Politik

"Bloß keine Weichspülaktion" Die Wachstumssorgen der Grünen

Der Höhenflug der Grünen stellt die Partei vor strukturelle Probleme. Mitgliederschwache Landesverbände können die anstehenden Landtagswahlen alleine kaum stemmen. Deshalb beschließen die Grünen auf ihrem Parteitag in Freiburg den eigenen Aufbau Ost.

Grünen-Parteitag in Freiburg: Die Probleme der Grünen sind ungewohnt für die Partei.

Grünen-Parteitag in Freiburg: Die Probleme der Grünen sind ungewohnt für die Partei.

(Foto: dapd)

Christoph Erdmenger hat ein Problem. Im März sind Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt, und wenn nicht noch eine Katastrophe passiert, werden die Grünen nach 16 Jahren erstmals wieder im Magdeburger Landtag vertreten sein. "7 Prozent plus x", formulierte der 40-jährige Landesvorsitzende der Grünen das Wahlziel. In Umfragen liegt seine Partei derzeit sogar bei neun Prozent. Damit bleiben die Grünen in Sachsen-Anhalt zwar hinter dem Bundestrend zurück, dürfen aber nach zuletzt 3,6 Prozent auf eine Verdoppelung ihres Ergebnisses hoffen. "Wir wachsen nicht so schnell. Wir müssen jeden Wähler einzeln überzeugen", sagt Erdmenger n-tv.de. Und da fangen seine Probleme an.

In Sachsen-Anhalt haben die Grünen gerade einmal etwas mehr als 500 Mitglieder. Das ist das personelle Reservoir, aus denen die Partei die Abgeordneten für den Landtag, ihre Mitarbeiter und vor allem ihre Wahlkämpfer rekrutieren muss. Um geeignetes Personal für den Landtag macht er sich zwar weniger Sorgen. "Aber es macht es nicht gerade leichter, insbesondere für den Wahlkampf, vor allem auch finanziell", beschreibt Erdmenger die Lage in seinem Landesverband. Es fehlen die so wichtigen Multiplikatoren und die zahlenmäßige Basis, die sich an Wahlkampfständen über das Land verteilen könnten. Es fehlt aber auch die nötige Masse an Parteimitgliedern, die den Wahlkampf überhaupt erst finanzieren könnten.

Luxusprobleme im Höhenflug

"Die Inhalte nicht in den Weichspülgang schieben" - das findet Zustimmung auch in der Parteibasis.

"Die Inhalte nicht in den Weichspülgang schieben" - das findet Zustimmung auch in der Parteibasis.

(Foto: dapd)

Sachsen-Anhalt läutet am 20. März das Superwahljahr für die Grünen ein. Sechs Landtage werden 2011 gewählt, in drei Parlamenten darf die Partei mit dem Wiedereinzug rechnen, in den anderen drei mit erheblichen Zugewinnen. Der derzeitige Höhenflug beschert den Grünen ungewohnte Probleme, auch wenn sie luxuriöser Natur sein mögen. Unerfahrene Neumitglieder, die Aussicht auf eine Vielzahl neuer Abgeordneter und Wahlkämpfe in mitgliederschwachen Landesverbänden - wenn die Grünen in der politischen Stimmung oben bleiben und ihre Arbeit professionell fortsetzen wollen, muss die Partei reagieren. "200.000 bis 250.000 Euro muss man für einen Landtagswahlkampf mindestens einplanen", erklärt der Bundesschatzmeister der Grünen, Dietmar Strehl, n-tv.de. Ein Landesverband wie etwa Brandenburg verfüge aber gerade einmal über 100.000 bis 150.000 Euro, während es bei mitgliederstarken Verbänden wie in Baden-Württemberg rund 460.000 Euro seien.

Auf dem Bundesparteitag hat die Partei nun reagiert und einen Wahlkampffonds sowie wie ein parteiinternes Weiterbildungsprogramm beschlossen. Zwei Prozent ihrer staatlichen Mittel geben die Landesverbände in einen Solidaritätstopf für ärmere Länder. Schatzmeister Strehl beziffert die jährliche Summe auf rund 140.000 Euro im Jahr. Daneben hat die Partei die "Grüne Weiterbildungsoffensive" beschlossen. 60.000 Euro fließen jährlich in die Fort- und Weiterbildung von Nachwuchs, Kommunal- und Landespolitikern. Damit wollen die Grünen verhindern, dass der Eindruck einer professionell arbeitenden Partei durch politische Neulinge untergraben wird. Sie sollen politische Abläufe und die Entscheidungsprozesse der Grünen kennenlernen. Von Kaderschulung oder gar "auf Linie" bringen, will natürlich niemand sprechen.

Grüne wollen das "weiter so"

Viele Akzente, die die Grünen Setzen, sprechen Wähler an - "Wozu also aufregen?", fragt sich die Partei.

Viele Akzente, die die Grünen Setzen, sprechen Wähler an - "Wozu also aufregen?", fragt sich die Partei.

(Foto: dapd)

Die beiden parteiinternen Maßnahmen sind aber vorerst die einzigen Konsequenzen, die die Grünen aus ihrem derzeitigen Stimmungshoch ziehen. Der Bundesparteitag in Freiburg ist darüber hinaus ein einziges "weiter so". Die Botschaft der Parteiführung, sich nicht von den Umfragen beflügeln zu lassen und einfach weiterzumachen, wird von den Delegierten nicht in Frage gestellt. "Einfach weiterarbeiten, sich treu bleiben sagt auch Erdmenger. "Programmatisch müssen wir keine Konsequenzen ziehen."

Es ist überraschend, wie einhellig die Partei in Freiburg dem Kurs ihrer Führung folgt. Kein Wort mehr vom Streit zwischen Realoflügel und Parteilinker um thematische Verbreiterung zum Zwecke einer Volkspartei oder einer Verschärfung des Profils. "Wir dürfen die Inhalte nicht in den Weichspülgang schieben", sagt Vorstandsmitglied Malte Spitz n-tv.de. "Bloß keinen Weichspülgang", fordert auch der Parteilinke Christian Ströbele. "Das wäre absoluter Quatsch. Die derzeit den Grünen ihre Stimme geben würden haben die Partei ja so gewollt", sagt der Bundestagsabgeordnete aus Berlin. Ströbele findet wie viele seiner Parteifreunde die ganze Volksparteidiskussion "völlig daneben", die Grünen seien es doch schon längst, wie Berlin oder Baden-Württemberg zeigen würden. Die Botschaft, die die Partei unters Volk bringen will: Wir haben schon immer alle Wähler angesprochen, was soll die ganze Aufregung?

Quelle: ntv.de

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