Cape Ray". Eine deutsche Fregatte soll dafür Begleitschutz geben.
Gysi kann sich dennoch nicht gegen eine Gruppe von Abgeordneten um seine Stellvertreterin Sahra Wagenknecht durchsetzen. So sieht das Signal ein wenig anders aus: 35 Linken-Abgeordnete stimmen am Ende mit Nein, 18 Abgeordnete enthalten sich. Alle anderen Fraktionen sind geschlossen für den Einsatz - lediglich bei der SPD gibt es eine Enthaltung.
"Gegenbeweis der Regierungsfähigkeit ist erbracht"
Der Streit innerhalb der Linksfraktion ist die Folie, vor der die Abschlussdebatte im Bundestag läuft. Alle Redner arbeiten sich an den Linken ab. Denn egal, wie man zur Haltung der Linken steht, so viel ist klar: Eine Fraktion, die einem solchen Einsatz nicht zustimmt, kommt als Koalitionspartner für Rot-Grün nicht infrage.
Während die Redner von SPD und Grünen dies höflich verschweigen, lassen sich die der Union die Vorlage nicht entgehen: Wenn irgendjemand gedacht habe, die Linke könne außenpolitisch verantwortungsvoll handeln, dann sei jetzt der Gegenbeweis erbracht, sagt der CDU-Abgeordnete Thorsten Frei.
Sehr nüchtern geht dagegen der SPD-Abgeordnete Rolf Mützenich die Argumente der Kritiker in den Reihen der Linksfraktion durch. Er habe "hohen Respekt" vor Abgeordneten, die einem Bundeswehrmandat nicht zustimmen könnten, betont Mützenich. Aber heute gehe es nicht darum, zu intervenieren oder Soldaten in Friedensmissionen zu schicken. Es gehe darum, Abrüstung und Diplomatie wieder in den Vordergrund zu rücken.
"Niemals nie"
In diesem Punkt gibt der Linken-Abgeordnete Jan van Aken Mützenich ausdrücklich Recht. Es gebe gute Argumente für den Einsatz und gute Argumente dagegen, er selbst werde sich daher enthalten. Aber er sagt auch, er sei "so was von erleichtert und froh" darüber, dass das syrische Chemiewaffenprogramm endlich zerstört werde. Van Aken ist zweifellos der glaubwürdigste Redner, den die Linke bei diesem Thema hätte aufbieten können: Von 2004 bis 2006 war er Biowaffeninspekteur der Vereinten Nationen. Als Abrüstungsexperte genießt er fraktionsübergreifend einen guten Ruf.
"Natürlich" müsse das Schiff geschützt werden, auf dem die Chemiewaffen zerstört würden, räumt van Aken ein. Das sehen einige seiner Fraktionskollegen zwar anders. Aber auch für sie hat er Argumente parat. Denn man könne den Einsatz nicht isoliert betrachten - er füge sich ein in eine Militarisierung der Außenpolitik, die die Linke "niemals nie" mittragen werde.
Und dennoch stimmen fünf Linken-Abgeordnete mit Ja, darunter der Außenpolitiker Stefan Liebich. Es sei bekannt, dass es in seiner Fraktion Kontroversen zu dem Thema gebe, sagt Liebich n-tv.de. Aber er sei gern Mitglied einer Fraktion, für die der Einsatz der Bundeswehr im Ausland nicht selbstverständlich sei. Warum? "Weil über die vielen Jahre bei den anderen Fraktionen eine gewisse Gewöhnung eingezogen zu sein scheint."
Van Aken beklatscht einen Grünen
Wie sein SPD-Kollege verzichtet der Grünen-Abgeordnete Omid Nouripour auf Attacken gegen die Linke. Dazu muss man wissen, dass van Aken die Grünen am Wochenende "die größten Kriegstreiber im Bundestag" genannt hatte.
Nouripour erzählt, ein Verwandter von ihm sei beim irakischen Giftgasangriff auf die Stadt Halabdscha am 16. März 1988 dabei gewesen. Er habe ihn später im Krankenhaus besucht - der Grüne ist in Teheran zur Welt gekommen, den Iran hat er als Kind wenige Monate nach dem Giftgasangriff auf Halabdscha verlassen. Wer auch nur von einem solchen Chemiewaffeneinsatz gehört habe, der wisse, dass man alles dafür tun müsse, dass sich solche Gräueltaten nicht wiederholen, sagt Nouripour. Da klatscht das ganze Haus - auch van Aken.
Es bleibt die einzige Demonstration der Geschlossenheit in dieser Debatte. In einer persönlichen Erklärung betont die Linken-Abgeordnete Annette Groth, sie lehne "alle Militäreinsätze und Rüstungsexporte grundsätzlich ab". Alle Militäreinsätze. Rumms. Die Hintertür ist zu.
Quelle: ntv.de