Politik

Assad klammert sich an C-Waffen "Die USA werden nicht mehr drohen"

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(Foto: picture alliance / dpa)

Syrien rückt seine restlichen Giftgase nicht heraus, die Deadline wird nicht eingehalten. Rüstungskontrollexperte Oliver Meier vermutet, dass Assad trotzdem keine Konsequenzen zu befürchten hat. Im Interview mit n-tv.de erklärt er, warum.

n-tv.de: Von den syrischen Chemiewaffen sind seit Wochen schon 92 Prozent abtransportiert. Wo ist der Rest?

Oliver Meier: Vermutlich befindet er sich an einem Militärstandort 60 Kilometer von Damaskus entfernt. Es handelt sich um rund 100 Tonnen Material, die bereit stehen, um in Container verladen zu werden. Die syrische Regierung sagt, dass es die Sicherheitslage nicht erlaube, diese Bestände abzutransportieren.

Die Regierung hat doch eigentlich die Kontrolle über das Gebiet um Damaskus herum. Wo ist das Problem?

Es ist von außen schwer einzuschätzen, wie stichhaltig die Behauptungen zur Sicherheit sind. Es gab durchaus Kämpfe um den vermuteten Standort. Aber da bereits 18 Transporte stattgefunden haben, fragt man sich schon, warum dieser eine letzte jetzt nicht möglich sein soll. Auffällig ist auch, dass bisher alle Transporte vor Ablauf der letzten Deadline Ende April stattgefunden haben und seitdem nichts mehr passiert ist. Es gibt also Indizien dafür, dass die syrische Regierung gar nicht gewillt ist, den Restbestand herzugeben.

Der Direktor der OPCW, Ahmet Üzümcü, sagt, die syrische Regierung müsse "ihre Anstrengungen verdoppeln". Spricht er durch die Blume und meint eigentlich, dass die Regierung gar nichts tut?

Diese Stoffe sind fertig verpackt, sie sind versiegelt und ihre internationale Überwachung ist sichergestellt. Von technischer Seite sind also alle Voraussetzungen gegeben, dass diese 100 Tonnen Material in den Hafen von Latakia gebracht werden können. Es hängt nur noch an der syrischen Regierung.

Geht denn dann von den Chemikalien überhaupt noch eine Gefahr aus?

In der Tat gibt es da keine direkte Gefahr des unmittelbaren Einsatzes mehr. Es handelt sich nicht um fertige Waffen, sondern um Vorprodukte, die durch die Zusetzung weiterer Stoffe zur Anwendungsreife gebracht werden können. Außerdem müssten sie in Trägersysteme, also Granaten, Raketen oder Bomben, abgefüllt werden, um eingesetzt werden zu können. Es würde sicher international bemerkt werden, wenn sich Syrien die Kontrolle über das Material zurückholen würde.

Warum, glauben Sie, weigert sich Baschar al-Assad, die Stoffe herauszugeben?

Die Umstände lassen vermuten, dass man sie als Faustpfand behalten will: So lange sie im Lande sind, braucht man die syrische Regierung als Partner bei der Abrüstung. Denn die Transporte erfolgten bislang nur durch die syrische Armee. Sofern dies technisch machbar ist, müsste man darüber nachdenken, ob die Organisation für das Verbot chemischer Waffen und die UNO nicht anbieten können, das Material selbst nach Latakia zu schaffen, zum Beispiel auf dem Luftweg. Ob sich die Regierung darauf einlässt, würde zeigen, ob sie kooperationsbereit ist.

Würde sich etwas im Bürgerkrieg ändern, sobald der Abtransport vollzogen ist?

Militärisch spielen die Restbestände keine Rolle mehr. Einzig das Senfgas war direkt als Chemiewaffe einsetzbar, und das befindet sich schon auf einem Schiff vor der syrischen Küste. Es sind schon große Fortschritte erreicht worden – auch was die Zerstörung von Lagerstätten und Trägermitteln angeht. Es kommt jetzt darauf an, dass die Restbestände abtransportiert und einige weitere Produktionsstätten zerstört werden. Die Arbeit geht dann aber noch weiter: Es ist weiterhin nicht klar, ob die Regierung alle Waffen angegeben hat, die sie besaß. Es ist wichtig, dass weiterhin Chemiewaffenangriffe untersucht werden können. Das heißt natürlich auch, dass man den Druck auf das Assad-Regime weiter hoch halten muss. Man könnte zum Beispiel damit drohen, ein Verfahren vor dem Internationalen Strafgerichtshofgegen die diejenigen einzuleiten, die für die Chemiewaffenangriffe verantwortlich sind.

Syrien ist unter heftigem Druck der USA der Chemiewaffenkonvention beigetreten. Nun erfüllt es die Bedingungen nicht. Was glauben Sie, wie lange sich die Amerikaner das noch angucken, ohne wieder deutlicher zu drohen?

Es ist ja schon viel erreicht worden. Die Gefahr eines großflächigen, militärischen Chemiewaffeneinsatzes besteht nicht mehr. Damit ist auch die Bedrohung Israels durch syrische Chemiewaffen abgewendet. Von daher ist der Druck auf die USA sehr viel geringer geworden, den weiteren Einsatz von Chemiewaffen durch Militärschläge abzuschrecken. Man muss auch sehen, dass bei diesem speziellen Thema die USA und Russland weiter zusammenarbeiten. Keine der Seiten hat ein Interesse daran, dass die Stoffe in falsche Hände geraten. Darum ist es unwahrscheinlich, dass die USA kurzfristig mit einem Militärschlag drohen.

Mit Oliver Meier sprach Christoph Herwartz

Quelle: ntv.de

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