Kein Preis für Leadership Die Quadriga-Blamage
15.07.2011, 12:01 UhrDie geplante Vergabe der sogenannten Quadriga an den russischen Ministerpräsidenten Putin sorgt für Aufregung. Zwei Mitglieder des Kuratoriums sind zurückgetreten, andere distanzieren sich, die meisten schweigen. Putin selbst äußert sich nicht. Ihm dürfte die Debatte gleichgültig sein.

Für den Chefideologen des Kreml ist Putin - hier auf ein Werbeplakat in Moskau montiert - ein "Gesandter Gottes". Kritik aus Deutschland perlt da eher ab.
(Foto: REUTERS)
Preise und Auszeichnungen gibt es wie Sand am Meer: das Bambi, die Goldene Henne, den Point-Alpha-Preis, den Karlspreis und den Krawattenmann des Jahres. Meist werden die Preisträger achselzuckend zur Kenntnis genommen und gleich wieder vergessen. Insofern ist die Aufregung um die Auszeichnung, die Russlands Ministerpräsident Wladimir Putin am 3. Oktober erhalten soll, ein Erfolg.
Der Preis heißt Quadriga, es gibt ihn erst seit 2003, verliehen wird er vom privaten Verein Werkstatt Deutschland. Putin ist nicht der einzige Preisträger dieses Jahres, die anderen sind die mexikanische Außenministerin Patricia Espinosa, der palästinensische Premierminister Salam Fayyad und die Gelsenkirchener Lehrerin Betül Durmaz. Ihnen gemeinsam ist, wie es ein Kuratoriumsmitglied gegenüber n-tv.de formuliert, "das Thema Leadership". Also Führung. Ganz wichtig: "Die Quadriga ist kein Preis für Menschenrechte."
Diese Position wird nicht von allen Mitgliedern des Kuratoriums geteilt. Kein Wunder: Laut Website würdigt der Preis "Vorbilder für Deutschland und Vorbilder aus Deutschland". Grünen-Chef Cem Özdemir trat aus Protest gegen die Entscheidung aus dem Gremium aus, ebenso der Heidelberger Historiker Edgar Wolfrum. Der "Rhein-Neckar-Zeitung" sagte er, es sei "nicht hinnehmbar, dass einzelne Mitglieder des Kuratoriums für Entscheidungen in Haftung genommen werden, an denen sie nicht beteiligt waren, über die sie nicht informiert worden sind und über die sie in der Presse erfuhren". Aus Kuratoriumskreisen wird eingeräumt, dass die Kommunikation innerhalb des 18-köpfigen Kuratoriums nicht optimal gelaufen sei. Kritik gibt es auch von außen. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sagte der "Berliner Zeitung", das Gremium wäre gut beraten gewesen, "alle Aspekte zu berücksichtigen - auch die der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte". Ihr Parteifreund und Vor-Vorgänger, Verkehrsminister Peter Ramsauer, ist übrigens auch Mitglied im Kuratorium.
"Stabilitätsgedanke" setzt sich durch
Die Arbeitsweise des Kuratoriums ist reichlich intransparent. Die Entscheidungen für die Preisträger entstehen in Sitzungen sowie bei Treffen des "Quadriga-Salons". Wer nicht kommt, wird später informiert - oder eben nicht. Für die Sitzungen gibt es weder eine Anwesenheitspflicht noch ein Quorum. Sitzungsteilnehmer können nicht einmal mehr sagen, auf wen der Vorschlag Putin zurückgeht. Allerdings sei er "sehr umstritten" gewesen. Schließlich habe sich jedoch der "Stabilitätsgedanke" durchgesetzt - für Putin spreche, dass er in schwierigen Zeiten einen Zerfall Russlands verhindert und sich für ein gutes deutsch-russisches Verhältnis eingesetzt habe.
Nach Informationen von n-tv.de hat Özdemir bereits vor mehreren Monaten im Kuratorium durchblicken lassen, dass er einer Preisvergabe an Putin skeptisch gegenüberstehe. Bei einer Sitzung am 15. Juni erklärte er, dass er die anderen Preisträger unterstütze, aber nicht für Putin stimme. Özdemir gilt als Quelle für den ersten Bericht über die Preisverleihung, der am 9. Juli in der "Süddeutschen Zeitung" erschien. In Kuratoriumskreisen wird sogar erwogen, Özdemir könne damit eine "eigene Agenda" verfolgt haben. Das jedoch ist Spekulation.

Putin als Stargast beim Dresdner Opernball 2009. Links im Bild Ministerpräsident Tillich.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
In der Werkstatt Deutschland gibt es offenbar keine Überlegungen, Putin die Quadriga doch nicht zu verleihen. Ein Lehrstück in Sachen "Leadership" ist der Fall Putin indes nicht. Öffentlich wollen sich die Mitglieder des Kuratoriums nicht äußern. Man wolle die Situation erst intern besprechen, begründet ein Mitglied die Absage. Die Devise lautet offenbar: Augen zu und durch. Alles andere würde den Preis beschädigen, heißt es.
Eine andere Frage ist, ob Putin den Preis angesichts der Diskussionen in Deutschland annehmen wird. Davon ist allerdings auszugehen. Vor zwei Jahren sollte Putin beim Dresdner Opernball der Sächsische Dankorden verliehen werden, ebenfalls ein privater Preis, der jedoch vom sächsischen Ministerpräsidenten überreicht wird. Pikant daran: Ausgerechnet in Dresden war Putin in den letzten Jahren der DDR als KGB-Agent stationiert. Es hagelte es Kritik, nicht zuletzt aus der sächsischen Unionsfraktion. CDU-Ministerpräsident Stanislaw Tillich hielt dennoch an seinem Auftritt fest. Putin kam und nahm. Debatten stören ihn offenbar nicht.
Quelle: ntv.de